Die Fashion-Rebellin
Am Samstag, 28. April, findet der Fashion Revolution Day im Kraftwerk statt. Die internationale Bewegung fordert mehr Transparenz und Nachhaltigkeit in der Modebranche. Mit dabei ist auch die Zürcherin Corinna Mattner. Sie hat das Fashionlabel «Romy Hood» gegründet – und schneidert aus alten Kleidern neue Lieblingsstücke. Neben diesen Kollektionen fertigt sie auch Comic-Puppen nach dem Vorbild von richtigen Menschen.
Zeitgleich treffen Corinna Mattner und ich bei ihrem Atelier in Zürich-Altstetten ein. «Eigentlich wollte ich ja früher kommen und ein bisschen aufräumen», sagt sie nach der Begrüssung und führt mich in den ersten Stock. Dort stapeln sich Stoffreste sowie Kleidungsstücke, es stehen verschiedene Nähmaschinen und Büsten herum. Bevor wir uns an einen grossen Arbeitstisch setzen, zeigt mir Corinna einige ihrer Designs: ein Oberteil, das aus einem alten Nadelstreifenblazer und einem ausrangierten Wollpulli zusammengesetzt ist. Ein gemusterter Jupe, der aus einem alten Tischtuch genäht ist. Ein Top, das aus einem seidenen Hermes-Schal und einem knallig eingefärbten Unterhemd besteht.
Corinna ist eine nachhaltige Designerin. Sie rekonstruiert Mode. Das bedeutet, dass sie hauptsächlich mit Resten und alten Materialien arbeitet. So sucht sie in Brockis und an Flohmärkten nach schönen Stoffen und ausrangierten Kleidungsstücken. «Manchmal bringen mir auch ältere Damen ihre Schätze», erzählt die 40-Jährige. «Sie sind froh, dass sie ihre Garderobe nicht in die Altkleidersammlung geben müssen und sie stattdessen ein neues Leben bekommt.»
«Ich werde mit Nähmaschinen-Soundperformances machen und Hirngespinste nähen.»
Nachhaltigkeit bedeutet auch, sich nicht in jeder Jahreszeit mit neuen Trends einzudecken. Deshalb setzt die gebürtige Deutsche auf ein zeitloses Design und verzichtet darauf, jede Saison eine neue Kollektion herauszubringen. «Ich entwickle Themen, zu denen ich längerfristig Modelle für Frauen und Männer entwerfe», so Corinna. Wiederkehrende Themen sind Wälder, Rehe, Feen, Blumen und das Universum. «Im kommenden Jahr werde ich auch wieder mehr Kunstprojekte verfolgen. So werde ich zum Beispiel mit Münchner und Berliner Künstlern Nähmaschinen-Soundperformances machen und Hirngespinste nähen.»
Corinna wünscht sich manchmal, dass die Zürcherinnen mutiger wären.
Seit vier Jahren heisst Corinnas Label Romy Hood. Der Namen ist von Robin Hood inspiriert – und von der österreichischen Schauspielerin Romy Schneider, welche unter anderem die Kaiserin Sissi spielte. «Ausserdem mag ich den Vornamen sehr gerne. Die beste Freundin meiner Tochter heisst auch so. Sie ist ein kleines, wildes Mädchen.» Romy Hood ist für Corinna eine Heldin des Alltags und soll eine Identifikationsfigur sein. Nicht nur für die Designerin, sondern auch für die Models und die Kundinnen. Sie wünscht sich manchmal, dass die Zürcherinnen mutiger wären. Und die lokalen Designerinnen und Designer? «Es gibt bereits viele spannende Projekte hier in Zürich. Das finde ich bereichernd.»
Seit 2005 arbeitet Corinna mit Stoffen. «Im Team haben wir passend zu Rauminstallationen Kleiderkollektionen designt», erzählt sie mir. «Das machte mir total viel Spass.» Eigentlich hat Corinna Innenarchitektur in Trier studiert. Doch bereits als Teenager nähte sie ihre Kleider selbst. Je mehr sie sich mit Mode beschäftigte, desto häufiger machte sie sich Gedanken um deren Entstehung und um Nachhaltigkeit. Auch im Alltag: So pflanzt Corinna in ihrem Garten Gemüse an, kauft möglichst wenig Gegenstände neu und hat die Wohnung in Altstetten mit Vintage-Möbeln eingerichtet.
«Ihre Comicfiguren aus Stoff heissen zwar Monster Your Friends, sehen aber ganz nett und ein bisschen schräg aus.»
Neben ihrem Modelabel kümmert sich Corinna um ihre sechsjährige Tochter und fertigt mit einer Freundin individualisierte Comic-Puppen an. «Diese heissen zwar Monster Your Friends, sehen aber eigentlich ganz nett und ein bisschen schräg aus.» Sie zeigt mir eine solche Stofffigur: einen Mann mit Bart, Krawatte und Brille. Irgendwo in Zürich spaziert das Original herum – Corinna hat das «Monster» nach Fotos angefertigt. «Die Leute kaufen die Figuren selten für sich. Öfters bestellen sie Pärchen, die dann verschenkt werden.» Eine Puppe kostet rund 340 Franken, ein Paar gibt es für 570 Franken.
Im Moment arbeitet Corinna hauptsächlich für den Fashion Revolution Day, der am Samstag, 28. April, im Kraftwerk gefeiert wird. Hinter dem Anlass steckt die Fashion Revolution. Diese globale Bewegung entstand als Reaktion auf das grösste Unglück in der Geschichte der Textilindustrie: Im April 2013 stürzte eine Kleiderfabrik nahe der bangladeschischen Hauptstadt Dhaka ein. Mehr als 1100 Menschen kamen ums Leben, über 2000 wurden verletzt.
«Wir wollen zeigen, dass faire Mode auch sexy und ausgefallen sein kann.»
Die Fashion Revolution setzt sich für mehr Transparenz, Fairness und Nachhaltigkeit in der Modebranche ein. «Wir wollen den Leuten zeigen, dass sie eine Stimme haben. Ihre Kaufentscheidungen haben Einfluss», so Corinna. Sie ist bereits zum zweiten Mal Teil des Planungsteams. «Gerade leidet mein Label ein bisschen darunter, aber das finde ich völlig in Ordnung. Schliesslich decken sich die Ziele der Veranstaltung mit meinen eigenen.»
Rund 30 nachhaltige Labels werden ihre Kollektionen verkaufen. «Wir wollen zeigen, dass faire Mode auch sexy und ausgefallen sein kann.» Corinna hat ebenfalls einen Stand. Sie freut sich darauf. «Mir gefällt der Austausch mit den Kundinnen und Kunden. Meist bin ich am Abend enttäuscht, dass der Tag bereits vorbei ist. Ich könnte ganze Nächte an solchen Events verbringen!»
Adresse
Fashion Revolution Day
Kraftwerk Zürich
Selnaustrasse 25
8001 Zürich
Öffnungszeiten
Samstag, 28. April 2018
11 bis 24 Uhr
Infos
Folgende Highlights erwarten dich: Fair Fashion Market, diverse Workshops, Film-Screenings, Performance, Kleider-Flick-Station, Podiumsdiskussion, Fashion Show by Villa Paul und Party von Rundfunk.fm. Das vollständige Programm findest du hier. Der Eintritt ist frei.