«Les Gardiennes»: Frauen halten die Welt am Leben
«Les Gardiennes» erzählt eine Geschichte von früher, die bestens in unsere Zeit passt. Denn es geht um Frauen, die sich emanzipieren. Sie ersetzen während des Ersten Weltkriegs die abwesenden Männer und stellen sicher, dass Frankreich weiter «funktioniert».
Wer es mag, wenn im Kino so richtig die Post abgeht, sollte einen grossen Bogen um «Les Gardiennes» machen. Der Film spielt zwar während des Ersten Weltkriegs, zeigt aber so gut wie keine Schlachtszenen. Denn die titelgebenden «Gardiennes» (Wächterinnen) sind all jene Frauen, die daheimgeblieben sind, während ihre Männer und Söhne in den Schützengräben kämpfen und sterben. Der Film schildert also, wie das Leben fern der Front aussieht. Nicht einmal Kanonendonner ist zu hören, wenn die Frauen hinter dem Pflug hergehen.
«Les Gardiennes» ist ein Film der leisen Töne. Im Mittelpunkt steht die junge Francine (eine Entdeckung: Iris Bry), die von Hortense Sandrail (Nathalie Baye) als Magd angestellt wird. Hortense und ihre Tochter Solange (Laura Smet) führen praktisch im Alleingang einen Bauernhof. Zwei zusätzliche Frauenarme, die anpacken können, sind ihnen daher sehr willkommen.
Es ist fast magisch, wie das Publikum in diese Welt der Frauen gesogen wird. Vier Jahre lang, bis der Krieg vorbei ist, emanzipieren sie sich. Dann kehren die überlebenden Männer mit ihren physischen und psychischen Verletzungen heim und übernehmen das Ruder wieder. Doch ausgerechnet die besitzlose Handlangerin Francine bleibt emanzipiert. Wie und warum sei hier nicht verraten, um nicht zu viel von der Handlung preiszugeben.
«Les Gardiennes» ist einer jener raren Filme, bei denen man im Kino sitzt und einfach nur staunt. Wie haben Regisseur Xavier Beauvois und sein Team bloss diese Landschaft ohne Strommasten und Mobilfunkantennen gefunden? Man glaubt sich wirklich in die Kriegsjahre von 1914 bis 1918 zurückversetzt. Und Kamerafrau Caroline Champetier zaubert wunderschöne und ausgesprochen stimmungsvolle Bilder auf die Leinwand. Diese Schönheit zelebriert zwar die Stärke der Frauen, verschleiert jedoch nie ihren Kummer oder die Härte und Rauheit ihres Landlebens.
Man glaubt sich wirklich in die Kriegsjahre von 1914 bis 1918 zurückversetzt.
«Wenn du glaubst, ein Film habe eine Seele, dann musst du warten, bis diese Seele spricht», findet Xavier Beauvois. Für das Publikum entpuppt sich die junge Francine als Seele des Films. Zuerst wortkarg und zurückhaltend, taut die Magd mit der Zeit immer mehr auf. Und sie verliebt sich in Hortenses Sohn Georges (Cyril Descours), als er auf Fronturlaub heimkehrt. Doch nach ein paar Wochen ist Francine wieder allein. Stärker lässt sich das Schicksal dieser Frauen nicht illustrieren.