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Fundbüro für Motivation

Text: Nina Müller Fotos: Cemil Erkoç

Das verlorene Teamgefühl im Büro schmeckt bitter. Die wiedergefundene Motivation beschreibt eine andere Person als hellblau, gewaltig gross – und sie riecht frisch. Die «Pop-up-Meldestelle für verlorenen Sinn und Antrieb in der Arbeit» nimmt einmal pro Monat in Zürich Verlust-, aber auch Fundmeldungen entgegen. Ihr Gründer Björn Müller, Psychologe, Philosoph und Berater, will mit seiner Aktion aufrütteln und zum Nachdenken anregen: Tun wir auch wirklich, was uns entspricht und uns glücklich macht?

Es ist halb fünf. Mitten in der Zürcher Rushhour und bei sonnigen 23 Grad gehe ich zur Hardbrücke-Rampe im Zürcher Kreis 5. Denn hier wird heute die «Meldestelle für verlorenen Sinn und Antrieb in der Arbeit» aufgestellt. Ich bin neugierig. Gibt es wirklich so viele Zürcher, die unzufrieden sind mit ihrer Arbeit?

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Die sechs Mitarbeiterinnen der Meldestelle befestigen an ihrem improvisierten Schalter noch die Banderole mit Schriftzug, dann steht das Ganze. Die Menschen hasten an ihnen vorbei, die Rampe hinunter zu den Zügen. «Ob überhaupt jemand stehen bleibt an diesem sonnigen Abend?», frage ich mich angesichts der Hektik, die hier herrscht.

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Dann kommt Björn Müller auf mich zu. Der vierzigjährige studierte Psychologe, Philosoph und Berater ist braungebrannt, er trägt ein hellblaues Gilet über dem weissen Hemd, und hinter seiner Nickelbrille schaut er mich ernst an. «Kann sein, dass es heute etwas harzig anläuft an dieser Lage», begrüsst er mich, als könnte er Gedanken lesen. Wir gehen zum Schalter der Meldestelle.

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Hier liegen die Formulare aus. In der Verlustmeldung beschreiben Passanten, was sie in der Arbeit vermissen oder verloren haben. Auf dem Fund-Fragebogen melden sie, was ihnen die Arbeit gibt oder welchen Sinn sie wiedergefunden haben. Das Verlorene und Gefundene kann ausserdem noch mit Farbe, Form und Geschmack beschrieben werden. Grossartig und irgendwie fast schon ein bisschen Dada. Der Meldestelle-Stuhl ist leer, noch steht kein Gespräch für Björn an, ich nutze also die Zeit, um ihm ein paar Fragen zu stellen.

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Du bist Berater an der Universität St. Gallen. Wie kamst du dazu, diese Meldestelle zu gründen?

Aus meinem persönlichen Umfeld weiss ich, dass es wahnsinnig viele Leute gibt, die sehr gute Jobs haben, sich aber überhaupt nicht erfüllt fühlen und gerne etwas anderes machen wollen. Sie haben aber keine Ahnung, wie sie das anfangen sollen. Wir wollen mit der Meldestelle aufrütteln und dazu anstiften, das Thema ernst zu nehmen und sich auch zu fragen: Wozu trage ich mit meiner Arbeit eigentlich bei?

«Ich weiss, dass es wahnsinnig viele Leute gibt, die sehr gute Jobs haben, sich aber überhaupt nicht erfüllt fühlen.»

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Was hindert die unzufriedenen Menschen daran, aus ihrer Firma auszusteigen und etwas anderes zu machen?

Viele haben das Gefühl, sie seien allein mit ihrer Unzufriedenheit. Und dann staunen sie, wenn sie merken, dass es noch viele andere gibt, denen es ähnlich geht! Das andere Problem ist: Viele Menschen wissen genau, was sie nicht mehr wollen, wissen aber nicht, was sie gerne machen würden.

Welche Verlustmeldungen gab es bisher am häufigsten?

Wir hören am häufigsten, dass es in den Firmen sehr starre Strukturen gibt und wenig Möglichkeiten, sich einzubringen.

«Viele Menschen wissen genau, was sie nicht mehr wollen, wissen aber nicht, was sie gerne machen würden.»

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Was soll jemand machen, wenn er merkt, dass er an seinem Arbeitsplatz völlig falsch ist? Einfach mal kündigen?

Nein, davon rate ich ab. Wir empfehlen, dies Schritt für Schritt zu tun. Sich überhaupt damit auseinanderzusetzen, ist der erste Schritt. Aber dafür braucht es Resonanzräume, und das machen wir mit der Meldestelle. Sobald wir mehr Meldungen haben, fangen wir an, die Menschen miteinander zu verbinden. Als Beispiel: Claudia gibt an, sie habe den Sinn in der Arbeit verloren, und sie würde sehr gerne in die Nachhaltigkeitsbranche einsteigen, weiss aber nicht, wie. Dann finden wir Klaus, der das schon geschafft hat, und wir connecten die beiden. Oder wir connecten Claudia mit Alex, der genau das Gleiche sucht wie sie, weil es zu zweit oder zu dritt viel einfacher wird. Es ist ein altes Grundprinzip: Bildet Banden!

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Was treibt dich an, diese Meldestelle zu betreiben?

Ich habe Spass daran, mit den Menschen direkt in Kontakt zu kommen. Es ist Streetwork und auch ein bisschen Theater. Ich habe früher viel Improvisationstheater gemacht. Wir machen Bildung als Performance-Kunst. Die Idee, Leute über Erlebnisse zu erreichen, ist ganz zentral bei uns. Es ist auch schön, zu merken, dass es eine Resonanz gibt. Jetzt sind die Leute hier ja auch schon im Gespräch.

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Mittlerweile hat sich tatsächlich eine Traube von Menschen um die Meldestelle gebildet, und alle Mitarbeiterinnen von Björn sind in Gespräche vertieft. Ein circa dreissigjähriger Mann mit hippem Bart und Sonnenbrille bleibt interessiert stehen. Er ist Kantonsschullehrer für Physik und Geografie und erzählt mir, dass er mit seinem Job komplett unzufrieden ist. «Ich bin kurz davor, zu kündigen. Die Politik in der Schulleitung ist unerträglich», erklärt er. Er will anonym bleiben. Ich wünsche ihm viel Glück, und dann entdecke ich ein bekanntes Gesicht.

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Evelin ist Sekundarlehrerin, wir kennen uns vom Tango-Tanzen. Evelin lässt sich gerade von einer Mitarbeiterin der Meldestelle ablichten. Sie hält eine kleine Schiefertafel vor sich, die kommt mit aufs Foto. Darauf steht: «Gefunden: mich in meinem Job.» Wow! Das ist mal eine gute Nachricht. Und dann stolpere ich über einen Moderator von Radio 1, Florian Michel. Auch er lässt sich gerade ablichten. Auf seiner Schiefertafel steht «Freud & Lebenstraum». Florian beschreibt seine Arbeit so: «Gelb & strahlend, zum Geniessen», den Geschmack gibt er auf dem Fragebogen an mit: «Schmeckt zwischen frischem Sommerbier und dunklem Rotwein.»

An diesem sonnigen Feierabend gab es elf Verlust- und acht Fundmeldungen. Für Björn Müller eine richtig schöne Bilanz.

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Übrigens

Am 19. Juni 2018 ist die Meldestelle wieder in Zürich, dann auf der Bahnhofbrücke gegenüber dem Coop. Mehr Informationen findest du hier. Übrigens: Such- und Fundmeldungen können auch online aufgegeben werden.