Kultur & Nachtleben | Nachtleben-Kolumne

Wie 20 Jahre Drug Checking das Zürcher Nachtleben sicherer machten

2001 lancierte die Jugendberatung Streetwork der Stadt Zürich mit saferparty.ch ein Präventionsangebot spezifisch für das Zürcher Nachtleben. Wichtiger Bestandteil von saferparty.ch ist die Möglichkeit, Substanzen analysieren zu lassen. Dieses sogenannte Drug Checking hat gemäss unserem Nachtleben-Kolumnist Alexander Bücheli viel dazu beigetragen, die Zürcher Partygänger*innen für einen möglichst risikoarmen Konsum psychoaktiver Substanzen zu sensibilisieren.

Nightlife-Präventionsangebote wie saferparty.ch blicken in Europa auf eine über 30-jährige Geschichte zurück. Die ersten Angebote wurden Mitte der 80er-Jahre in den Niederlanden ins Leben gerufen. Der Grund für diese Entwicklung war die sich schnell ausbreitende Rave-Kultur, die damit einhergehende Zunahme des XTC-Konsums und die Erfahrung, dass die damaligen, oft auf Abschreckung abzielenden Präventionsangebote sich als nicht zielführend erwiesen und in der Partyszene nur auf wenig Akzeptanz stiessen. Bei der Gründung von Nightlife-Präventionsangeboten ging es deshalb darum, innovative Projekte mit aufsuchendem und akzeptierendem Ansatz auf den Weg zu bringen.

Die Angebote sind niederschwellig, kostenlos und anonym nutzbar.

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Der Begriff Nightlife-Prävention steht dabei für Angebote, die sich direkt an Freizeitdrogenkonsumierende richten, die an Partys oder Festivals auf psychoaktive Substanzen zurückgreifen. Nightlife-Prävention hat sowohl schadensmindernde als auch präventive Aspekte. Ziel ist es, dass junge Menschen die Lebensphase des Partyfeierns körperlich und psychisch möglichst unbeschadet überstehen. Die Angebote sind niederschwellig, kostenlos und anonym nutzbar. Eine wichtige Grundlage ist die aufsuchende Arbeit, das heisst, die meisten Nightlife-Angebote sind vor Ort direkt im Nachtleben, in den Clubs präsent.

In Zürich wagte man 1996 den Pilotversuch.

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Die Geschichte der Nightlife-Präventionsangebote in der Schweiz begann vor rund 25 Jahren. Wie in Deutschland, so spielte auch in der Schweiz der Verein «eve&rave» eine wichtige Rolle. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes Peer-to-Peer-Projekt, das heisst, die Mitglieder des Vereins sind Partygänger*innen, die sich freiwillig engagieren. «eve&rave», das dieses Jahr sein 25-jähriges Jubiläum feierte, war es auch, das sich erstmals verstärkt für die Analyse illegaler Substanzen in der Schweiz einsetzte. In Zürich war es dann die Zürcher Arbeitsgemeinschaft für Jugendprobleme (ZAGJP), die 1996 den Pilotversuch wagte. Gegen dieses erste Drug Checking in der Stadt opponierten die bürgerlichen Politiker*innen, und es kam zu einer Strafanzeige gegen die ZAGJP. Die damit verbundenen rechtlichen Abklärungen ergaben, dass die Substanzanalyse zum Zweck der Schadensminderung gegen kein Schweizer Gesetz verstösst. Dank dieser Rechtssicherheit nahm 1998 im Kanton Bern das erste mobile Schweizer Drug-Checking-Angebot – im Rahmen des Pilotversuchs Pilot-E – seinen Betrieb auf.

Nach der Analyse sind nicht nur die Wirkstoffe, sondern auch der jeweilige Gehalt bekannt.

In der Stadt Zürich brauchte es nach den ganzen Diskussionen rund um die ZAGJP ein bisschen länger, bis die Stadt im Jahr 2001 entschied, das bereits existierende mobile Präventionsangebot an Partys um die Möglichkeit der Substanzanalyse zu ergänzen. Dabei kam es zu einer Zusammenarbeit mit dem Berner Kantonsapothekeramt, das dank des Pilot-E-Projekts schon über Erfahrung mit der mobilen Substanzanalyse verfügte. Die Analyse wird dabei mittels Hochleistungsflüssigkeitschromatografie (HPLC) durchgeführt. Diese Methode liefert quantitative Resultate, das heisst, nach der Analyse sind nicht nur die in der Substanz enthaltenden Wirkstoffe, sondern auch der jeweilige Gehalt bekannt.

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Seit den Anfangszeiten gilt: Wer ein Drug-Checking-Angebot nutzt, muss an einem Beratungsgespräch teilnehmen. Dieses dient nicht nur der Risikosensibilisierung, sondern – indem während des Gesprächs ein anonymer Fragebogen ausgefüllt wird – auch zu Monitoringzwecken. Nach der Analyse wird der Konsument respektive die Konsumentin über das Resultat der chemischen Substanzanalyse informiert und erhält spezifische Informationen zu Konsumrisiken und Safer-Use-Regeln für die sich in der Probe befindenden Wirkstoffe. Wenn sich bei der Analyse ungewöhnliche oder unerwartete Substanzen, beispielsweise potenziell gesundheitsgefährdende Streckmittel oder ungewöhnlich hohe Wirkstoffdosierungen zeigen, werden entsprechende Warnungen erstellt. Diese werden auf der Website saferparty.ch geteilt und zusätzlich der Polizei, Spitälern, forensischen Labors, toxikologischen Instituten, aber auch dem Club und Sicherheitsfirmen sowie anderen präventiven und schadensmindernden Angeboten zur Verfügung gestellt.

2006 wurde das mobile Angebot in der Stadt Zürich um das Drogeninformationszentrum ergänzt.

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2006 wurde das mobile Angebot in der Stadt Zürich um das Drogeninformationszentrum DIZ ergänzt. Dabei handelt es sich um ein ambulantes, wochentags geöffnetes Drug-Checking-Angebot. Wie beim mobilen Drug Checking gibt es auch hier eine persönliche Beratung, im Unterschied zum mobilen Drug Checking liegt das Ergebnis der Substanzanalyse jedoch erst einige Tage später vor. Drug Checking als Walk-in-Service ermöglicht es, Konsument*innen illegaler Substanzen zu erreichen, die für gewöhnlich keinen Club besuchen.

Heute werden in Zürich jährlich über 2000 Substanzen analysiert.

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Heute werden in Zürich jährlich über 2000 Substanzen analysiert und Tausende Beratungsgespräche mit Freizeitdrogenkonsument*innen durchgeführt. Die am häufigsten konsumierte und somit auch analysierte Substanz ist Kokain, gefolgt von MDMA (Ecstasy) und Speed. Die meisten Warnungen müssen wegen hoch dosierter Ecstasy-Tabletten ausgesprochen werden, Speed ist die am häufigsten gestreckte Substanz – meist mit einem Gemisch aus Koffein, Amphetamin und Kokain, bei dem ein Viertel der Proben das Entwurmungsmittel Levamisol enthält.

Die heutigen Nutzer*innen von Drug-Checking-Angeboten sind besser über Konsumrisiken informiert als früher.

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Die nun 20-jährige Erfahrung zeigt, dass Freizeitdrogenkonsumierende mittels kombinierter Beratung und Substanzanalyse gut erreicht werden können. Aber nicht nur die Erreichbarkeit hat sich verbessert – die Praxiserfahrung, Rückmeldungen von Szenekenner*innen und verschiedene wissenschaftliche Auswertungen zeigen, dass die heutigen Nutzer*innen von Drug-Checking-Angeboten besser über Konsumrisiken informiert sind, als sie es in den Anfängen des Drug Checkings in den 2000er-Jahren waren. Neben der Risikosensibilisierung trägt das Zürcher Drug-Checking-Angebot dazu bei, Trends und Dynamiken des illegalen Drogenmarktes und des Konsums von illegalen Substanzen besser zu verstehen. Damit konnten nun seit 20 Jahren gefährliche Entwicklungen auf dem Drogenmarkt frühzeitig erkannt werden. Jüngstes Beispiel ist die Beimischung von synthetischen Cannabinoiden zu natürlichem Cannabis.