«The Rider» – in diesem Rodeo-Drama spielen alle Menschen sich selbst
Das Kino Riffraff zeigt ab dem 5. Juli Chloé Zhaos eindringliches Drama «The Rider». Es erzählt die wahre Geschichte von einem jungen Lakota-Sioux, der sich nur auf dem Pferderücken als ganzer Mensch fühlt. Nach einem Rodeo-Unfall raten ihm die Ärzte jedoch davon ab, je wieder zu reiten. Das besondere an diesem Film: Die Protagonisten – alles Laiendarsteller – spielen nach, was ihnen tatsächlich passiert ist.
«Ein Film über einen Rodeo-Reiter? Bitte nicht!» Das dachte ich, bevor ich ins Kino ging. Denn Rodeos interessieren mich etwa so sehr wie Lady Gagas Lippenstiftsammlung. Ich rauche nicht mal Marlboro, ich rauche überhaupt nicht. Trotzdem habe ich mich eines Morgens zur Pressevorführung von «The Rider» aufgemacht. Und ich habe es nicht bereut. Der Film geht von Anfang an unter die Haut.
Der junge Brady Blackburn ist ein Pferdenarr und zieht von Rodeo zu Rodeo. Doch nach einem Sturz trifft ihn ein Pferdehuf am Kopf. Die Ärzte setzen ihm eine Metallplatte in den Kopf. Und nachdem Brady aus dem Koma erwacht ist, verbieten sie ihm, je wieder an Wettkämpfen zu reiten. Auf einem Pferderücken zu sitzen, bedeutet für den jungen Lakota-Sioux jedoch das Leben. Er kann gar nicht anders. Schon nach wenigen Wochen schwingt er sich wieder auf ein Pferd.
Die ganze Zeit sitzt man im Kino und fragt sich, warum einem die an sich simple Geschichte so unter die Haut geht.
Die ganze Zeit sitzt man im Kino und fragt sich, warum einem die an sich simple Geschichte so unter die Haut geht. Die Antwort: Alle Menschen im Film spielen sich selbst. Brady Jandreau spielt eine leicht fiktionalisierte Version seiner selbst, deshalb heisst er im Film Blackburn statt Jandreau. Neben ihm treten seine tatsächliche Familie, seine Freunde und andere Mitglieder der Lakota-Gemeinde auf. So sieht man im Film auch Jandreaus besten Freund Lane Scott, einen ehemals sehr erfolgreichen Rodeo-Champion, der seit einem Autounfall (im Film ist es ein Rodeo-Unfall) körperlich schwer behindert in einem Pflegeheim lebt. Zudem ist Lane fast stumm und lediglich in der Lage, über Zeichensprache zu kommunizieren.
Im Film funktioniert der behinderte Lane natürlich als Hinweis darauf, dass alles noch viel schlimmer hätte kommen können für Brady. Und trotzdem will und kann Brady sich nicht mit einem ruhigen Job zufriedengeben. Er braucht Pferde wie die Luft zum Atmen. Zuerst stellt er sein Talent als Pferdeflüsterer anderen zur Verfügung, aber es genügt ihm einfach nicht. Schliesslich sucht er doch wieder den Kick an einem Rodeo-Turnier.
Regisseurin Chloé Zhao hat Brady Jandreau beim Dreh zu ihrem ersten Langfilm kennengelernt.
Regisseurin Chloé Zhao hat Brady Jandreau beim Dreh zu ihrem ersten Langfilm «Songs My Brothers Taught Me» (2015) im Pine-Ridge-Reservat in South Dakota kennengelernt. Seither hatte sie vor, ihn in ihrem nächsten Film zu besetzen. Doch dann kam es im April 2016 zu besagtem Rodeo-Unfall. Danach war für Zhao klar, dass sie Brady Jandreau sogar in den Mittelpunkt stellen wollte. Und da die Bewohner des Reservats für Ureinwohner die 36-Jährige schon kannten, vertrauten sie der in Peking geborenen Filmemacherin ein zweites Mal.
Ein Spielfilm, ein Drama, in dem alle nachspielen, was ihnen tatsächlich passiert ist.
Das Resultat ist ein sehr authentischer Film, der tief in die Seele dieser naturverbundenen und eher wortkargen Menschen blicken lässt. Mitunter wirkt «The Rider» fast dokumentarisch, aber es ist ein Spielfilm, ein Drama, in dem alle nachspielen, was ihnen tatsächlich passiert ist. Das hat zwar den Nachteil, dass diese Laiendarsteller eher verhalten wirken, da gibt es keinen heimlichen Robert De Niro, aber dafür wirken alle echt und authentisch bis in die Absätze ihrer Cowboy-Stiefel. Und das ist eindrücklicher als jeder fiktive Western.
Brady Jandreau ist heute übrigens 22, verheiratet und Vater einer kleinen Tochter. Er lebt immer noch im Pine-Ridge-Reservat und züchtet und trainiert Quarter Horses, diese uramerikanische Pferderasse. Aber er nimmt vernünftigerweise nicht mehr an Rodeos teil. «Ich besuche Rodeos immer noch als Zuschauer», sagte er der «New York Post», «aber auf dem Heimweg werde ich immer sehr traurig. Ich wünschte, ich könnte wieder Rodeo reiten. Physisch wäre ich durchaus in der Lage dazu. Ich könnte Erfolg haben, ich könnte aber auch sterben.»
Adresse
Kino Riffraff
Neugasse 61
8005 Zürich
+41 44 444 22 00
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