«Wolkenbruch»: Kulturschock in Zürich
Ein herrlich beschwingter «Wolkenbruch», der fast ganz im sommerlichen Zürich spielt. Nach der Weltpremiere am Zurich Film Festival kommt die neue Komödie von «Sennentuntschi»-Macher Michael Steiner jetzt regulär in die Kinos.
«Ich hob ihr Fotos fin dir gezeigt, sie findet dich oich nett», sagt die Mutter (Inge Maux). «Mame, farwus is es asoi wichtig, as ich miss jetz schojn gefinen a Froj?», antwortet ihr Sohn Motti (Joel Basman). So geht das in der neuen Kinokomödie «Wolkenbruch» hin und her – ohne Untertitel. Am Anfang ist das gewöhnungsbedürftig, aber schon bald hat man Spass an den lustigen Dialogen.
Man kann der Familie Wolkenbruch tatsächlich folgen, wenn sie Jiddisch spricht.
«Für das Jiddisch im Film mussten wir viele Worte, die man nicht verstanden hätte, ersetzen», erklärt Regisseur Michael Steiner. «Dass es für unsere Ohren verständlich ist, war für mich eine der grössten Herausforderungen.» Das Experiment ist gelungen, man kann der Familie Wolkenbruch tatsächlich folgen, wenn sie Jiddisch spricht. Der eigentümliche Klang holt das Publikum in eine für die meisten von uns fremde Welt, die mitten in Zürich existiert.
Die orthodoxe Familie Wolkenbruch wohnt nämlich im Kreis 3. In den Quartieren Wiedikon und Enge leben tatsächlich die meisten Juden Zürichs. So authentisch Schauplätze, Ausstattung und Sprache auch wirken, der Film ist eine fiktive «Culture Clash Comedy». Motti, der sich gegen die Verkuppelungsversuche seiner Mame wehrt, verliebt sich an der Uni Hals über Kopf in die hübsche Laura (Noémie Schmidt). Natürlich ist die Komilitonin keine Jüdin, also das, was Juden eine Schickse nennen.
Motti verliebt sich an der Uni Hals über Kopf in die hübsche Laura.
Die Romanvorlage heisst denn auch «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse». Der Autor Thomas Meyer hat am Zurich Film Festival gestanden, für ihn sei es sehr schwierig gewesen, aus dem eigenen Roman ein Drehbuch zu machen. Die Mühe hat sich aber gelohnt, der Film kommt leicht und beschwingt daher. Die Figur der Mame ist zwar die Karikatur einer überfürsorglichen Mutter, doch die Spielfreude von Inge Maux wirkt so entwaffnend, dass man gar nichts kritisieren möchte.
Auch Joel Basman überzeugt in der Rolle des schüchternen Motti, der sich für Laura nicht nur den Bart abrasiert, sondern auch eine moderne Brille kauft. «A furchtbare Briln», findet Mame. «Du sejhst ojs wie Woody Allen.» Ratsuchend wendet sich Mame an den Rabbi. Der empfiehlt eine «moralisch festigende Reise» nach Israel, wo Motti eine gläubige Frau finden soll. Doch der Schuss geht nach hinten los. Der israelische Freund des Rabbis ist modern eingestellt und führt ein Yogastudio. Ausserdem erlebt Motti im säkularen Tel Aviv sein erstes erotisches Abenteuer.
Das Publikum kann versuchen, die Stadtzürcher Drehorte zu erkennen.
Der junge Jude kehrt also ohne Frau, dafür mit umso mehr Selbstvertrauen sowie in Jeans und T-Shirt nach Zürich zurück. Der Konflikt mit Mame ist also vorprogrammiert. Aber mehr sei hier nicht verraten. Nur noch so viel: Udo Samel, der den Vater spielt, ist auch toll. Der deutsche Schauspieler fasst «Wolkenbruch» so zusammen: «Das strotzende Leben, auf den Kopf gestellt und wieder zurück auf die Füsse: „Gurnischt nischt passiert!“ Überfülle im Sein und wundervoller Unsinn – zum ans Herz greifen. Der Film soll die Welt verrücken! Wer möchte da nicht dabei sein?»
So authentisch Schauplätze, Ausstattung und Sprache auch wirken, der Film ist eine fiktive «Culture Clash Comedy».
Genau, ab ins Kino! Dabei bekommt man nicht nur eine jiddische Version von Leonard Cohens Überhit «Hallelujah» zu hören, sondern kann auch versuchen, die Stadtzürcher Drehorte zu erkennen, vom Bahnhof Wiedikon bis zum Escher-Wyss-Platz, vom Viadukt bis zur Männerbadi am Schanzengraben. «Hobn Shpas!»