Kolumne: Anna Rosenwasser

Einmal im Monat schreibt Anna Rosenwasser, wie sie in Zürich lebt und liebt. Im Mai erzählt die Chefin der Lesbenorganisation Schweiz, wie sie mit einem Hetero-Bodybuilder eine Gay Bar besucht.

Wie unterschiedlich können zwei Menschen eigentlich sein? Ich wollte es herausfinden. Mit Valerio. Wir wurden einander an einem Bodybuilding-Wettbewerb vorgestellt, wo ich nicht hingehörte und er sehr. Er nahm nämlich daran teil. Kurz vor Valerios Auftritt, in einem Gang einer Mehrzweckhalle, kamen wir ins Gespräch; er war ein auffallend gut aussehender, bizarr muskulöser Mann, ähnlich jung wie ich. Während wir uns die Hände schüttelten, verteilte sein Coach gerade eine zusätzliche Schicht Glanz über Valerios gestählten, halbnackten Körper. Es machte mich fast ein bisschen verlegen.

Kurz vor Valerios Auftritt, in einem Gang einer Mehrzweckhalle, kamen wir ins Gespräch.

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«Moment – du weisst jetzt, was ich so mache, aber was machst du eigentlich so?», fragte er nach einigen Minuten, und ich grinste. «Rat mal», sagte ich. Er dachte kurz nach. «Hm, Hard Rock?» Wir lachten beide. (Das Musikalischste an mir ist meine Freundin.) «Ich arbeite für die Lesbenorganisation Schweiz.» – «Ach was!», sagte er erstaunt. Dann musste Valerio auf die Bühne.

Eine Woche später trafen wir uns wieder. Es war Samstagabend und ich war fest entschlossen, dieses Mal den Spiess umzukehren: Wenn ich schon in Valerios Welt gelandet war, sollte er auch in meiner landen. Mein Plan: Gay Bar, Gay Club. Ist ja irgendwie naheliegend. Dort sind nämlich die besten Partys, die nettesten Menschen und die ausgelassenste Stimmung – ich geh schon gar nicht mehr in den Hetero-Ausgang. Im Homo-Ausgang ist alles so vielfältig, so bunt, Leute sind lieb zueinander und Männer machen einen seltener unhöflich an. Valerio findet das sicher auch gut. Obwohl … er wohl wesentlich öfter von Jungs angemacht werden wird als ich.

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Wenn ich schon in Valerios Welt gelandet war, sollte er auch in meiner landen.

«Was glaubst du, wo wir hingegen?», fragte ich Valerio zur Begrüssung, und er sagte: «Keine Ahnung! Echt, keinen Schimmer!» – Wie seltsam, dachte ich mir, er weiss ja, dass ich Berufslesbe bin. Wo sonst sollten wir hingehen an einem Samstagabend, wenn nicht in eine Gay Bar? In die Synagoge? In ein Sitzungszimmer? Nach Seebach?

Dann standen wir vor der Cranberry Bar. Das Lokal gibt’s schon seit den Neunzigern, und es war schon immer eine Bar für uns Queers und unsere Freunde. «Wir sind jetzt vor der Cranberry Bar», sagte ich, um Valerio etwas auf die Sprünge zu helfen. Spätestens jetzt musste er es doch begreifen, dass wir in den Homo-Ausgang gehen? – Nope. «Das ist eine Gay Bar», half ich nach.

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Valerios Gesicht wurde blass. «Eine was?!», fragte er völlig konsterniert. «Eine Gay Bar. Du weisst schon, eine Bar für Lesben und Schwule.» Er kam aus dem Staunen nicht mehr raus. «Das gibt’s?», rief er. Nun war ich diejenige, die staunte. Es gibt Menschen, die nichts von Gay Bars wissen? Mein Gott, was sie alles verpassen! Valerio senkte nun seine Stimme. «Anna», fragte er leise, fast flüsternd, «wissen die Leute das? Dass das diese Art von Bar ist?» Ich konnte nicht anders: Ich musste den lieben Valerio auslachen. Nur ein bisschen. «Natürlich wissen die Leute das! Herzlich willkommen. Komm, wir gehen was trinken.»

Und so stolperte ich aus meiner eigenen kleinen Welt raus. Und begriff, dass nicht alle Menschen wissen, dass es Orte für uns Homos gibt. Falls du zu diesen Unwissenden gehörst: Es gibt sie, diese Orte. Und du bist herzlich willkommen.

Adresse

Cranberry Bar
Metzgergasse 3
8001 Zürich
+ 44 261 27 72
Website

Öffnungszeiten

Sonntag bis Donnerstag, 17–00.30 Uhr
Freitag und Samstag, 17–2 Uhr