Bio-Wurst aus der Grossstadt
Gesunde Tiere, Bio-Label und eine enge Zusammenarbeit mit dem Bauern von nebenan. Das alles klingt nach perfekter Land-Idylle. Dass ein solches Szenario auch in der Grossstadt Zürich möglich ist, beweist Mika Lanz von «mikas» eindrucksvoll. Ein Gespräch mit Mika über seine Leidenschaft als Wurster.
Mika, wie kommt man auf die Idee, Wurst herzustellen?
Ich hatte schon immer eine Leidenschaft für zwei Dinge: Kochen und Essen. Nach zehn Jahren in der Filmbranche stand ich 2010 vor der Entscheidung, was ich in Zukunft machen will. Eine Lehre als Koch oder als Metzger schwebte mir vor. Da ich aber die Matura in der Tasche hatte, habe ich mir gedacht: Mach doch ein Studium der Lebensmittelwissenschaften an der ETH.
Und dabei bist du sozusagen auf die Wurst gekommen?
Genau. Während des ersten Semesters habe ich begonnen, bei einem Metzger auszuhelfen, und zwar in der Macelleria Fulvi im Kreis 4. Dort durfte ich ein lehrreiches Praktikum absolvieren und habe von der Pike auf alles gelernt: Poulet, Schwein, Rind, wie man Tiere ausnimmt und zerlegt. Insgesamt war ich vier Monate dort.
Das Thema hat dich also gepackt?
Absolut. Quasi als Abschlussarbeit in der Macelleria Fulvi habe ich meine eigenen Trockenwürste produziert. Die meisten habe ich Freunden und der Familie zu Weihnachten geschenkt, den Rest konnte ich in der Bio-Kooperative Tor14 verkaufen. Dadurch sind die Leute auf meine Wurst aufmerksam geworden und haben sich erkundigt, ob es mehr davon gibt.
Ich arbeite heute noch mit dem Bauern zusammen, von welchem das Fleisch für meine allerersten Würste stammte.
Und du hast dich entschieden, weiterzumachen.
Ja, nach meinem Bachelor an der ETH bin ich voll eingestiegen. Die ersten fünf Jahre habe ich fast alles alleine beziehungsweise mithilfe von Freunden und meiner Familie gemacht. Danach habe ich einen ersten Metzger eingestellt. Toll ist, dass ich heute noch mit dem Bauern zusammenarbeite, von welchem das Fleisch für meine allerersten Würste stammte. Dieser produziert mittlerweile nur noch für uns. Zusammen versuchen wir, den Markt ein wenig auszuhebeln.
Inwiefern?
Fleisch muss angemessen bezahlt werden. Die Marktpreise sind sehr volatil und eine Senkung wird immer auf dem Buckel der Bauern ausgetragen. Bei mir bekommt der Bauer eine fixe Summe, da auch meine Würste immer gleich viel kosten. Durch den Fixpreis können der Bauer und ich sicher sein, dass wir unabhängig vom Markt sind und beide ihren fairen Anteil an der Wertschöpfungskette haben.
Du legst auch Wert auf Bio und eine artgerechte Haltung der Nutztiere.
Auf jeden Fall. Weil unser Bauer nur noch für uns produziert, haben die Tiere etwa dreimal mehr Platz, als es das Bio-Label vorschreibt. Und das keine zehn Minuten vom Zentrum Zürichs entfernt. Ich will ein lokales Produkt in höchster Qualität herstellen. Ein Produkt, das mich, meine Herkunft und meine Kultur widerspiegelt. Und das ist nun mal die Stadt Zürich.
Deshalb heisst deine Wurst auch Stadtjäger?
Ja, genau – weil es eben kein Landjäger ist. Damals war es noch schräg, dass man auf ein solches Lebensmittel «Stadt» raufkritzelt. Jeder Marketingexperte hätte davor zurückgeschreckt und lieber dieses Bild vom idyllischen Landleben und grünen Wiesen zu vermitteln versucht. Das wollte ich nicht. Ich wollte meine Wurst aus meiner Stadt Zürich produzieren.
Was zeichnet deine Würste aus?
Viele Trockenwürste aus dem Mittelland sind für meinen Geschmack zu stark geräuchert. Ich bevorzuge den norditalienischen Stil, bei dem die Würste nur luftgetrocknet werden. Wir verarbeiten für unsere Würste das gesamte Tier direkt vom Bauern. Auch die edlen Teile kommen in die Wurst, was dazu führt, dass wir einen sehr hohen Anteil an proteinreichem und hochwertigem Muskelfleisch haben. Wir können bei jeder Wurst genau sagen, von welchem Tier das Fleisch stammt. Zudem versuchen wir ständig, noch nachhaltiger zu werden.
Wie denn?
Wir haben seit dem Anfang eine direkte Zusammenarbeit mit dem Bauern und daher auch extrem kurze Lieferwege. Ab März werden ausserdem alle Stadtjäger in der Stadt Zürich per Velo an die Läden und Restaurants geliefert.
Am Anfang hiess es noch: «Was?! Neun Franken für eine Wurst?»
Hast du in den letzten Jahren eine gesteigerte Nachfrage nach Bio-Kost und somit nach deinen Würsten bemerkt?
Auf jeden Fall. Am Anfang hiess es noch: «Was?! Neun Franken für eine Wurst?» Mittlerweile höre ich auch schon: «Nur neun Franken?» Das Preisbewusstsein ist gestiegen, was auch mit den ganzen neuen Bio- und Quartierläden zusammenhängt. Ich denke, dass ich genau in der richtigen Zeit eingestiegen bin, da mein Verkaufsnetz sozusagen mit mir mitgewachsen ist. Vor zwanzig Jahren hätte ich wahrscheinlich keine Chance mit meinem Produkt gehabt.
Als Metzgerei bietet ihr auch Wurst-Kurse an.
Genau. Hier dürfen die Teilnehmer*innen ihre eigenen Zutaten mitnehmen und jeder kreiert ein bis zwei Wurst-Mischungen – im Sommer vor allem Grillwürste, im Herbst vor allem Trockenwurst.
Deine Würste verkaufst du nicht nur im Detailhandel, sondern auch über deine eigene Wurst-Rampe. Wieso?
Mir ist der direkte Kundenkontakt extrem wichtig. Wir wollen, dass unsere Kund*innen sehen, wer hinter den Produkten steckt und dass sie uns direkt Feedback geben können. Wir wollen kein anonymer Betrieb sein. Ich halte meinen Kopf hin, schliesslich heisst die Firma ja auch «mikas».