Zürich-Fotografin und «Suchtmensch» Nicole Signer
Ihre Fotos von Zürich gehen auf Social Media um die Welt. Wer sind die Menschen hinter der Linse? Was treibt sie an? In unserer neuen Serie drehen wir die Kamera um. Heute im Fokus: Nicole Signer, die bis vor drei Jahren nur im Automatikmodus knipste. Erstaunlich, was sie sich seither selbst beigebracht hat.
Deine Fotos von Zürich erreichen auf Instagram und Facebook jede Woche Tausende von Menschen. Wie wichtig ist das für dich?
Wichtig insofern, dass ich mich einfach freue, wenn so viele Leute wie möglich Freude an meinen Fotos haben. Und natürlich motivieren mich Komplimente und konstruktive Kritik in den sozialen Medien, besser zu werden.
Wie bist du zum Fotografieren gekommen?
Ich habe schon immer gern fotografiert, war aber bis vor drei Jahren die typische «Automatikmodusknipserin». Als ich meine erste Spiegelreflexkamera von meinem Mann bekam, konnte ich mit den vielen Möglichkeiten nichts anfangen. Ich verstand nur Bahnhof, und das wollte ich ändern. Also habe ich mir unzählige Tutorials sowie Tausende von Bildern und deren Einstellungen angeschaut. So habe ich mir die ganze Sache autodidaktisch beigebracht. Und dann hiess es üben, üben, üben … und damit habe ich bis heute nicht aufgehört.
Ich bin überzeugt, dass die Persönlichkeit des Fotografen den Bildern den gewissen individuellen Touch geben können.
Wie würdest du deinen Stil beschreiben?
Nun, ich bin keine typische Landschafts-, Architektur- oder Porträtfotografin. Ich fotografiere einfach, wozu ich gerade Lust habe, und probiere gerne Neues aus. Die Fotografie bietet so viele Facetten, dass ich mich einfach nicht auf ein einziges Thema festlegen möchte. Ich habe nur das eine Ziel: Ein Foto soll Freude machen – beim Machen und beim Betrachten.
Was oder wo in Zürich fotografierst du besonders gerne?
Zürich bietet so vieles. Es kommt darauf an, was ich gerade fotografieren möchte. Oft zieht es mich ans Wasser oder ich lasse mich einfach vom Licht führen. Manchmal habe ich aber auch einen genauen Plan, weil ich zum Beispiel eine Treppe von meiner Bucketlist besuchen möchte. Dann weiss ich natürlich, was mich erwartet, weil ich es vorher gegoogelt habe. Und dann habe ich auch ein spezielles Fensterplätzchen, wo man mich immer wieder antrifft. Der aufmerksame Betrachter wird herausfinden, wo das ist. Irgendwann gibt’s davon einen Kalender, weil mich die verschiedenen Lichtsituationen vom selben Standort sehr faszinieren.
Auf welches deiner Fotos bist du besonders stolz?
Es gibt für mich nicht das eine Foto. Mir gefallen viele meiner Fotos, einfach weil ich mit den Bildern Geschichten und Gefühle verknüpfe. Ich erinnere mich wieder an den Moment, als ich das Foto geschossen habe.
Man sagt, dass es nirgendwo so viele Fotografen gibt wie in Zürich. Ist das gut oder schlecht?
Ich finde es toll, denn jeder hat seinen eigenen Stil. Oft inspiriert mich das eine oder andere Bild. Ich komme auf neue Ideen, die ich dann umzusetzen versuche. Für diejenigen, die aber vom Fotografieren leben, wird es sicher schwierig, sich zu etablieren. Aber ich bin überzeugt, dass die Persönlichkeit des Fotografen den Bildern den gewissen individuellen Touch geben können.
Ob jemand ein guter oder ein sehr guter Fotograf ist, hat für mich nichts mit Followern oder dem Bekanntheitsgrad zu tun.
Nicht alle Fotografen können von ihrem Beruf leben. Wie sieht das bei dir aus?
Bei mir ist es reine Leidenschaft und ja … statt Beruf halt ein bisschen Sucht. Zu lange ohne Kamera in der Hand, und ich werde unruhig und nervös. Aber ehrlich gesagt kommt das nicht oft vor (lacht).
Nimmst du überhaupt bezahlte Aufträge an?
Ich habe inzwischen einige Shootings übernommen, hauptsächlich Familienporträts, Bewerbungsfotos, Hochzeiten etc. Ich gebe auch Fotokurse und ich bin in unserer Schule im Dorf die offizielle Eventfotografin, das macht viel Freude. Menschen zu fotografieren ist aber etwas sehr Persönliches, darum habe ich bis jetzt eigentlich nur Leute in meinem Umfeld fotografiert. Das damit verdiente Geld stecke ich aber direkt wieder in neues Fotoequipment.
Was unterscheidet einen guten von einem sehr guten Fotografen?
Gute Frage. Ob jemand ein guter oder ein sehr guter Fotograf ist, hat für mich nichts mit Followern oder dem Bekanntheitsgrad zu tun. Ein Top-Fotograf hat einen guten Instinkt, besitzt ein aussergewöhnliches Auge und beherrscht die Technik. Das Wichtigste aber: Er steht mit Leidenschaft hinter der Kamera, was sich im Bild garantiert widerspiegelt. Jeder Fotograf sollte seinen eigenen Stil finden. Ob es dann gefällt oder nicht, entscheidet der Betrachter.
Für mich ist Fotografie Entspannung pur.
Hast du eine Fotografin oder einen Fotografen als Vorbild?
Es gibt viele Fotografen, deren Bilder mir gefallen. Zu einem Vorbild werden sie erst, wenn ich sie persönlich kennengelernt habe und ihre Leidenschaft in den Bildern spüre. Im Bereich Landschaftsfotografie ist das klar der Schweizer Fotograf Stefan Forster, für Porträts Bruno Birkhofer, für Astrofotografie Simone Cmoon, und wenn es um Linien und Architektur geht, ist die deutsche Fotografin Barbara Schmidt für mich das Mass aller Dinge.
Was machst du in deiner Freizeit, wenn du nicht fotografierst?
Ich liebe es, mit meiner Familie etwas zu unternehmen und halte mich mit meinem Hund so oft wie möglich in der Natur auf. Aber ehrlich gesagt, ist die Kamera dann fast immer auch dabei.
Hast du eine künstlerische Ausbildung absolviert?
Nein. Ich bin ein Bauchmensch, agiere also instinktiv und ich habe es immer geliebt, kreativ zu sein. Die Fotografie bietet mir alle Möglichkeiten, meine Kreativität auszuleben, und ist dazu Entspannung pur.
Ich möchte meine Zeit lieber draussen beim Fotografieren als drinnen am PC beim Bearbeiten verbringen.
An wie vielen Tagen pro Woche bist du mit der Kamera unterwegs?
Schwierig zu sagen. Da ich sie meistens dabei habe, benutze ich sie auch fast täglich. Aber es gibt schon auch Tage, wo sie in der Tasche bleibt.
Wie viel hat deine gesamte Fotoausrüstung gekostet?
Puh, da kommt schon einiges zusammen. Ich sage jetzt mal um die 5000 Franken. Hmmm, aber eigentlich stehen auf dem Wunschzettel schon noch ein paar Objektive mehr drauf (lacht).
Was treibt dich an, immer wieder mit der Kamera rauszugehen?
Einzig und allein meine Leidenschaft, weil ich das Fotografieren einfach liebe, und natürlich auch, um mich ständig zu verbessern und um mich auszutoben.
Wie stark bearbeitest du deine Fotos?
So wenig wie möglich und so viel wie nötig. Manchmal mache ich auch ein Composing, weil ich ein bestimmtes Bild im Kopf habe. Dann kann’s auch mal etwas länger dauern. Ich bearbeite meine Bilder ausschliesslich auf dem iPad mit Snapseed, damit kenne ich mich gut aus. Dazu einige Apps für spezielle Effekte. Photoshop ist mir zu zeitintensiv und zu kompliziert. An Lightroom wage ich mich vielleicht mal ran. Ich möchte meine Zeit aber lieber draussen beim Fotografieren als drinnen am PC verbringen.
Gibt es das perfekte Bild?
Nein, aber es gibt den perfekten Moment, der einzigartig ist und den man in einem Bild festhalten kann. Bei meiner Reise nach Island gab es einige solcher Momente, die mein Herz vor Freude zum Weinen brachten. Das eine Bild vom Nordlicht ist für mich persönlich schon nah an der Perfektion, weil ich beim Betrachten dieses spezielle Gefühl wieder nachempfinden kann.