Kultur & Nachtleben

«Die Leute vergessen noch viel verrücktere Dinge»

Interview: Eva Hediger

Hast du schon mal ein Ölporträt in einem Tram vergessen? Andere schon. Am Fundkunst.ch-Bazaar verkaufen Alessa Widmer und ihr Team ausschliesslich Werke, die im öV liegen gelassen wurden.

Die Kunst, die ihr am Bazaar verkauft, stammt aus dem Fundsachenverkauf in Wollishofen. Anders als die liegen gelassenen Kleider werden Kunstwerke dort kaum verkauft. Wieso?

Die Leute, die sich für Kunst interessieren, verirren sich nur selten in den Fundsachenverkauf. Dort werden eher Kleider oder auch elektronische Geräte wie Handys oder iPods gesucht. Das ist seit der Eröffnung des Fundsachenverkaufs vor vierzehn Jahren so. Deshalb hat der Betreiber – übrigens mein Vater – irgendwann angefangen, die Kunstwerke zurückzulegen. 2017 haben Carla Peca und ich dann diese Bilder in einer grossen Ausstellung gezeigt und anschliessend verkauft. Der Anlass blieb den Leuten in Erinnerung. Wir wurden seither immer wieder gefragt, ob wir den Kunstverkauf wiederholen. Jetzt ist es so weit.

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Jedes Werk, das ihr verkauft, wurde im öffentlichen Verkehr vergessen. Wie passiert einem so etwas?

Wir sind heute so viel unterwegs und immer unter Zeitdruck. Oft telefonieren wir noch im Zug oder Tram und haben mehrere Taschen dabei. So passiert es schnell, dass wir etwas liegen lassen. Ausserdem lassen Leute noch viel verrücktere Gegenstände liegen – wie zum Beispiel Urnen, wertvolle Uhren oder Beinprothesen.

Verkauft ihr wirklich alle Kunstwerke, die in den letzten zwei Jahren gefunden wurden?

Ja. Es hat Ölgemälde, Lithografien, kleinere Drucke und vor allem viele Poster. Auch ganze Künstlermappen sind dabei.

«Oft telefonieren wir im Zug oder Tram und haben mehrere Taschen dabei. So passiert es schnell, dass wir etwas liegen lassen.»

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Was passiert, wenn jemand bei der Ausstellung ein Bild erkennt?

Nach Obligationenrecht entfällt nach einem Jahr der Anspruch des Besitzers. Wir sind aber immer interessiert, wenn uns jemand mehr über ein Bild erzählen kann. Bei der letzten Ausstellung haben einige Leute Werke von lokalen Künstlern erkannt. Wir versuchen aber auch, im Vorfeld die Hintergründe der besonders interessanten Bilder zu recherchieren.

Brockis verkaufen teilweise ziemlich dilettantische Werke. Ihr auch?

Ja. Doch es hat auch Werke, die von nicht-professionellen Künstlern stammen und die trotzdem künstlerisch ansprechend sind. Wir haben aber auch Gemälde namhafter Künstler.

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Alessa (zweite von links) und ihr Team

Was ist denn das wertvollste Gemälde?

Ein sehr altes Ölporträt. Den Preis klären wir derzeit ab. Viele Werke schätzen Carla und ich selbst: Wir studieren im Master Kunstgeschichte und haben in mehreren Galerien gearbeitet. Wenn wir unsicher sind, fragen wir bei Experten nach. Es ist aber nicht so, dass wir Werke im Wert von mehreren Tausend Franken verkaufen. Es geht uns nicht um den Profit. Wir möchten, dass Leute Kunst kaufen, die es sonst vielleicht nicht tun würden.

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Habt ihr selbst Fundkunstwerke daheim?

Ja, sogar mehrere. Ich finde vor allem spannend, dass ich eigentlich nichts über die Werke weiss. Oft kennen wir nicht mal das Alter oder den Künstler. Ich bewerte dann das Bild auch ganz anders als eines, über das ich viel mehr weiss – viel unbefangener.

Umfrage

Hast du schon mal etwas im Tram, Bus oder Zug vergessen?

Adresse

Kein Museum
Mutschellenstrasse 2
8002 Zürich

Infos

Der Fundkunst.ch-Bazaar findet am Freitag, 1. März, zwischen 19 und 22 Uhr und am Samstag, 2. März, zwischen 10 und 20 Uhr statt.