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Weil Briefe länger bleiben

Die Grafikerin Naomi Baldauf von «Le pigeon voyageur» erzählt, warum Handgeschriebenes in der digitalen Welt so wichtig ist und weshalb eine Horde von Anwälten sie zum perfekten Namen für ihr eigenes Unternehmen führte.

«Le pigeon voyageur» ist ein Unternehmen der Graphikerin Naomi Baldauf und der Druckerin Rita Nicolussi. Mit hochwertigen Materialien und stilvollem Design, versuchen sie die Freude an der Papeterie und Handgeschriebenem neu zu wecken. Ein Gespräch.

Naomi, wie kam es dazu, dass du und Rita «Le pigeon voyageur» gegründet habt?

2008 habe ich zusammen mit einer befreundeten Grafikerin eine Heftserie gestaltet und wurde dafür mit dem Preis «Die schönsten Schweizer Bücher» ausgezeichnet. Gedruckt haben wir unsere Hefte in der Druckerei von Rita. So haben Rita und ich uns kennengelernt, und bald begonnen zusammenzuarbeiten.

Heute produziert ihr Grusskarten, Couverts, Notizblöcke und vieles mehr. Was ist eure Philosophie?

Häufig ist es so, dass man in klassischen Papeterien zwar hochwertige Produkte findet. Jedoch sind diese meistens ziemlich altbacken, arbeiten mit klassischer Schnörkelschrift und erinnern eher an 1880 als an 2020. Wir wollten das ändern und hochwertige Materialien mit zeitgemässen Motiven und Stilen schaffen. Motive und Stile, die zu unserem Leben passen, zu der Musik, die wir hören oder den Filmen, die wir schauen.

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«Um hochwertige Produkte zu kaufen, muss man nicht unbedingt wohlhabend sein.»

Du sagst selbst, dass Handgeschriebenes immer seltener wird. Junge Leute setzen eher auf Whatsapp-Nachricht und Email als auf Briefe oder Postkarten. Habt ihr deshalb auch eher ältere Kundschaft?

(Lacht) Das könnte man vielleicht meinen, aber zu unseren Kund*innen gehören eigentlich Menschen jeder Altersklasse. Sie alle zeichnet aber eine gewisse Affinität zu Design aus und vor allem ein bewusster Umgang mit den Dingen.

Wie meinst du das?

Wir und auch unsere Kund*innen legen Wert auf Qualität. Und um hochwertige Produkte zu kaufen, muss man nicht unbedingt wohlhabend sein. Vielmehr muss man sich bewusst darüber Gedanken machen, was man kauft. Wir sind der Meinung, lieber wenig, dafür aber etwas Gutes. Egal, ob das mal eine Karte fürs Theater, ein Bio-Wein, ein Fair-Trade-T-Shirt oder eben eine hochwertige handgeschriebene Einladung ist.

Denkst du, dass eine handgeschriebene Einladung mehr Eindruck macht als ein einfaches SMS?

Das kommt vermutlich auch auf das SMS an. Ganz sicher aber ist, dass die Einladung eher die Zeit überdauert. Heutzutage findet alles nur mehr im Internet, auf Computern oder in der Cloud statt. Und geht dort irgendwo irgendwann verloren. Deshalb bin ich der Meinung, dass man für besondere Anlässe – die eigene Hochzeit oder vielleicht die Geburt des Kindes – auf Dauerhaftes setzen soll. Auf Karten, die man noch in vierzig oder fünfzig Jahren in der Hand halten und sich an diesen besonderen Tag erinnern kann.

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Hast du selbst noch solche Karten von früher?

Ich habe von meinen Vorfahren kistenweise Zeug geerbt. Bilder, Postkarten und Briefe. Meine Grossmutter hat zum Beispiel jeden Tag ihre Korrespondenz erledigt und Briefe verschickt. Telefonieren war damals noch sehr teuer. All diese Erbstücke sind knapp hundert Jahre alt und ich kann sie immer noch betrachten und bestaunen. Ich denke, das ist auch ein Grund, weshalb ich Handgeschriebenes so schätze.

Designst du alle Motive von «Le pigeon voyageur»?

Ja, die meisten Produkte zeichne und gestalte ich. Wenn ich eine neue Idee habe, male ich hierfür normalerweise alles per Hand, scanne es dann und verleihe den Motiven dann auf dem Computer den letzten Schliff. Wir realisieren aber auch Kartenserien von Künstler*innen, die uns ihre Designs und Motive zur Verfügung stellen.

Und woher kommt der Name «Le pigeon voyageur»?

Das ist eine ziemliche kuriose Geschichte, weil wir uns anfangs schon für einen ganz anderen Namen entschieden hatten. Diesen hatten wir auch schon beim zuständigen Amt gemeldet und warteten sehnsüchtig darauf, dass die Frist für eventuelle Einsprüche gegen die Namensvergabe endlich verstreichen würde.

«Mit einer Horde von Anwälten drohte man uns mit einer Klage.»

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Es kam also zu einem Einspruch gegen den ursprünglichen Namen?

Genau. Wenige Tage vor Ablaufen der Frist landete ein Brief eines grossen französischen Unternehmens bei uns. Mit einer Horde von Anwälten drohte man uns mit einer Klage, weil der damalige Name scheinbar zu sehr an eines ihrer Produkte erinnerte. Wir hatten weder die finanziellen Mittel noch die Zeit uns auf einen Rechtsstreit einzulassen. Also beschlossen wir ein wenig frustriert auf den Namen zu verzichten und setzten uns eine Frist, um uns für einen neuen zu entscheiden.

Was passierte dann?

Um sich ein wenig abzureagieren, war Rita an dem Tag, als der Brief eingetroffen war ins Brocki um die Ecke gegangen. Von dort war sie mit einigen Sachen zurückgekommen, darunter einem kleinen Sticker mit einer Taube darauf. Einige Tage nach dem Brief der Anwälte kam uns diese Taube wieder in den Sinn und wir kamen auf die Idee «Le pigeon voyageur» - Brieftaube eben. Der Name ist uns wortwörtlich «zugeflogen».

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