Junge Zwiebeln für Zürcher*innen
Calçots, so heissen die jungen Zwiebeln, die man traditionell in Katalonien zu dieser Jahreszeit auf dem Grill zubereitet und im Rahmen einer Art Metzgete, der Calçotada, verspeist. Derzeit gibt es sie im Osso an der Zollstrasse zu kosten.
Unser Leben wäre ohne Liliengewächse eine äusserst armselige Veranstaltung. Knobli, Zwiebel, Lauch, Frühlingszwiebel und Schnittlauch: Eine aromatisch vollständige Küche ist ohne diese Basispflanzen der Gattung Lauch oder Allium schlicht nicht vorstellbar.
Sponsor
«In der Beiz» wird durch Jsotta Senza ermöglicht. Die alkoholfreie Variante des mehrfach goldprämierten Schweizer Vermouths Jsotta ermöglicht allen ein authentisches alkoholfreies Aperitif-Erlebnis. Jsotta Senza ist im Getränke-/Fachhandel sowie online erhältlich.
Der Calçot ist einer der unbekannteren Exponenten der Liliengewächse. Bei ihm handelt es sich jedoch um eine normale Zwiebel, die nach dem Pflanzen wie der Spargel (auch ein Liliengewächs? – Es ist kompliziert und würde den Rahmen hier sprengen) «gehäufelt» wird. Damit sorgen die Landwirt*innen dafür, dass der Calçot im Vergleich zur herkömmlichen Zwiebel einen viel längeren weissen Stängel aufweist, weil er nicht der Sonne ausgesetzt ist. Calçots werden ausserdem geerntet, bevor sich die neue Zwiebel vollständig bildet. Wenn man sie auf dem Markt in Oerlikon oder auf dem Helvetiaplatz antrifft, sehen die umfangreichen Bündel deshalb aus wie Lauchstängel. Calçots sind in der Schweiz noch nicht lange bekannt. Einige Katalonien-Freaks aus dem Wein- und Gemüsehandel haben dafür gesorgt, dass sie nun auf dem hiesigen Markt erhältlich sind und allmählich bekannt werden – wobei unter Gemüsehandel der Grossist Marinello im Engros-Markt an der Aargauerstrasse zu verstehen ist.
Calçots werden mit Latz gegessen.
«Ich habe Calçots für mich in der Gamper-Bar entdeckt, wo ich einmal an einer Calçotada dabei war», sagt Sanne Eisenring, Küchenchefin im Osso, über das derzeit auf der Karte zu findende Gericht. Während man im Gamper jedoch nach spanischem Vorbild die aussen verkohlten und innen süssen Stängel mit Hand und Zähnen aus der äussersten Schicht löst (dazu trägt man einen papierenen Latz), reicht Sanne Eisenring die Calçots säuberlich pariert und gebüschelt auf dem Teller, dazu gibt es Kartoffelterrine (eine Art fettarmen Gratin).
Es schmeckt wunderbar. Als Beilage haben wir dazu die Hauswurst vom Grill bestellt und geteilt. Wie Sanne Eisenring erzählt, verkauft sie während der kurzen Saison ungefähr acht Bündel Calçots pro Woche. «Könnte mehr sein», meint sie, und führt auf Anfrage aus, dass die Gäste wohl vor der Tatsache zurückschrecken, dass es sich bei der feinen Speise um Zwiebeln handle und die Zürcher*innen diesen einfach misstrauen.
Der Preis ist sehr zürcherisch.
Anlässlich der letzten Story aus der Riithalle kam auf Facebook die Frage auf, ob es sich bei meinen Texten eigentlich um Publireportagen handle, also von den Restaurants bezahlte Texte. Die Antwort ist: Nein. Ich schreibe einfach fürs Leben gern über Essen und Esskultur und mache das seit über 20 Jahren. Um den Verdacht auszuräumen, möchte ich zum Osso auch eine Kritik anbringen, die das Team sicher schon öfter gehört hat: Man wartet ein bisschen lange auf seine Bestellung.
Und unter der Woche will man nicht unbedingt Wein nachordern, um die Zeit zu überbrücken. Aber ansonsten hat im Osso für mich diesmal alles gestimmt: freundliches Team, ausreichend Platz für die Tische,zahlreiche gut gelaunte Leute am Feiern und Geniessen und in der kleinen Vorhalle des Wohnhauses, die zum Restaurant offenstand, spielten ein paar Kids mit einem Ball, der dann auch mal ins Lokal rein rollte. Sehr unverkrampft, sehr nett, sehr herzlich und unzürcherisch; im Gegensatz zum Preis: eine Vorspeise, zwei Hauptgänge, eine Beilage, sechs Dezi (sehr fair bepreister) Wein – 150 Franken. Aber wie sage ich immer, was Zürichs Preise angeht: This is Sparta!
Besonders am Osso ist übrigens, dass Sanne Eisenring und ihr Team besonders viel auf offenem Feuer kochen können. Ich erinnere mich noch daran, dass es in Zürich nur drei oder vier Lokale gab, in denen überhaupt ein offener Grill erlaubt war; eines davon war das Sala of Tokio, seinerzeit noch an der Limmatstrasse. Es war immer ein magischer Moment, ins Sala zu kommen, den Irasshaimase-Ruf des Teams zu hören und den köstlichen Duft der Buchenholzkohle wahrzunehmen. Der Duft des Feuers ist auch das Hauptthema bei der Sauce, die zu den Calçots gereicht wird: Salsa Romesco aus Tomaten, Peperoni, Mandeln und Knoblauch. Die Romesco-Sauce von Sanne Eisenring ist besonders fein. «Wir lassen die Tomaten und Peperoni auf den ausgehenden Kohlen des Abends bis morgens früh durchgaren», plaudert die Küchenchefin des Osso aus der Schule. Deshalb also duftet ihre Sauce so herzhaft nach Feuer und saftigem rotem Gemüse. Muss man probieren und wird man höchstwahrscheinlich lieben.
Ich habe noch einen Tipp für Leute, die Calçots zu Hause zubereiten wollen: Wanja Margoni, früher Jurist, importiert coole japanische Konro-Grills aus Kieselgur. Diese kleinen Grills benötigen nur zwei Handvoll (dafür sehr guter) Holzkohle, um Hitze für ein kleines Abendessen mit Calçots und Salsa Romesco zu liefern. Man benötigt nur einen kleinen Balkon oder eine Abzugshaube mit Power und Abluft nach draussen, um einen solchen Grill in Betrieb zu nehmen. Die Dinger können lebensverändernd wirken. Empfehlung.
Adressen und Infos
Osso
Zollstrasse 121
8005 Zürich
Website
Margoni Grill
Carl-Spitteler-Strasse 25
8053 Zürich
Website
Mehr über Marinello.