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Die dümpelnde Raumstation mitten im Kreis 4

Interview: Christian Schiller Fotos: Jasmin Frei

Das Riegelhaus an der Kernstrasse im Kreis 4 wirkt wie aus einer anderen Zeit. Im oberen Stock befindet sich das Atelier von Max Grüter. Wir haben den Künstler besucht und mit ihm über den Wandel des Quartiers, seine Kunst und seine Lieblingsorte in der Nachbarschaft gesprochen.

Du hast dein Atelier mitten im Kreis 4. Viele träumen davon, an einem solchen Ort zu arbeiten. Wie ist es dazu gekommen? Und wie lange bist du schon hier?

Max Grüter: Mich hat es Anfang der Nullerjahre im Zusammenhang mit einer kurzfristigen Kündigung förmlich hierher in den Kreis 4 verschlagen. Der Kreis 4 war damals nicht meine Traumdestination. Zudem entsprach dieses Atelier in keiner Weise meinem damaligen Platzbedarf. Doch im Lauf der Zeit plus einer «Gesundschrumpfung» meiner räumlichen Ansprüche hat sich dieser Ort zu meiner hochgeschätzten Lebensbasis entwickelt.

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Du mietest den oberen Stock eines alten Backsteinhauses mit Riegeln. Was weisst du zur Geschichte des Hauses?

Der Bau von ca. 1870 aus der Zeit der Industrialisierung war, soviel ich weiss, immer ein Werk- und Gewerbegebäude. Die «E. Gmirr Mechanische Werkstätte» im Parterre zeugt noch von diesem ursprünglichen Zweck. Sie steht heute als eine der letzten, schon beinahe romantisch wirkenden Bastionen der Handwerkstradition im Kreis 4.

Der Raum für Kultur, Kunst und Handwerk wird in der Stadt zunehmend knapper. Hast du Angst, dass du dir auch bald ein neues Atelier suchen musst?

Der Geist und das Umfeld im Kreis 4 haben sich in den letzten Jahren so sehr gewandelt, dass der Grossteil der Kunstschaffenden mittlerweile in die Agglomeration abgedrängt wurde. Ich selbst bin bis jetzt nicht betroffen und interpretiere mein Atelier oft scherzhaft und bange als «dümpelnde Raumstation im Reibungsfeld vom Partylärm der Gentrifizierung». Wie lange ich mich noch hier halten kann, weiss ich nicht, und wie es dann weitergehen soll, noch viel weniger.

«... da bietet sich unermesslich Platz und all die Freiheiten für meine Träume.»

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Wo im Atelier hältst du dich am liebsten auf?

Am liebsten bin ich am Computer mit seinem Ausblick durch den Bildschirm in die unendliche Virtualität. Hier fühle ich mich zu Hause und hier ist auch das eigentliche Atelier oder der «Weltraum» meiner Figurenwelt. Da bietet sich unermesslich Platz und all die Freiheiten für meine Träume, die mir im begrenzten Realraum nicht zustehen. Seit ca. 1995 konzipiere ich all meine Versuche und Projekte erst im Computer. Nach Wahl kann ich diese dann in die Realität bringen – beispielsweise in Form von Malerei, Animation, Skulptur, Installation oder 3D-Print.

«Gern bin ich im Restaurant Gambrinus auf ein Cordon bleu mit Freunden. Oder in der Bäckeranlage.»

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Am Tisch beim Sofa stehen kleine Holzstühle. Für wen sind die denn?

Die beiden Horgenglarus-Stühle habe ich vom Kanzlei-Flohmarkt. Sie waren für meine beiden Enkel, wenn sie jeweils zu Besuch kamen. Mittlerweile sind die beiden allerdings zu gross dafür. Doch zur grandiosen Überraschung kam inzwischen Enkel-Nachzügler Nummer 3 dazu – somit gehören dem kleinen Glückspilz jetzt gleich zwei Stühle.

Welche Orte in der Nachbarschaft magst du am liebsten?

Gern bin ich im Restaurant Gambrinus auf ein Cordon bleu mit Freunden. Oder in der Bäckeranlage – im Zeitfenster, wenn die Drogenszene gerade am Ausschlafen ist. Begleitet von meinem kleinen Enkel, der dann nach Herzenslust im grossen Brunnenbecken herumplanschen darf – einfach grossartig!

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Auffällig – ein Exemplar ist gar an der Aussenfassade des Hauses angebracht – sind deine Skulpturen von Astronauten und Sujets aus der Raumfahrt. Was hat es damit auf sich?

Ähnlich existenziell wie in der realen Forschung und Raumfahrt will auch ich mich mittels meiner künstlerischen Mittel auf unbekanntes Terrain wagen. Als Sinnbilder und zur Dokumentation dienen mir dafür menschliche Figuren in der Ausrüstung von Astronauten, Testpiloten, Tauchern etc. Ich verstehe diese im höchsten Mass geschützte Körperlichkeit als zeitgenössischen Gegenentwurf zu Darstellungen von menschlicher Nacktheit in der Kunst.

Bist du ein verhinderter Pilot (oder Astronaut)? Oder anders gefragt: Woher kommt die Faszination für Raumfahrt?

Ein essenzieller Gedanke für mein Schaffen beruht auf der Vorstellung, dass wir allesamt Raumfahrerinnen und Raumfahrer respektive Astronautinnen und Astronauten sind, die sich mittels «Raumschiff Erde» seit Anbeginn durch den Kosmos tragen lassen, währenddessen unser eigener Körper aus Fleisch und Blut die Rolle eines «Raumanzugs» spielt, der vom Geist oder der Seele beflügelt durch das irdische Leben manövriert wird.

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Wie würdest du deine Kunst beschreiben? Was zeichnet sie aus?

Diese Fragen überlasse ich eigentlich gern den Menschen, die sich mit meiner Kunst auseinandersetzen möchten. Nur so viel: Ich bin beherzt und guten Mutes, mein Werk eventuell weit über meine eigene physische Existenz hinaus wirken zu lassen.

Wenn man sich näher mit deinen Werken beschäftigt, taucht immer wieder der Begriff «freidimensional» auf. Was meinst du damit genau?

Die Idee zur absurd und paradox klingenden Wortverbindung «FREIDIMENSIONAL» kam mir bereits Anfang der 1990er-Jahre. Obwohl das Wort für mich vertraut klang, stellte sich heraus, dass diese Buchstabenformel, gemäss Recherchen zu diesem Zeitpunkt, in unserem Sprachschatz nirgendwo existierte. Erstaunt und fasziniert von dieser Entdeckung, entschloss ich mich kurzerhand, diesen neu geborenen Begriff als persönliches Leitwort in mein Werk zu integrieren. Ich verstehe es als verbalisierte Fiktion des Unerreichbaren – eine Art «Zauberwort», um mir stets meine eigenen räumlichen und geistigen Barrieren vor Augen zu führen.

Website von Max Grüter

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