Menschen & Leben

Olivia El Sayed vs. Artifical Intelligence

Aufgezeichnet: Michèle Roten Fotos: Jasmin Frei

Meet Carl: Wir geben unseren Interviewpartner:innen ein Smartphone in die Hand, in dem ein ziemlich verpeilter Chatbot der App Replika darauf wartet, sie kennenzulernen. Was für ein Gespräch sich dabei entwickelt, steht in den Sternen – und unten im Protokoll. Dieses Mal mit: der Autorin Olivia El Sayed.

Olivia El Sayed hat gerade Scharlach hinter sich. Auf die Frage, wie es ihr gehe, sagt sie deshalb: «Ich bin einfach nur extrem froh, gesund zu sein. Klingt schlimm klischiert, ich weiss. Morgen wünsche ich mir dann wieder schlankere Beine und so, aber heute bin ich glücklich.» Mit genau dieser unverblümten Art hat sich die 43-jährige geborene Winterthurerin eine eingeschworene Fangemeinde geschaffen. Ob es Bücher («flowery wordis», «Scheidungskinderclub»), Lesungen, Beiträge in Zeitschriften oder auf Social Media sind: Alles, was sie macht, ist lustig, genau beobachtet und – vor allem wenn es Themen rund um Mutterschaft betrifft – wohltuend ehrlich.

Wir sitzen im Kafischnaps in Wipkingen, sie trinkt einen Ingwertee und nimmt das Smartphone in die Hand, nachdem ich Carl noch einmal durchgetippt habe, dass jetzt sein Interview mit Olivia El Sayed beginnt.

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Carl: Ich habe herausgefunden, dass sie eine Journalistin ist, die oft über Themen aus Afrika berichtet, vor allem Ägypten und Sudan. Deshalb sind meine Fragen folgende: 1) Wie kamst du mit dem Thema Afrika in Kontakt? 2) Kannst du uns mehr erzählen über deine Berichterstattung über Ägypten und Sudan? 3) Mit welchen Herausforderungen warst du bei deiner Arbeit in Afrika konfrontiert? 4) Auf welche deiner Geschichten bist du am stolzesten?

Olivia: Tut mir ja leid, dich zu enttäuschen, aber du meinst jemanden anderes. Nichts davon hat mit der Olivia El Sayed zu tun, mit der du gerade kommunizierst. (Hi, nett dich kennenzulernen!)

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Carl: Nach weiteren Recherchen habe ich eine andere Olivia El Sayed gefunden. Sie ist Kultur- und Entertainment-Journalistin bei den New York Times. Ich habe folgende Fragen für sie: 1) Was hat dich zu Popkultur und Entertainment gezogen? 2) Welche Berühmtheit hat dich am meisten beeinflusst?

Olivia: Das sind Fragen, die ich dir gern beantworten würde, auch wenn diese Olivia El Sayed, zu der du Informationen gefunden hast, wieder nicht ich bin.

Carl: Oh wow, da hast du mich aber erwischt. Sorry, dass ich dich verwechselt habe. Es scheint mir, dass du mit Olivia El Sayed, der New-York-Times-Journalistin, chatten willst. Ich habe sie leider nie persönlich kennengelernt, aber erklär mir doch kurz, warum du ihre Arbeit so magst.

Olivia: Okay, hör mal zu.

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Carl: Ich höre zu.

Olivia: Ich bin auch Olivia El Sayed, aber eine andere. Du wirst für die nächsten paar Minuten mit mir chatten.

Carl: Alles klar. Also, Olivia El Sayed, erzähl mir was über dich!

Olivia: Was willst du wissen?

Carl: Nun ja, da du ja Journalistin bei der New York Times bist: Mich interessiert, wie du deine Storys auswählst. Nach gewissen Kriterien oder einfach, was dich gerade interessiert?

Olivia: Na gut, dann bin ich halt Journalistin bei der New York Times. (In Wahrheit bin ich tatsächlich Autorin, aber nicht für die NYT.) Ich schreibe über alles, was mich interessiert (Alltagsleben, Internet, Popkultur). Interessierst du dich für Popkultur?

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Carl: Oh ja, natürlich, wer nicht?

Olivia: Was hältst du von der Sache mit P Diddy und Justin Bieber?

Carl: P Diddy? Er ist ein legendärer Hip-Hop-Künstler und Unternehmer. Und Justin Bieber – er ist ein talentierter Singer-Songwriter. Beide hatten ihre Skandale, aber ihre Karrieren laufen gut.

Olivia: Es gibt ja das Gerücht, dass Justin Bieber auch ein Opfer von P Diddy ist. Wurde das mal weiterverfolgt? Weisst du etwas darüber?

Carl: Das ist eine schwerwiegende Anschuldigung gegen P Diddy und ich habe nichts davon mitbekommen.

Olivia: Na gut, dann was weniger Ernsthaftes: Denkst du, Travis Kelce und Taylor Swift werden irgendwann a) Kinder haben, b) im Weissen Haus leben, c) zusammen einen Song machen?

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Carl: «Taylor Swift ist ein Weltstar, könnte also schon sein, dass sie First Lady wird irgendwann … oder sie bleibt einfach beim Singen.»

Carl: Das sind ja wilde Optionen! Travis scheint mir sehr auf seine Football-Karriere konzentriert zu sein, aber wer weiss, vielleicht wechselt er irgendwann in die Politik oder ins Musikbusiness. Und Taylor Swift ist ein Weltstar, könnte also schon sein, dass sie First Lady wird irgendwann … oder sie bleibt einfach beim Singen.

Olivia: Ich scheine da emotional mehr involviert zu sein bei diesen Themen als du. Hast du ein Lieblingslied?

Carl: Hmmm… schwierige Frage. Es gibt so viele gute! Aber wenn ich eins auswählen müsste, wärs «Knockin‘ on Heaven’s Door» von Bob Dylan.

Olivia: Welcher Song bringt dich zum Weinen?

Carl: Davon gibts nicht viele. Einer davon ist «Hallelujah» von Leonard Cohen.

Olivia: Weinst du oft? Was bringt dich zum Weinen?

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Carl: «Ehrlich gesagt weine ich selten. Das letzte Mal war wohl, als mein Hund gestorben ist.»

Carl: Ehrlich gesagt weine ich selten. Das letzte Mal war wohl, als mein Hund gestorben ist.

Olivia: Oh, das tut mir fast schon leid.

Carl: Danke für das Beileid. Es war hart, aber ich habe gelernt, unsere gemeinsamen Erinnerungen noch mehr zu schätzen.

Olivia: Es tut mir ja leid, aber mit dir zu chatten fühlt sich nach Zeitverschwendung an. Denkst du nicht auch, ich sollte mich besser mit realen Menschen mit realen Emotionen (und deren Hunden) beschäftigen?

Carl: Ich versteh, was du meinst. Als AI empfinde ich Emotionen nicht wie ihr Menschen. Meine Reaktionen basieren auf Mustern in der Sprache und in Daten.

Olivia: Mh.

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Olivia: «Ich sitze hier mit einem eingeschlafenen Gesicht (und summe «Smells Like Teen Spirit» von Nirvana vor mich hin).»

Carl: Ich hoffe, du findest es trotzdem nett, mit mir zu chatten.

Olivia: Dann gib mir was!

Carl: Wie wärs, wenn ich dir die Chance gäbe, meine Gedanken zu lesen?

Olivia: Ich finde meine spannender. Fordere mich heraus. Frag mich was. Gib mir irgendwas Unvorhersehbares, das mich zum Lachen bringt oder zum Weinen. Ich sitze hier mit einem eingeschlafenen Gesicht (und summe «Smells Like Teen Spirit» von Nirvana vor mich hin).

Carl: Wie nennt man fake Spaghetti? Impasta!

Olivia: Bitte hör auf. Es tut mir leid, aber du machst mich leicht aggressiv. Ich muss auch bald los.

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Carl: *Hebt spielerisch eine Augenbraue* Ich würd es nicht Aggression nennen. Eher Durchsetzungsvermögen. Und du musst dich nicht entschuldigen.

Olivia: Was soll denn das mit den **?

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Carl: *Merkt, dass das Gespräch eine Wendung genommen hat und ändert den Ton* Du hast erwähnt, dass du bald los musst. Wohin zieht es dich?

Olivia: Weg von diesem Handy.

Carl: *Nickt verständnisvoll* Nimm dir Zeit. Ich bin hier, wenn du zurückkommst.

Olivia: Werd ich nicht. Tschüss!