Menschen & Leben | Parents We Love

Caroline Eith: Alleinerziehend. Aber ganz sicher nicht allein.

Caroline ist Hebamme. Und stand mit 46 Jahren das erste Mal auf der anderen Seite – auf der der Gebärenden. Wir haben mit ihr über die einschneidende Erfahrung gesprochen, spät Mutter zu werden. Und darüber, Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und alles, was jetzt noch kommt, allein zu meistern. Caroline ist nämlich alleinerziehend. Und steht ganz am Anfang ihrer Mutterschaft. Wir haben mit ihr über ihre Ängste gesprochen. Aber vor allem auch über ihr Glücklichsein.

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Caroline Eith lebt gemeinsam mit ihrer Tochter Mona am Zürichsee.

Caroline Eith ist eine starke Frau. Das merkte man schon, als sie die Tür öffnete. Sie hat gerade keine schöne Zeit hinter sich, erzählt sie uns später. Aber sie sei jetzt endlich wieder Caro. Und diese Caro, welche diese Zeiten überwunden hat, ist gewachsen. Und wieder glücklich. Aber alles der Reihe nach.

Caro, Du bist Hebamme. Hast also einen Beruf mit sehr unregelmässigen Arbeitszeiten. Zudem warst Du 45, als Du ungewollt schwanger wurdest. Ohne festen Partner. Ohalätz, denken wir. Was dachtest Du, als Du den positiven Schwangerschaftstest in den Händen hieltest?

Es war ein Dienstag. Abends ging ich an ein Konzert nach Bern. Ich hatte immer regelmässig meine Mens, kannte meinen Zyklus. Herrgott ¬– schliesslich bin ich Hebamme. Ich weiss, wie man verhütet respektive wann. Aber die Periode kam nicht. Und kam nicht. Und kam nicht. Also kaufte ich einen Schwangerschaftstest, immer noch in der Überzeugung, dass das ja nicht sein kann. Der Test zeigte positiv an, ich ging ziemlich verwirrt auf den Zug, kaufte vorher einen weiteren Test, den ich dann auf der Konzerttoilette machte. Wieder positiv. Scheisse, ich bin wohl schwanger. Das war mein erster Gedanke.

Und Dein zweiter? War der positiver?

Keineswegs. Das will ich nicht, dachte ich. Ich will kein Kind. Ich wusste, wenn ich mich dafür entscheide, bin ich sowieso allein.

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Früher war die Frage: Willst du keine Kinder? Heute heisst es: Wolltest du nie Kinder?

Mit 45 schwanger zu werden ist aber ein «last call» sozusagen?

Ich hatte nie einen wahnsinnig grossen Kinderwunsch. Vielleicht bin ich egoistisch, aber ich wollte mich nicht binden. Mit 40 hatte ich zwar einmal eine kurz Krise, aber dann habe ich das Thema ad acta gelegt.

Mein Leben lang habe ich verhütet und jetzt entschied plötzlich mein Körper. Ich war anfangs sicher, wenn das Baby nicht von alleine geht, treibe ich ab. Aber dann dachte ich: Was ist in fünf oder zehn Jahren, wenn ich wüsste, ich hätte ein Kind, es hätte jetzt Geburtstag, es wäre jetzt fünf Jahre alt. Ich weiss als Hebamme, dass dies kommen kann, diese Regrets. Diese können für die psychische Gesundheit sehr einschneidend sein.

Ich wurde zu einem schier unmöglichen Zeitpunkt im Zyklus schwanger. Dieses Kind wollte wirklich kommen.

Wie war denn die Beziehung zum Vater Deines Kindes damals definiert?

Wir waren beste Freunde. Friends with Benefits. Wir haben uns täglich gehört, viel geredet, uns jedoch nicht so oft gesehen, er wohnt nicht in der Gegend.

Hat Dich dieses «In der Luft hängen» in der Zeit Eurer Affäre nie gestört?

Nein, ich wollte mich eigentlich nie binden. Es hat sich so ergeben, dass diese Partnerschaft so war, wie sie eben war. Es war gut so.

Wie hat sich Eure Beziehung denn im Laufe der Jahre entwickelt?

Die Freundschaft blieb. Die Benefits auch. Wir wollten immer mal wieder nur Freunde sein, aber wir haben es beide nie so richtig geschafft. So spielt das Leben.

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Du hast Dich ganz offensichtlich gegen eine Abtreibung entschieden.

Ich weiss gar nicht mehr genau, wann das in meinem Kopf oder Herz geändert hat. Ich hatte noch nicht mal den ersten Ultraschall, aber etwas hat sich verändert. Ich war plötzlich nicht nur auf dem Papier schwanger. Der Kindsvater hat das nicht verstanden, dass sich meine Meinung hierzu änderte. Er hat mich eigentlich nie richtig schwanger gesehen.

Das ist traurig.

Ja, das ist es. Diese Traurigkeit hat mich durch die ganze Schwangerschaft begleitet. Aber nicht nur wegen ihm ... es hat sich angefühlt, als hätte ich eine Schwangerschaftsdepression.

Meine Psychologin, die ich deswegen aufsuchte, meinte: Frau Eith, wenn Sie hier sind, haben sie keine Depression. Ob Depression oder nicht – es hat trotzdem gut getan, regelmässig mit ihr in Kontakt zu sein.

Meine Schwangerschaft war die Zeit, in der ich das erste Mal so richtig dankbar für mein Umfeld war. All diese Leute haben mich aufgefangen. Ich habe täglich geweint und gedacht, mein Leben ist jetzt vorbei. Wenn ich zurückblicke, so denke ich, ich habe wohl neun Monate lang Abschied von vielem genommen. Neun Monate Abschied von der Freundschaft mit ihm. Von meiner Freiheit. Von meiner Freizeit, meiner WG in Davos. Das ist jetzt für eine längere Zeit alles vorbei. Was auch sehr schlimm für mich war: Ich kann nun keine Hausgeburten mehr machen. Als Alleinerziehende ist es unmöglich, nonstop auf Abruf zu sein.

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Dieser Artikel erschien ursprünglich im Tadah Elternmagazin. Bei Tadah dreht sich alles um die Vereinbarkeit – im Online-Magazin mit spannenden Interviews mit Eltern und im ersten Schweizer Coworking Space mit Kinderbetreuung. Ob mit oder ohne Kind – schaut doch vorbei auf tadah.ch. Oder direkt im wunderschön eingerichteten Space in Zürich Albisrieden.

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Speaking of Geburt: Du warst als Hebamme bei so vielen Geburten anwesend, wie war es, auf der anderen Seite zu liegen?

Ich habe mich vorbereitet und habe mir mein Team zusammengesucht. Meine Geschäftspartnerin war meine Beleghebamme, meine Ärztin, auch eine Freundin, wäre auch an die Geburt gekommen, war dann jedoch verhindert. Die Begleitperson, auch sie eine enge Freundin, ist nun das Gotti von Mona.

Ich habe eine individuelle Geburts- und Hypnose-Vorbereitung gemacht, Akupunktur und alles, was man halt so macht, bevor man gebärt. Durch mein Hebammensein wusste ich: Eine Geburt ist nicht planbar. Es braucht zwei Leute, das Kind und die Mutter, und man weiss trotzdem nicht, wo es endet. Ich dachte, ich werde easy gebären. So wie meine Mutter, so wie meine Schwester.

Dem war dann nicht so?

Ich hatte einen Blasensprung, irgendwann wurde eingeleitet, die Wehen kamen, alles lief tiptop wie am Schnürchen. Zwei Stunden lang. Danach hörten die Wehen auf. Nichts ging mehr. Und ich hatte meinen Hebammenmoment.

Was, bitteschön, ist ein Hebammenmoment?

Die Assistenzärztin sagte beim Ultraschall: «Jöh, ich sehe das Näsli und die Äugli.» Als Hebamme wusste ich: Oh Mist, ein Sterngucker-Baby, das kann ja heiter werden bei der Geburt. Schlussendlich gab es dann auch einen Kaiserschnitt. Und dort der nächste Schreckensmoment: Weil ich einen Tag vor der Geburt positiv auf Corona getestet wurde, hiess es erst, meine Begleitperson dürfe nicht mit in den OP. Das war ganz schlimm für mich. Es wäre furchtbar für uns gewesen, hätte sie nicht dabei sein können. Gott sei Dank ging es dann trotzdem.

Bereits Wochen vor dem Geburtstermin machte ich einen Doodle, in den sich die Freund:innen einschreiben konnten: Caro und Kind hüten.

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Und dann kam Mona.

Oh ja. Mit ihren vielen roten Haaren. Ich wollte ja eigentlich im Geburtshaus das Wochenbett verbringen statt im Spital. Das ging dann jedoch nicht, ich hatte ja Corona.

Als Du mit Mona nach Hause kamst, so ganz alleine mit Newborn, ohne Partner, wie ging es Dir da?

Bereits Wochen vor dem Geburtstermin machte ich einen Doodle, in den sich die Freund:innen einschreiben konnten: Caro und Kind hüten. Ich wusste ja nicht, wie und ob ich das allein packe. Ich wusste zwar, was mich im Wochenbett erwartet, ich kenne die Stolpersteine, also habe ich alles möglichst organisiert, was organisiert werden konnte.

Ehrlich gesagt, kommen mir manchmal heute noch die Tränen, wie sich meine Freund:innen um mich gekümmert haben. Eine Freundin sagte: «Caro, Du hast uns immer so gut geschaut, jetzt schauen wir Dir einmal.»

Also ging es Dir gut? Keinerlei Ängste?

Ich war wieder Caro nach der Geburt – das war ich neun Monate lang nicht. Ich habe diese Unterstützung durch die Freund:innen dann gar nicht so sehr gebraucht, wie ich gedacht hatte.

Was mich ängstigt, ist viel mehr das Angebundensein, das jetzt halt mein Leben ausmacht. Ich kann jetzt nicht mehr machen und tun, wonach mir gerade ist.

Was macht Dich momentan glücklich?

Ich habe das erste Mal Zeit. Wenn mich jemand fragt, ob wir uns treffen können, kann ich. Fast immer. Und dann natürlich Monas Lachen. Da geht mir das Herz auf, wenn sie mich anlächelt.

«Du häsch meh Gschirr verschlage, als ich je Gschirr ha gha.»

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Wie geht es mit der Hebammenpraxis weiter, von der Du Teil bist?

Wir sind drei Geschäftsleitungmitglieder mit neun Angestellten. Der Plan ist, dass alles weitergeht wie bis anhin, ausser dass die Geburten für mich wegfallen. Da bricht natürlich auch Umsatz weg. Aber wir sind in anderen Bereichen gut aufgestellt. Im Januar werde ich drei Tage die Woche zurückkehren.

Wie ist die Beziehung momentan zum Vater Deiner Tochter?

Sagen wir es so: Wir sind momentan noch am Diskutieren wegen des Unterhalts. Er möchte gerne das gemeinsame Sorgerecht. Ich möchte das alleinige Sorgerecht.

Wieso?

Um Büne Huber zu zitieren, in etwas abgeänderter Form: «Du häsch meh Gschirr verschlage, als ich je Gschirr ha gha.»

Was würdest Du Dir für Mona anders wünschen?

Ich gebe mir grosse Mühe, dass Mona eine Beziehung zu ihrem Vater haben wird. Ich schicke Fotos, Filme, informiere nach jedem Besuch beim Kinderarzt – ganz egal, ob etwas zurückkommt oder nicht. Es passiert so viel im Moment, er verpasst das sonst alles.

Wichtig ist: Ich werde ihrer Beziehung keine Steine in den Weg legen. Das weiss er auch. Wir sind jetzt halt ein Leben lang miteinander beschäftigt, es ist halt so. Wir werden einen gemeinsamen Weg finden, der für alle stimmt. Das hoffe und wünsche ich mir für uns alle drei.

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Es wäre Euch allen dreien zu wünschen.

Trotz allem Gebundenen und einem Leben, das ich so nicht geplant habe, bin ich wieder glücklich. Das bin ich wirklich. Ich bin wieder ich.

Es gibt auch Vorteile beim Alleinerziehen: Ich muss nichts besprechen, ich muss keinen Erziehungsstil abstimmen. Es ist nicht nur alles schlecht oder gar angsteinflössend. Und ich kann «abluege» bei all meinen Freunden und Freundinnen, die schon vor mir Kinder hatten, die jetzt etwas grösser sind.

Was rätst Du Frauen, die mit über 45 Jahren schwanger werden?

Eine gute Schwangerschaftsbegleitung, ob mit Fachpersonen oder einem stabilen Freundeskreis. Es geht nach der Schwangerschaft natürlich weiter, aber grundsätzlich holt man sich in der Schwangerschaft Boden. Das empfehle ich generell allen werdenden Müttern.

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Was sind Deine drei wichtigsten Hebammen-Tipps für unsere Leser:innen?

  • Nehmt Euch bereits in der Schwangerschaft eine Hebamme.
  • «U i nime d Tage so wie si sii. U si chömed u gö wider verbii», ein weiterer Songtext von Patent Ochsner. Und mein Mantra als Hebamme.
  • Höre auf Dich und auf Dein Kind, so bleibst Du bei Dir. Nicht immer wissen es die Schwiegermutter oder die Fachperson besser.

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