Wie geht’s, Thomas Bolliger aka E.K.R.?
Kein Interview, das auf die immergleichen Antworten abzielt, sondern ein Gespräch, das sich aus der simplen Frage «Wie geht’s?» entwickelt: In unserer neuen Interview-Serie lassen wir Promis und andere interessante Menschen für einmal selbst bestimmen, worüber sie reden wollen. Zum Auftakt trifft Michèle Roten den Zürcher Rapper E.K.R.
Am 31. Mai erscheint mit «Blaus Bluet» das neue Album der Schweizer Rap-Legende E.K.R. – sprich, er ist gerade in der Hype-Phase des Projekts. Und das ist ein Land, in dem er sich ganz und gar nicht wohlfühlt. Aber eben, von Anfang an:
E.K.R., wie geht’s?
Hey, ganz okay, bisschen müde bin ich!
Es ist zehn Uhr, ist das früh für dich?
Kommt ganz drauf an, was so los ist im Leben.
Was ist denn so los im Leben?
Momentan bin ich dabei, Awareness zu schaffen für mein neues Album. Weil ich immer so lange Abstände habe zwischen den Projekten, fange ich da immer wieder ein bisschen bei null an.
«Ich meine, eine Whitney Houston kann sich erlauben, keine Interviews zu geben!»
Und magst du diese Phasen?
Nein, gar nicht. Ich finde das sehr unangenehm. Dieser Aspekt ist mitunter auch ein Grund, warum ich danach jeweils ein paar Jahre wieder nichts mehr mache. Es ist halt so eine doofe Abhängigkeit: Wenn man nicht wirbelt für etwas, das man gemacht hat, dann, nun ja, ist es nicht. Findet nicht statt. Ich meine, eine Whitney Houston kann sich erlauben, keine Interviews zu geben!
(lacht) Kann sich erlauben, tot zu sein! Was für ein Luxus!
(lacht) Aber so hat man natürlich mit Menschen zu tun vom Label, vom Vertrieb, die Erwartungen haben, und das ist ja auch gut, aber – man könnte halt immer noch mehr, man hat solche Marketing-Gedanken immer im Hinterkopf. Obwohl ich ja eigentlich, eigentlich Musik mache, weil ich Musik machen will, und weil es noch ein, zwei Menschen interessiert. Der Rest gehört halt einfach dazu.
Wie verdient man denn heute eigentlich sein Geld als Musiker? Kauft überhaupt noch jemand physische Musik?
Interessanterweise zieht Vinyl momentan wieder an. Ich glaube, für viele ist das auch eher ein Ausstellungsobjekt – die haben vielleicht gar keinen Plattenspieler, wollen einfach auch unterstützen. Ansonsten wird die Musik gestreamt, ganz klar.
Downloads?
Nein, wofür auch? Du hast ja alles immer zur Verfügung!
«Darum ist es auch so wichtig, dass Kunst und Kultur gefördert werden. Sonst arbeitet man nur noch, um kommerziellen Erfolg zu haben, und das kanns ja nicht sein.»
Aber eben, wie verdienst du denn Geld daran?
Ja eben, gar nicht! (lacht) Solche Streaming-Sachen gehen nur für die Drakes dieser Welt auf. Darum ist es auch so wichtig, dass Kunst und Kultur gefördert werden. Sonst arbeitet man nur noch, um kommerziellen Erfolg zu haben, und das kanns ja nicht sein.
Womit wir wieder beim Anfang wären: Eigentlich müsstest du dich einfach darauf konzentrieren können, Musik zu machen.
Genau.
Hattest du schon Momente, wo dich das so genervt hat, dass du dir überlegt hast, einfach aufzuhören?
Ja, das kam schon vor. Vor allem nach Interviews, wo alles aus dem Kontext gerissen worden ist. Oder etwas, das man bei der Zigi danach off the record gesagt hat, und das ist plötzlich die Headline. Solche Sachen machen mich fertig, ich bin dann hässig auf die Medien, aber auch auf mich. Ich sollte es doch besser wissen. Ganz absurd fand ich es auch, als Musikfernsehen gross war, etwa Viva in der Schweiz. Plötzlich starren dich beim Einkaufen Teenies an – und nicht mal, weil sie wissen, das ist doch der und der Musiker, sondern weil sie dich aus dem Fernsehen kennen. Du bist irgendein Berühmter. Hockst aber nicht in einer Limo, in einer anderen Realität, sondern kratzt an der Kasse vielleicht gerade das letzte Geld aus dem Portemonnaie. Voll unangenehm.
Was beschäftigt dich gerade sonst noch ausser PR und Marketing?
Hey, vor allem Israel–Palästina und wie das auf den asozialen Medien und in den Massenmedien behandelt wird. Wer bezieht seine Informationen woher, wer will mit welcher Berichterstattung was bewirken und so. Unabhängiger Journalismus ist natürlich grossartig, gleichzeitig öffnet es Tür und Tor für absoluten Irrsinn. Jemand, der gerade drei Nächte durchgekokst hat, wird dann plötzlich zum Experten und so … Ich stürze da manchmal echt in ein Rabbit Hole, gerade auf X.
«... ich habe die Antworten ja nicht, aber ich möchte gewisse Sachen diskutieren können.»
Es ist zum Verzweifeln.
Und wenn man sich solche Sachen mal überlegt, kommt man vom Hundertsten ins Tausendste, hinterfragt alles, all die Feindbilder, all die Klischees, die uns eingeimpft werden, wer sind denn jetzt die Guten und wer die Bösen, und dann merkt man, dass man gewisse Fragen auch einfach nicht stellen darf. Dabei stelle ich sie wirklich offen, ich habe die Antworten ja nicht, aber ich möchte gewisse Sachen diskutieren können.
Echt, du hast «Die Welt für Dummies» nicht gelesen?
(lacht) Doch, genau, als Hörbuch, im Doppelspeed abgespielt. Das Lustigste ist übrigens, dass ich auch schon kritisiert wurde à la: Die Welt versinkt im Chaos und du pushst auf Social Media deine Musik?
Aber wenn du etwas zu Israel–Palästina postest, nehme ich an, kommt das auch nicht immer gut an.
Natürlich nicht.
«Manchmal will man sich doch einfach fünf Minuten lang gut fühlen.»
Man kann es nicht richtig machen.
Umso wichtiger, finde ich, ist in solchen Zeiten Musik. Manchmal will man sich doch einfach fünf Minuten lang gut fühlen.
Was für ein schönes Schlusswort.