Wunderkammer

Der Tierpräparate-Sammler und Zauberer Christian Link ist bekannt für seine kunstvollen Tierpräparate. In seinem Schaulager finden sich seltene Kuriositäten.

Exquisites und Kuriositäten faszinieren ihn: Christian Link handelt mit Antiquitäten und Tierpräparaten, nebenbei ist er Magier. Er träumt von einem eigenen Museum, das ihm auch als Bühne für seine Zauberkünste dient.

Das Federkleid eines Königspinguins schimmert im fahlen Licht. Ein weisser Leopard schaut mich mit durchdringendem Blick an. Ein Pfau stellt in gewohnter Theatralik seine prachtvollen Schmuckfedern zur Schau. Die Körper der Tiere sind stocksteif, ihre Gesichtsausdrücke starr. Es ist, als hätte jemand die Pause-Taste gedrückt. Vor mir steht ein Mann im weissen Hemd, mit Krawatte und blauem Jackett.

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«Ich gebe den Tieren ein Stück ‹Leben› zurück», sagt Christian Link. Der Zürcher ist Tierpräparate- und Antiquitätensammler, nebenbei Zauberer. Er geht durch sein Schaulager, vorbei an verschiedenen Reliquien, öffnet die Glastür eines antiken Schranks und holt einen in Ethanol konservierten Hasen-Embryo heraus. «Zyklopie», erklärt Link, und zeigt auf das einzige grosse Auge in der Mitte des Gesichts. Kuriositäten aus der Tierwelt faszinieren ihn. Auch ein zweiköpfiges Kalb zählt zu seiner Sammlung.

Er holt einen in Ethanol konservierten Hasen-Embryo heraus.

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Links Sammelsurium lässt mich in eine andere Zeit eintauchen, in die Spätrenaissance und den Barock, als sogenannte Wunderkammern die Kuriositätenkabinette, auch Panoptiken genannt, ersetzten. «Damals richteten sich Gutsituierte zuhause Kammern ein, die sie mit Fundstücken von Abenteuerreisen ausstatteten, um diese dann ihren Freunden und Bekannten stolz zu präsentieren», erzählt Link. Wunderkammern seien die Vorläufer naturhistorischer Museen gewesen.

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Für Link ist Sammeln «ein Versuch, Ordnung in die Welt zu bringen». Als Bub sammelte er Muscheln und Steine, später exquisite Flohmarktfundstücke. Link machte ursprünglich eine kaufmännische Lehre, ging danach für zwei Jahre an die «New York Film Academy» und arbeitete dann in Luxemburg als Regieassistent. Die Filmbranche sei ihm aber ein zu hartes Pflaster gewesen. Vor 15 Jahren ist er in die Zauberei «gestolpert». Seinen ersten Auftritt hatte er in einer Bar in Zürich, in der er mit seinem Bruder Kartentricks vorführte.

Er ist in die Zauberei «gestolpert». Seinen ersten Auftritt hatte er in einer Bar, in der er Kartentricks vorführte.

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Als Zauberer fing er an, mit speziellen Requisiten aus seinen Shows zu handeln. Er habe klein angefangen, erinnert sich Link an die Zeit, als er noch ein «struggling artist» war. 2013 durfte er im Contra-Punkt im Niederdorf – einer beliebten Adresse bei Vintage-Liebhabern – einen Schrank einrichten. Er bot Flohmarktfundstücke zum Kauf an und eigenhändig aus echten Tierknochen zusammengesetzte Fantasiewesen, die er «Finsterwaldfiguren» nannte. Noch im selben Jahr eröffnete er seinen ersten Laden, das «Panoptikum», und später die «Wunderkammer» an der Sihlfeldstrasse. Am Anfang sei es nicht leicht gewesen, sich mit dem Handel von Antiquitäten und Tierpräparaten über Wasser zu halten. Inzwischen hat er sich einen Namen gemacht.

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Heute führt er seine Wunderkammer am Neumarkt 17, einem Fachgeschäft für neue und antike Tierpräparate, und dekoriert die Schaufenster von renommierten Zürcher Geschäften – unter anderem Friolet Interiors. Den Pop-up-Store an der Kirchgasse, den er mit einem Kunstsammler betrieb, schloss er vergangenen Januar. «Ich bin kein Ladenhocker», sagt Link. Neuerdings hat er dafür im Kreis 4 ein Schaulager, in das er mich heute eingeladen hat.

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An Links Fingern blitzen zwei Jugendstil-Ringe. Erst jetzt fällt mir der Skarabäus an seinem Jackett auf. Links extraordinäre Erscheinung erinnert an die eines Dandys. Geschmack ist ihm wichtig, auch wenn es um die Präsentation seiner Tierpräparate geht: «Das ‹Gaghafte› finde ich gar nicht cool, mich interessiert das Exklusive.» Auf seinem Smartphone zeigt er mir ein Foto seiner neusten Errungenschaft: ein mehrere hundert Jahre altes Elefantenvogel-Ei. Es wurde auf Madagaskar gefunden, zerbrochen in viele Einzelteile, und aufwändig wieder zusammengesetzt.

Seine neuste Errungenschaft: ein mehrere hundert Jahre altes Elefantenvogel-Ei aus Madagaskar.

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Christian Link arbeitet mit vier Tierpräparatoren zusammen, die in engem Kontakt mit Tierparks und Zoos stehen. Sie verhelfen ihm immer wieder zu neuen Ausstellungsstücken. «Tierpräparatoren sind wahre Künstler», meint Link. Um aus einem toten Löwen ein lebendig wirkendes Ausstellungsstück zu machen, brauchen zwei Tierpräparatoren zusammen etwa einen Monat. 

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Um aus einem Löwen ein lebendig wirkendes Ausstellungsstück zu machen, brauchen zwei Präparatoren einen Monat.

Der Begriff des «Ausstopfens» hat heutzutage mit der Tätigkeit eines Tierpräparators nichts mehr gemein: «Die Tiere werden nicht ausgestopft, ihr Fell oder ihr Federkostüm wird auf einen Tierkörper aus Kunststoff aufgezogen», erklärt Link. Oft sei ausser dem Fell oder den Federn an einem Tierpräparat nichts mehr tierisch.

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Link träumt davon, eines Tages ein eigenes Museum zu eröffnen. Das wäre gleichzeitig die perfekte Kulisse zur Aufführung seiner Zauberkünste: «Ich möchte die Besucher zum Staunen bringen und ihre Neugierde wecken», sagt er. In seinen Augen blitzt ein Funkeln auf. Wer weiss, vielleicht ist dieser Ort der Beginn eines Traumes, der Realität wird.

Adresse 

Wunderkammer Schaulager
Genaue Adresse und Öffnungszeiten auf Anfrage: +41 79 709 02 85

Infos

Neben dem Schaulager führt Christian Link am Neumarkt 17 ein Fachgeschäft für neue und antike Tierpräparate.

Dienstag, 9–17 Uhr
Mittwoch bis Freitag, 10–18.30 Uhr
Samstag, 11–17 Uhr