Sollten wir mehr alte Tiere essen?
Im Sihlbrugger Restaurant Krone experimentiert der Patron Thomas Huber mit Schinken vom alten Schaf. Anlass genug für ein paar Gedanken zum Thema Fleischkonsum. Und Take-away-Tipps für Veganer*innen und Vegis.
Ich bewundere über alle Massen, wie zahl- und erfolgreich die Zürcher Köche und Köchinnen und Beizer*innen sich guten Mutes gegen die pandemiebedingte Misere stemmen. Es gibt vielerorts spannende Köstlichkeiten zum Mitnehmen und man spürt den Teams jeweils an, mit welcher Freude sie endlich wieder mal ihrer Kundschaft begegnen.
So auch in der Krone Sihlbrugg, einem kulinarischen Hotspot, der eine schöne Velofahrt von Zürich entfernt kurz vor Baar liegt. Anlässlich eines kurzen Besuchs wechselte ich ein paar Worte mit Patron Thomas Huber, der eine Menge gefüllter Papiersäcke im Gang stehen hatte: alles Bestellungen für Take-away. Es laufe gut, erzählte er. Sie kämen ganz passabel durch die Zeit der behördlich verordneten Schliessungen. Im Team Huber/Jans mit seinen Mitarbeitenden und Lernenden ist man ausserdem immer fleissig am Experimentieren.
Wir lassen Tiere viel zu früh schlachten.
So hat Thomas Sobrassada und Nduia produziert – das sind weiche, eher scharfe Würste aus Schweinefleisch, die man in der Regel zum Kochen verwendet (eine hervorragende Nduja macht «Meatdesignerin» Tanya Giovanoli, man findet sie in den Shops von Berg & Tal). Am meisten fasziniert mich jedoch Thomas’ Experiment mit einem Schinken vom alten Schaf. «Ich hatte drei Schafe und liess zwei davon im Alter von acht Jahren metzgen», erzählt er. Das dritte habe dran glauben müssen, weil man keine einzelnen Schafe halten darf. Die drei Tiere waren ihr ganzes Leben lang draussen und ernährten sich fast ausschliesslich von Gras. Man mag beim Gedanken an das Fleisch solch alter Tiere zurückschrecken, aber ich habe erst kürzlich gelesen: Schafe hören im höheren Alter (ab etwa acht Jahren) mit der Produktion von Lanolin auf, jenem Stoff, der das Fell geschmeidig hält – und der auch für den prononcierten Duft und Geschmack von Schaffleisch verantwortlich ist. Bei Lämmern ist dieser Geschmack aufgrund ihres jugendlichen Alters in aller Regel nicht feststellbar, ausser es ist das Fleisch eines nicht mehr ganz jungen Bocks, der nicht kastriert wurde. Wenn Thomas Hubers Altschaf-Schinken in ein paar Monaten etwa 30 Prozent seines Gewichts verloren hat und man ihn probieren kann, wird sich zeigen, ob seine Rechnung aufgegangen ist. Ich werde natürlich an dieser Stelle darüber berichten.
Immer mehr Köche und Köchinnen bereiten das Fleisch von alten Tieren zu.
Generell schlachtet man in unserer Überflussgesellschaft die Tiere zu früh. Das Filet von einem Rind in einem Alter von etwa 14 Monaten gilt bei der breiten Masse immer noch als grösster Luxus, den man sich im Fleischbereich gönnen kann. Aber wenn man sich das genau ansieht, ist ein solches Filet zwar zart und mager, aber es hat keinerlei Geschmack. Und es ist auch keine Kunst, es zuzubereiten. Deshalb widmen sich immer mehr versierte Köchinnen und Köche dem Fleisch von Tieren, die erst im «hohen Alter» von acht bis fünfzehn Jahren geschlachtet werden. Wie so viele kulinarische Trends hat auch dieser seinen Ursprung in Spanien, genauer im Baskenland. Die Chuletóns (etwa 1,5 kg schwere Côtes) von alten Kühen sind ein Heiligtum dieser kulinarischen Hochkultur. Schön marmoriertes Fleisch und eine dicke, gelbe Fettschicht sorgen für umwerfende geschmackliche Intensität – Buttermilch, Kräuter, Heu und Rahm machen das Aromenspektrum eines solchen Chuletóns aus. Der Biss ist genussvoll und fest. «Butterzartes» Fleisch für Zahnlose hat in einem solchen Genusskonzept nichts verloren.
Natürlich sollte dieses Fleisch unbedingt auf Holzkohle oder einer schönen Holzglut zubereitet werden, um den Aromen einen zusätzlichen Boost zu verleihen. Die Marmorierung des Fleisches verweist übrigens auf dessen Fettgehalt und dementsprechend auf den Geschmack – und der Fettgehalt ist wiederum vom Alter abhängig. Wer sich schon einmal mit dem legendären japanischen Rindfleisch aus Kobe befasst hat, weiss: Diese Tiere werden erst mit etwa vier Jahren geschlachtet. Thomas Huber würde mir zustimmen, wenn ich sage: Wir essen Tiere generell viel zu jung. Sie sollten ein längeres Leben haben, und sie sollten möglichst oft auf der Weide grasen dürfen.
Deshalb hier ein Tipp: Auf der Webseite www.kuhteilen.ch kann man sich derzeit in die Teilet einer fetten, alten Limousin-Kuh einkaufen. Für 169 Franken bekommt man ein BBQ/Grill-Paket mit knochengereiftem Fleisch und dazu Würste, Burger, Steaks sowie Brisket und Rippe (dazu ein anderes Mal). Das Tier wird hofgeschlachtet. Kürzlich las ich auf Twitter einen eingängigen Satz, der mich voll überzeugte und den ich hier gern weiterleite: Ein gutes Steak ist 90 Prozent Beschaffung und 10 Prozent Kochkunst. Denkt daran, wenn ihr nächstes Mal Fleisch einkauft. Und bitte bleibt immer so regional wie möglich.
Als Ausgleich für die fleischlastige Kolumne hier drei Vegi-Tipps für Take-away oder Delivery:
- Gemüselasagne von Didis Frieden an der Stampfenbachstrasse, offen von Montag bis Freitag 11.00 bis 14.00, verkauft werden auch tolle Weine zu guten Preisen.
- Chacheli (Bowls) von der Huusbeiz, geliefert via Dabbavelo in den kürzlich hier beschriebenen Kreislauf-Bowls: total vegetarisch, total regional. Dienstag bis Freitag 11.30 bis 13.30 Uhr.
- Veganes Sandwich mit Baba Ghanoush, Kichererbsen, Grünkohl und Gewürzen im warmen Ciabatta von Iykyk an der Holbeinstrasse 25, via Ubereats oder zum Mitnehmen. Iykyk ist ein Joint Venture von Mame Coffee und Gaijin Izakaya. Montag bis Freitag 11.30 Uhr bis 14.00 Uhr und 18.00 Uhr bis 21.00 Uhr.