Pastetli-Lunch bei Sprüngli und zu Hause
In der Zürcher Kulinarikszene sind neue Held*innen das Stadtgespräch. Oft darüber vergessen, weil fast nur noch von Third-Agers und Tourist*innen besucht: das Café Sprüngli am Paradeplatz. Dort schwelgt unser Gastro-Kolumnist in kulinarischer Nostalgie.
Der Städteberater Thomas Sevcik hat für heutige Städte den Begriff der Donut City geprägt: Die Zentren alter europäischer Metropolen dienen heute fast nur noch der Büroarbeit, der Repräsentation grosser Konzerne und dem Besichtigtwerden. Bestenfalls wird geshoppt, aber dies dürfte irgendwann enden, weil alles überall auf der Welt geliefert wird.
Das Pastetli hat mich verzaubert.
Auch Zürich ist eine kleine Donut City. Aber es gibt mitten im Loch des Donuts einen Ort, wo man seinen Hunger auf feine Art stillen kann: die erste Etage des Sprüngli am Paradeplatz. Unter der Woche gibt’s Businesslunch zu einem – besonders angesichts der Lage – vernünftigen Preis. Am liebsten gehe ich da für Clubsandwiches hin, einen Fall von schuldbewusster Lustbarkeit («Guilty Pleasure», kännsch); kürzlich habe ich jedoch mal wieder ein Pastetli bestellt und war bezaubert von diesem Kurztrip in die kulinarische Klassik. Alexandre Dumas (Verfasser der «Drei Musketiere») schreibt in seinem Grossen Wörterbuch der Kochkunst: «Vol-au-Vent: Ein heisse Pastete aus Blätterteig. Sie wird mit Kalbsbries [sautierte Milken], Geflügelleber, Geflügelbrust und Champignons gefüllt.» Die Kombination von Blätterteig und cremiger Weissweinsauce hat einen besonderen Reiz. Nach dem Servieren versucht man in einem Wettlauf gegen die Zeit, das Pastetli mit der Sauce wegzuputzen, bevor der delikate Knusper des Blätterteigs sich in Matsch verwandelt.
Beilagen braucht es bei diesem Gericht nicht.
Die Sauce bei Sprüngli entsprach meinen Erwartungen, wirkte aber nicht so luxuriös, wie man sie sich nach der Dumas-Lektüre vorstellt. Sie enthält Würfel von geschmortem Kalbfleisch, Kalbsfond und wenig Gemüse. Klassisch schweizerisch wäre eine Kombination mit Brätchügeli; ich würde an einem luxuriösen Tag auch mal kurz gebratene Milken verwenden. Beilage gibt’s keine; ich empfehle dazu einen kräftig gesäuerten Salat, um die Verdauung auf Touren zu bringen.
Dieses Essen ist ein Wettkampf gegen die Zeit.
An meinem Pastetli-Sonntag setzte sich zufälligerweise Sami Khouri neben mich an die Sprüngli-Bar. Man kennt ihn als Erfinder des Palestine Grill und Konzepter von Allover-Unterhaltungsorten wie der Galaaxy in Flims/Laax oder dem Samigo im Seerestaurant, das einst Quai 61 hiess. Sami bestellte sich – Pastetli. Von mir angesprochen, sagte er, diese Art von Essen erinnere ihn an den Hort, in dem er als Schüler betreut wurde; zweifellos wurden die Pastetli seinerzeit von der damals als Stadtküche bekannten Institution geliefert. Die heisst heute übrigens «Menu and More» – wäre Stadtküche nicht viel hipper gewesen?
Ich habe ein eigenes Rezept und versuche darin, den Seventies-Geschmack von Sprüngli mit meinen eigenen Erinnerungen zu kreuzen. Pastetli zum Aufbacken sind in kleineren Migros- und Coop-Filialen immer noch im Angebot. Man nimmt wohl vorzugsweise einfach das teuerste Produkt. In der klassischen Sauce kommt am Anfang etwas Mehl anstelle von Maizena oder Xanthan am Schluss zum Einsatz. Finde dieses Rezept aber nur für’s Wochenende geeignet.
Einkaufsliste für 4 Personen
- 8 Pastetli (am besten von Coop, Betty Bossi)
- 1 Dose Erbsen (oder 500 g tiefgekühlte Erbsen)
- 1 Dose Champignons de Paris fein (oder frische Champignons)
- 3 dl Rahm
- 200 g Kochschinken (auf gute Qualität achten)
- 2 dl Weisswein
- 1 kleine Zwiebel
- 2 Messerspitzen Xanthan oder 3 gestrichene Kaffeelöffel Maizena
- Butter
- 2 dl Kalbsfond oder 2 Esslöffel Demi-Glace
- Weisser Pfeffer frisch geschrotet oder gemahlen
- Glatte Petersilie
Zubereitung
Backofen auf 180 g vorheizen.
Zwiebel fein schneiden.
Beschichtete Pfanne verwenden, die Zwiebel in etwas Butter andünsten.
Fein geschnittenen Kochschinken dazugeben (Würfel oder geschnittene Scheiben) und warm werden lassen.
Mit Weisswein ablöschen, um die Hälfte reduzieren.
3 dl Rahm dazugeben, aufkochen.
Geschroteten weissen Pfeffer und Kalbsfond oder Demi-Glace dazugeben und nochmals aufkochen, etwas umrühren.
Dann den Schinken-Zwiebel-Wein-Rahm-Mix abgiessen und in einer Schüssel bereithalten, Pfanne mit Küchenpapier auswischen oder ausspülen (ist natürlich nachhaltiger).
Die Pastetli auf dem Gitter im Ofen platzieren und aufbacken.
Die Pilze aus der Dose nehmen, im Sieb unter fliessendem Wasser abspülen. In der heissen, ausgewischten Pfanne erhitzen und die Feuchtigkeit etwas abdampfen lassen.
300 g Erbsen dazugeben und kurz durchziehen lassen (müssen nicht aufgetaut werden); Pfanne immer bewegen («sautieren»).
Den Schinken-Zwiebel-Rahm-Mix dazugeben. Nun muss die Sauce verdickt werden. Ich verwende dafür Xanthan, ein sehr potentes Verdickungsmittel, das man in eine warme Sauce einrühren kann und das sie nach etwa drei Minuten schön dick werden lässt. Xanthan kaufe ich im obercoolen Chefstore an der Zentralstrasse 118 (chefstore.ch – eben umgezogen!). Oder ich verwende das klassische Maizena, welches in etwas kaltem Weisswein angerührt und anschliessend zur Sauce gegeben wird.
Auch hier braucht man drei bis vier Minuten Zeit zum Rühren, bis die Sauce dick wird; Maizena ergibt weniger glänzende Saucen als Xanthan und ein etwas «mastigeres» Gefühl beim Essen. Abschliessend die aufgebackenen Pastetli aus dem Ofen nehmen, zwei Stück pro Teller platzieren und mit der eingedickten Sauce nappieren. Fein geschnittene glatte Petersilie darüberstreuen und geniessen!