Das Gnocchi-Empowerment
Unser Gastro-Kolumnist Hans Georg «HG» Hildebrandt besuchte in Winterthur eine Gnocchi-Masterclass – und schreibt, welche Zubereitungsart ihm am besten schmeckt. Ausserdem gibt es neu eine monatliche Lokal-Empfehlung.
In den zurückliegenden 18 Corona-Monaten hat sich bestimmt so manche*r neue Küchentechniken beigebracht. Beispielsweise habe ich mich aufgrund mörderischer Geschmackslangeweile während der Gastroschliessungen endlich an den Versuch gewagt, die spanische Tortilla zu meistern. Die dafür nötigen Handgriffe einzuüben, benötigt ein bisschen Willensenergie. Aber nach etwa sechs Durchgängen beherrscht man dieses Gericht schon im Halbschlaf. Ich werde bei nächster Gelegenheit darauf eingehen.
Übermütig geworden von diesem kleinen Erfolg eines Hobbyköchleins, meldete ich mich zum Gnocchi-Workshop mit Claudio del Principe an. Er wird von mir gern «Macchiavelli des Kochbuchs» genannt, weil er nämlich mit seinen Publikationen die Gold-Auszeichnungen anhäuft wie ein Renaissancefürst teure Kunstwerke. Dieser del Principe also hielt Hof im Winterthurer Atelier Foif. Winterthur – du weisst schon: ein östlich gelegener Stadtteil Zürichs, der sich selbst als Basel der Ostschweiz sieht. Sympathisch! Das Atelier Foif von Susanne Bloch-Hänseler ist ebenfalls sympathisch, eine Kochschule und -werkstatt im Souterrain eines gepflegten Neubaus in Winterthur-Töss.
Während des Kurses bereiteten wir verschiedene Teige zu, die wir anschliessend auch zu Gnocchi verarbeiteten und natürlich degustierten, zusammen mit von Claudio nach seinen eigenen Rezepten zubereiteten Saucen. Alle Gnocchi bestehen aus einem Teig, der anschliessend zu Rollen geformt wird. Von diesen werden dann die – eben – Nocken abgestochen und kurz in Salzwasser gekocht. Es gab folgende Sorten zu erlernen und zu schmecken.
Awesomeness in Nockenform? Gottesbeweis auf dem Teller? Liebe, die man verschlingen kann? Alles dieses.
Hartweizen-Gnocchi, ein «Labour of Love», eine Handarbeit, die nur gute Resultate zeitigt, wenn man sie mit ganzem Herzen macht. Sie bestehen aus einem simplen Teiglein, das man aus Wasser und Hartweizen knetet. Man erzielt so natürlich auf dem Teller die viel individuelleren Ergebnisse als mit einem Industrieprodukt; ja, Hartweizen-Gnocchi sind Hausmannskost supreme, Selbstermächtigung auf dem Teller – wir verabschieden uns von der Industriepasta. Für pflanzenbasierte Abwechslung sorgt man mit den Rezepten aus Claudio del Principes Buch «All’Orto» oder man bereitet einfach ein pfannengerührtes Marktgemüse zu und gibt am Ende die gekochten Gnocchi mit etwas Kochwasser dazu.
Kartoffel-Gnocchi, die zur Hauptsache aus gekochten und durchgepressten Kartoffeln bestehen. Sie werden mit etwas Mehl gebunden und sind etwas Tolles und Feines, jedoch für den Alltag mir zu aufwendig. Man muss vor der Zubereitung die Kartoffeln weichkochen, anschliessend schälen, den Teig bereiten und ruhen lassen. Werde ich vielleicht mal machen. Aber da die Pandemie scheint’s bald zu Ende sei, stellt sich die Frage, wann ich die Handgriffe einüben soll, um sie für den Ernstfall mit Gästen wirklich zu beherrschen. Kartoffel-Gnocchi sind die Königsklasse des Nockenwesens. Mich schrecken sie vorerst ab. Wir stellten die Kartoffel-Gnocchi übrigens auch gefüllt her. Die spinnen tatsächlich, die Römer!
Malfatti – das sind Quenelles oder kleine Knödelchen, die man mit zwei Löffeln von einer Teigmasse aus Ricotta, Mehl und Spinat absticht und direkt ins Wasser gleiten lässt. Sehr fein an einer Parmesan-Rahm-Sauce. Schön, dieses kochkulturelle Feature zu beherrschen, aber ganz ehrlich gesagt: Nichts für mehr als zwei Mal im Jahr, ausser man entwickle sich zum absoluten Routinier. Andernfalls wird man ob der Sauerei in der Küche verzweifeln. Und ja: Frischer Spinat ist, wegen der oft vorkommenden rauen Zähne, nicht etwas für jeden oder jede. Schon gar nicht für Kids an einem gewöhnlichen Werktagabend.
Ricotta-Gnocchi: Awesomeness in Nockenform? Gottesbeweis auf dem Teller? Liebe, die man verschlingen kann? Alles dieses. Mein neues Credo: Wer Ricotta-Gnocchi beherrscht, wird nie mehr an Depressionen leiden (ausser, sie kommen daher, dass man zu fett geworden ist von den vielen Gnocchi. Aber dafür gibt’s ja das Rennvelo). Die Herstellung von Ricotta-Gnocchi ist schon beim Einkaufen ein Genuss, wenn man nach dem besten erhältlichen Ricotta und dem feinsten Mehl sucht (Galbani aus dem Coop und Bio-Weissmehl tuns aber auch). Dann macht man aus dem Ricotta, Parmesan und Mehl einen Teig, lässt ihn zum Abbinden etwas stehen und geht vor wie oben beschrieben. Serviert werden sie an einer leichten Tomaten(-Rahm?-)sauce, die man grosszügig mit Petersilienstängeln anreichert. Oder mit einem Rest Bolognese, oder mit Eierschwämmli, halt irgendwas, das man kurz in der beschichteten Pfanne aufwärmen kann, bevor man es über die angerichteten Gnocchi gibt. Hier geht’s zum Rezept, aber bitte: Seht euch auch die Bücher von Claudio an und vielleicht kauft ihr auch eins oder zwei. Es lohnt sich.
Restaurant-Tipp des Monats: Anna
Das Lokal liegt in einem Neubauquartier am Milchbuck gleich neben dem Sportplatz Steinkluppe – für die meisten Stadtbewohner*innen wohl unerkundetes Gebiet. Das Anna ist nach der Strasse benannt, an der es liegt, und es war zuvor ein Quartiercafé für die Bewohner*innen der Genossenschaftshäuser. Nun kocht hier Stefano Corrado, ein in Chur aufgewachsener Schüler von Antonio Colaianni (muss man kennen, derzeit Küchenchef im Ornellaia an der Bahnhofstrasse). Gastgeberin ist Stefanos Liebste, Maria Ventola. Ich bin völlig überzeugt von Corrados Leistungen, aber auch von Ventolas Herzlichkeit und Sachkunde. Der Preis für das Viergang-Menü Surprise war äusserst bezahlbar, bei den Weinen gibt es viele Entdeckungen zu machen. Der Mut der beiden, abseits der Szene-Trampelpfade etwas für Zürich Ungesehenes zu eröffnen und beim Einrichten vom fiesen Vintage-Look abzusehen, gehört belohnt. Empfehlung! Und beim Auswählen nicht lange überlegen, sondern sich von Maria beraten lassen. Das macht Freude.
Adresse
Restaurant Anna
Anna-Heer-Strasse 2
8057 Zürich
+41 44 552 87 44
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