Menschen & Leben

Endlich Mütter sein! Zwei Zürcherinnen wollen ein gemeinsames Baby

Zwei Menschen lernen sich kennen und werden ein Paar. Sie ziehen zusammen und merken nach ein paar Jahren: Sie möchten gemeinsam Kinder bekommen. Wie fühlt sich dieser Wunsch an, wenn das Paar aus zwei Frauen besteht? Und vor allem: Wie wird er Realität?

Im Oktober soll die künstliche Befruchtung stattfinden. Obwohl das Paar in Zürich wohnt, wird es für die künstliche Befruchtung nach Österreich fahren. Diana und Leonie (Name der Redaktion bekannt) haben sich für eine Klinik in Bregenz entschieden. Vor ein paar Monaten waren sie zum ersten Mal dort an einer Informationsveranstaltung. Als sie den Raum betraten, spürten sie, dass ihre sexuelle Orientierung hier keine Rolle spielte. Seit sie vor zwei Jahren beschlossen, Kinder zu bekommen, haben sie diese Erfahrung leider viel zu selten gemacht.

Diana und Leonie sind seit sieben Jahren ein Paar. Für Leonie war schon immer klar, dass sie einmal Kinder haben möchte. Als sie realisiert, was das in einer homosexuellen Beziehung in der Schweiz bedeutet, muss sie sich zum ersten Mal fragen: Wie viel ist mir die Beziehung mit Diana wirklich wert? Das Wissen, dass es mit einem Mann so viel einfacher wäre, macht ihr zu schaffen. Für Leonie ist das Geschlecht für eine Beziehung nicht entscheidend. Doch Diana tut ihr gut als Mensch. Sie will trotz allem zu ihr stehen. Also bleibt sie. Diana wollte früher keine Familie gründen. Erst durch die langjährige liebevolle Beziehung mit Leonie entstand überhaupt der Wunsch, Kinder zu bekommen.

Soll der Spender aus ihrem Freundeskreis kommen?

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Am Anfang diskutieren Leonie und Diana oft und lange über das Thema. Sie haben die Idealvorstellung, dass sie mit dem biologischen Erzeuger bereits befreundet sind. Er könnte eine Art Götti-Rolle übernehmen. Wenn sich im Freundeskreis niemand findet, gibt es im Internet Plattformen für private Samenspender. Private Samenspende bedeutet, dass die Befruchtung nicht in einer Klinik mit ärztlicher Unterstützung stattfindet. Sie erfolgt stattdessen daheim, beispielsweise mittels der sogenannten Bechermethode. Diana und Leonie könnten diese Männer treffen und schauen, ob sie als potenzielle Spender infrage kommen. Sie könnten darauf achten, dass es jemand aus der Umgebung ist. Denn es ist doch wichtig für das Kind, denkt sich das Paar, dass der biologische Erzeuger irgendwie anwesend ist und das Kind weiss, woher es kommt.

Diana und Leonie beschliessen, sich genau zu informieren, bevor sie sich für weitere Schritte entscheiden. Sie nehmen an zwei Informationsveranstaltungen vom «Dachverband Regenbogenfamilien» teil. Die Ergebnisse ihrer Recherche sind ernüchternd und emotional belastend. Ihre Idealvorstellung bricht in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Zwar wäre ihr Plan realisierbar, aber die Familie wäre gesetzlich geschützt. Selbst wenn der Samenspender vertraglich versichert, dass er sich niemals in die Erziehung einmischen wird, könnte er jederzeit seine Vaterschaft geltend machen. Ändert er also nach der Geburt seine Meinung, gibt ihm das Gesetz Recht. Da es nicht möglich ist, mehr als zwei rechtliche Eltern zu haben, bedeutet dies, dass die soziale Mutter (also die nicht-leibliche Mutter) danach das Kind nicht mehr adoptieren könnte. Zwischen ihr und dem Kind würde rechtlich gesehen keine Verbindung bestehen.

Die Behörden haben einen Spielraum.

Dann ist da noch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB). Nach der Geburt wird das Kind im elektronischen Geburtsregister erfasst. Dort steht das Feld «Mutter» und das Feld «Vater» zur Verfügung. Bei einem lesbischen Paar bleibt das zweite Feld leer. Der Fall wird der KESB gemeldet, die den Auftrag hat, die Vaterschaft zu klären. Sie kann dafür sogar eine Beistandschaft errichten. Im schlimmsten Fall reicht die Beistandsperson eine Vaterschaftsklage ein. Dies geschieht nicht in jedem Fall, weil die Behörden (im Kanton Zürich gibt es 13 KESB) einen gewissen Spielraum haben und unterschiedlich arbeiten. Also wieder: Es kann gut gehen, aber auch nicht. Es gibt keine rechtliche Sicherheit.

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Der Kampf geht nach der Geburt weiter.

Diana und Leonie sind froh, sich so gut informiert zu haben. Doch die neuen Erkenntnisse machen ihnen auch Angst. Also kommt das Paar von seiner ursprünglichen Idee ab. Samenbanken bieten eine Alternative, denn da bleibt der biologische Erzeuger nach der Geburt anonym. Er kann somit keine Ansprüche erheben und die KESB sieht in der Regel von weiteren Nachforschungen ab.

In der Schweiz wird homosexuellen Paaren der Zugang zur künstlichen Befruchtung verwehrt. In über einem Dutzend europäischer Länder steht ihnen diese Möglichkeit jedoch offen, beispielsweise in Österreich. Die genauen Regelungen sind von Land zu Land verschieden. In Österreich hat das Kind nach seinem 14. Lebensjahr das Recht, Informationen über den Spender zu erhalten. Bis dahin bleibt er aber anonym. Das Paar entscheidet sich für diesen Weg. Es ist nun überzeugt, dem Kind auch ohne Bezug zu seinem Erzeuger alles bieten zu können.

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In ihrem Alltag als Lehrpersonen sehen Diana und Leonie immer wieder Kinder, die von ihren Eltern vernachlässigt werden. Als zuständige Pädagoginnen unterstützen sie diese Schülerinnen und Schüler. Oft kommt ihnen dabei der Gedanke, dass sich diese Eltern nie rechtfertigen mussten, wieso sie Kinder kriegten. Nur weil sie ein heterosexuelles Paar sind. Das macht Diana und Leonie wütend. Sie wissen, dass sie auch nach der Geburt Umwege gehen müssen. Denn das Kind muss von der sozialen Mutter adoptiert werden. So etwas wie eine Vaterschaftsanerkennung gibt es für lesbische Paare nicht. Es gelten die Regeln der Stiefkindadoption. Leonie, die die soziale Mutter des ersten Kindes sein wird, muss mindestens ein Jahr mit dem Kind zusammenwohnen. Das ist die Voraussetzung, damit die Angaben im Geburtsregister endlich der Realität entsprechen können. Während dieser Zeit und der Dauer des Adoptionsverfahrens (etwa ein halbes bis eineinhalb Jahre) haben das Kind und die soziale Mutter rechtlich gesehen nichts miteinander zu tun. Was bedeutet dies im Fall einer Trennung? Was bedeutet dies, sollte die biologische Mutter sterben? Rechtlich gesehen ist das nicht klar. Die Behörden müssen in diesen Fällen nach dem Kindeswohl handeln. Wie sie das auslegen, ist offen.

Das macht das Paar wütend.

Dennoch freuen sich die zwei Frauen auf den Termin in Bregenz. Es tut gut, diesen Entscheid gefällt zu haben und einen klaren Weg vor sich zu sehen. Sie sind überzeugt, dass sie dem Kind gute Eltern sein können. Das sieht auch ihr Freundeskreis so, der sie in ihrem Vorhaben sehr unterstützt. Aber es ist Diana und Leonie auch bewusst, dass nicht alle in unserer Gesellschaft dieser Meinung sind. Es ärgert sie, dass die Schweiz weiss, dass es Wege gibt, aber diese erschwert. Dabei wäre es wichtig, mehr Regenbogenfamilien zu begegnen und zu sehen, dass Kinder auch so gesund und glücklich aufwachsen können. Das würde die Toleranz in der Gesellschaft fördern, die Bilder in den Köpfen der Menschen ändern. Und daher hoffen sie – nebst auf ein gesundes Kind – auf den nächsten politischen Schritt: die «Ehe für alle» mit Zugang zu künstlicher Befruchtung. Diese würde ihrem und vielen anderen Kindern eine einfachere Zukunft ermöglichen. Denn entscheidend dafür ist nicht nur die Familie, sondern auch die Gesellschaft, in der sie aufwachsen.