Stadt & Geschichte | Züri Crime
Spuk im Niederdorf
«Diarium Tragediae Diabolicae». Klingt unheimlich? Ist es auch. Denn das über dreihundert Jahre alte Buch protokolliert genau das Treiben eines Poltergeists: Jahrelang soll dieser eine Zürcher Pfarrersfamilie schikaniert haben.
Anfang des 18. Jahrhunderts war Anton Klinger der oberste Zürcher Pfarrer. Gemeinsam mit seiner Familie lebte er im sogenannten Antistitium. Das Haus am Zwingliplatz 4 war einst Sitz des Vorstehers der reformierten Kirche. Es steht noch heute direkt neben dem Grossmünster. Ein unscheinbarer Bau.
Der Schrecken begann im Juli 1701. Der Pfarrer war abwesend, das kleine Töchterchen krank. Damit es sich leicht bemerkbar machen konnte, installierte die Mutter ein Glöckchen bei seinem Bett. Um Mitternacht bimmelte es heftig. Doch das Kind hatte sich nicht bewegt.
Wollte sich der tote Sohn rächen?
Die Erwachsenen waren jedoch alle aufgeschreckt – und hörten plötzlich schleppende Schritte aus den oberen Etagen. Die Pfarrersfrau war überzeugt: Das musste ihr verstorbener Sohn aus erster Ehe sein. Es gab Gerüchte, dass die Mutter mehr geerbt hatte, als ihr eigentlich zugestanden hätte. Suchte der Tote sie deshalb heim? Die Mägde und eine andere anwesende Verwandte bekräftigten diesen Verdacht.
Sie kannten die Geräusche – sie hätten diese bereits in den Nächten zuvor gehört, als die Pfarrersfrau abwesend war. Beschützt wurden die Bediensteten damals von Bernhard Wirz. Der junge Theologe hoffte auf eine Anstellung als Pfarrer und war gerade zu Besuch.
Auch Oberpfarrer Klinger sorgte sich ob des Vorfalls. Fortan schliefen die drei Frauen gemeinsam in der Stube – beschützt von Wirz. Dafür verlängerte der Mann gar seinen Aufenthalt in Zürich. In den folgenden Wochen erlebte die Pfarrersfamilie immer wieder unheimliche Vorfälle: Bettdecken wurden weggezogen, Pfeifen aus dem Mund geschlagen. Möbel bewegten sich, Bücher flogen durch die Luft und seltsame Lichter flackerten auf. Letzteres bezeugten auch die Nachtwächter, die auf dem Turm des Grossmünsters stationiert waren.
Möbel bewegten sich und Bücher flogen durch die Luft.
Dann war plötzlich Schluss. Zumindest für drei Jahre kehrte wieder Normalität ein. Doch gerade als sich die geplagte Familie bei Gott bedanken wollte, dass der Teufel endlich verschwunden sei, krachte ein riesiger Stein die Treppe hinunter. Die Pfarrersleute waren gelähmt vor Angst. Doch ein neuer Wächter war skeptisch. Erst kurz zuvor hatte ihn ein Buch in den Rücken getroffen – geworfen von der Stelle, an der Wirz gestanden hatte. Und eine Magd hatte offensichtlich einen Apfel nach ihm geworfen.
Der Wächter stellte die Bedienstete zur Rede. Sie gab schliesslich zu, Wirz als Poltergeist unterstützt zu haben. Andere Mägde erzählten dasselbe. Wirz wurde danach erst gefoltert, dann hingerichtet.