«Ich habe den Samenspender nach Bauchgefühl ausgewählt»

Interview: Eva Hediger

Nina Müller ist Mitte dreissig, schwanger – und Single: Die Zürcherin hat sich für eine Samenspende im Ausland entschieden. Mit uns hat Nina über den Weg zu ihrem Wunschbaby gesprochen.

Es hat geklappt. Nina Müller (Name der Redaktion bekannt) ist schwanger. In knapp einem halben Jahr wird ihr Baby auf die Welt kommen. Sie habe sich schon immer Kinder gewünscht, erzählt uns die 34-jährige Zürcherin.

«Aber erst mit Ende 20 fühlte ich mich wirklich bereit für Nachwuchs. Ich hatte einen sicheren Job und mir allgemein ein stabiles Umfeld aufgebaut. Der Kinderwunsch hat mich jedoch noch nicht unter Druck gesetzt. Ich hatte ja noch genügend Zeit.»

«Kann ich mir ein Leben ohne Kinder vorstellen oder nicht?»

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Doch vor zwei Jahren liess Nina ihr Anti-Müller-Hormon messen. Es gilt als Fruchtbarkeitsparameter. Ninas niedrige Werte haben sie zum Nachdenken angeregt.

«Es war mir zwar bewusst, dass die Fruchtbarkeit mit dem Alter abnehmen wird. Doch der Wert machte mir klar, dass ich eine Entscheidung treffen und mir überlegen musste: Kann ich mir ein Leben ohne Kinder vorstellen oder nicht? Da ich mir jedoch noch etwas Zeit verschaffen wollte, habe ich mich für Social Freezing entschieden.»

Dabei werden Fruchtzellen unbefruchtet eingefroren - quasi als Reserve für später. Da Nina nur eine Eizelle entnommen werden konnte, entschied sie sich gegen das Einlagern. Die Zürcherin suchte nach weiteren Möglichkeiten, um Mutter zu werden. Dabei stiess sie auf ein Forum für Co-Parenting. Bei diesem Familienmodell führen die Elternteile keine Liebesbeziehung. Einige kennen sich schon länger, andere haben sich über das Internet kennengelernt und entschieden, gemeinsam ein Kind zu zeugen.

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«Ich habe mir deshalb eine Frist von einem Jahr gesetzt.»

«Klar müssen da viele Fragen beantwortet werden – von der Erziehung bis zum Sorgerecht. Ich habe einige Profile angeschaut und auch Nachrichten erhalten. Ich merkte aber rasch, dass ich mich als Co-Parent nicht wohlfühlen würde.»

Das sei eine sehr persönliche Meinung, sagt Nina. Sie kenne viele Frauen, die mit dem Co-Parenting-Modell sehr glücklich seien. Für sich selbst zog sie jedoch eher eine fremde Samenspende in Betracht.

«Es war mir aber extrem wichtig, dass ich diese Entscheidung sorgfältig fälle. Ich habe mir deshalb eine Frist von einem Jahr gesetzt: Ich durfte an keinem einzigen Tag daran zweifeln.»

Auch ein Jahr später war Nina fest entschlossen. Sie fuhr für die Samenspende nach Berlin. In Deutschland gilt seit 2018 ein neues Samenspendergesetz. Kinder, die seither durch eine Samenspende gezeugt wurden, können mit 16 Jahren beim zentralen Samenspenderregister Auskunft über ihre Abstammung erhalten.

«Ich habe mich bei der Wahl des Spenders auf mein Bauchgefühl verlassen. Zum jetzigen Zeitpunkt kenne ich vom Spender die Handschrift, die Stimme sowie einen umfangreichen Steckbrief. Ich weiss auch einiges über sein Aussehen, darunter die Augen- und Haarfarbe. Auch ein Babybild habe ich von ihm gesehen.»

Bereits beim ersten Versuch klappte es: Nina ist schwanger – und überglücklich. Trotzdem stellt sie die Schwangerschaft vor Herausforderungen. Diese würden sich jedoch nicht gross von jenen anderer Mütter unterscheiden, so die Zürcherin. Sie hat ihrem Umfeld schon früh von ihren Plänen erzählt. Es reagierte positiv und sicherte ihr seine Unterstützung zu. Nina ist aber bewusst, dass sie als selbst gewählte Singlemum auch aneckt –besonders bei jenen, die am traditionellen Familienbild festhalten.

«Es ist schliesslich mein Leben.»

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«Schliesslich ist es mein Leben und deshalb auch meine Entscheidung. Abgesehen davon wird es ja nur das engere Umfeld mitbekommen – ich laufe ja nicht mit einem Schild ‹Mein Kind ist von einem Samenspender› durch die Gegend.»

Doch Nina möchte ihre Erfahrungen teilen – wenn auch anonym. Bereits heute unterhält sie den Instagram-Kanal @singlemomzh. Sobald das Baby da ist, wird dieser noch häufiger aktualisiert.

«Es gibt viele alleinstehende Frauen, die denken ‹Für mich ist die Zeit für Kinder abgelaufen›. Aber das stimmt nicht. Es gibt so viele Optionen. Ich möchte ihnen diese zeigen – und ihnen mit meiner Geschichte auch Mut machen.»