Zu Besuch bei

«Die Bäume sind meine Nachbarn»

Text: Eva Hediger Fotos: Jasmin Frei

Jacqueline Mannheimer lebt dort, wo andere sich erholen: Nur wenige Gehminuten von der Station «Uetliberg» liegt ihre Liegenschaft Im Sonnenbühl. Dort feiern Städter nicht nur ihre Feste, sondern machen auch Ferien.

Wer von der Station «Uetliberg» einem schmalen Kiesweg folgt, steht bald mitten in einem verwunschenen Garten. Nur leise ist das Rattern der nahen SZU-Bahn zu hören. «Meine Gäste sagen, dass hier eine besondere Atmosphäre herrscht», so Jacqueline Mannheimer.

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Sie ist im Kreis 6 aufgewachsen. Als sie den Kindergarten besuchte, kaufte ihr Vater Edgar Mannheimer das Haus «Im Sonnenbühl» auf dem Uetliberg. Fortan verbrachte die ganze Familie die Sommerferien dort. Immer kamen Kunden und Freunde des Vaters auf Besuch. «Er war als Kunsthändler oft auf Reisen. Im Sommer wollte er sich bei den Leuten revanchieren.»

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Jacquelines Vater kam als junger Erwachsener in die Schweiz: «Er hatte damals nichts.» Von seiner Familie hatten nur er und sein älterer Bruder Max den Zweiten Weltkrieg überlebt. «Mein Vater war in drei Konzentrationslagern», so Jacqueline.

Während seiner Leidenszeit in Auschwitz hegte Jacquelines Vater den Traum einer ländlichen Idylle.

Über seine Vergangenheit hat Edgar Mannheimer den drei Töchtern nur wenig erzählt. «Er wollte uns nicht belasten.» Jacqueline weiss jedoch, dass er während seiner Leidenszeit in Auschwitz den Traum einer ländlichen Idylle hegte. Auf dem Uetliberg wurde dieser real. «Ich glaube, es würde ihn freuen, wenn er sehen würde, was ich heute mit der Liegenschaft mache», sagte Jacqueline.

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Jacqueline Mannheimer mit ihren beiden Kindern

Anfang der 90er-Jahre zog Jacqueline von der Stadt auf den Uetliberg. Die beiden Schwestern hatten kein Interesse an dem Haus. «Sie haben keinen Bezug mehr zum Sonnenbühl und kommen auch nie zu Besuch», sagt Jacqueline. Ihre Kinder, die hier aufgewachsen sind, sind jedoch mit der Liegenschaft sehr verbunden.

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Momentan lebt Jacqueline alleine im oberen Stock des Haupthauses. Sie fühle sich aber nicht einsam: «Die Bäume sind meine Nachbarn, und ich liebe die Stille.» Manchmal betreut sie Jugendlichen vom sozialpädagogischen Zentrum Gfellergut und bietet ihnen ein temporäres Zuhause. Ausserdem vermietet sie seit einigen Jahren die Wohnung im Erdgeschoss sowie ein Gästehaus an Touristen und Geschäftsleute.

Das Sonnenbühl wird auch für verschiedene Anlässe wie Geburtstage oder Hochzeiten reserviert.

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Das Sonnenbühl wird auch für verschiedene Anlässe wie Geburtstage oder Hochzeiten reserviert. Brauchen die Gäste Unterstützung, so hilft Jacqueline gerne. «Ich führe auch mit allen Interessenten erst ein persönliches Gespräch.» Ihr sei es wichtig, dass die Chemie stimme. Auch öffentliche Anlässe werden immer wieder im Sonnenbühl durchgeführt – zum Beispiel Day Partys, Yoga-Kurse oder spirituelle Reinigungszeremonien.

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Als junge Frau assistierte Jacqueline oft bei Hausgeburten. «Mein damaliger Chef machte sich immer über mich lustig, weil ich zwar aus einer jüdischen Familie stammte, aber nicht Hebräisch konnte.» Schliesslich nahm sie sich eine unbezahlte Auszeit und reiste nach Israel. Sie lernte die Sprache und arbeitete in einem Spital – erst auf der Notfallstation, später auf der Krebsstation für Kinder.

«Als ich damals mit Yoga anfing, dachten einige noch, ich sei einer Sekte beigetreten!»

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Die Nachmittage verbrachte sie oft in einer Kunstschule in Jerusalem. Dort stiess sie auf einen Lehrer, der sie bald zum Nachtessen bei seiner Familie einlud. «Seine Frau interessierte sich für ähnliche Themen wie ich», so Jacqueline. Irgendwann schnitt ihr diese ein Inserat für eine Yoga-Ausbildung aus. «Ich war sofort begeistert.» Jacqueline schloss die Ausbildung in Israel ab, später folgte eine weitere in Kanada. Seit einigen Jahren erlebt Zürich einen Yoga-Boom. «Für viele ist es ein Einstieg, sich vertiefter mit sich selbst auseinanderzusetzen», so Jacqueline. «Als ich damit anfing, dachten einige noch, ich sei einer Sekte beigetreten!», lacht sie.

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Jacqueline wurde jüdisch-traditionell erzogen. «Ich war aber schon immer ein Freigeist», erklärt sie. Sie habe schon früh Traditionen und Pflichten des Glaubens hinterfragt. «Als Erklärung erhielt ich aber oft nur ein ‹Das macht man halt so›». Das sei unbefriedigend gewesen. Heute gefalle ihr vor allem die jüdische Mystik. «Aber ich interessiere mich eigentlich für alle Religionen und Kulturen», erzählt sie. «Ich hatte bereits auf meinem ersten Auto einen Kleber, auf dem stand: «God is one. Names are many.» - «Es gibt nur einen Gott, aber viele Namen.»»

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Jacqueline arbeitete jahrzehntelang in verschiedenen Zürcher Erstklasshotels. Sie bot dort Reflexzonenmassage und integrative Ganzkörperarbeit an. «Ich möchte Menschen dabei helfen, ihre Selbstheilungskräfte zu aktivieren.» Manchmal reicht dafür auch eine Nacht in Jacquelines Gästehaus. «Ich höre oft von Leuten mit Schlafstörungen, die im Sonnenbühl zum ersten Mal seit Jahren durchschlafen konnten.»