«Manchmal erfahre ich News, die erst morgen in der Zeitung stehen»
Seit zehn Jahren arbeitet Lana (Name der Redaktion bekannt) im Souvenirladen am Hauptbahnhof. Hier bedient sie Kund*innen aus aller Welt – und freundet sich manchmal gar mit ihnen an. Uns hat sie von diesen Freundschaften und ihrem Berufsalltag während Corona erzählt.
«Am Hauptbahnhof herrscht an 365 Tagen im Jahr hektisches Treiben – hier treffen die verschiedensten Menschen aufeinander. Riesige Touristengruppen, gestresste Business-Reisende oder neugierige Einheimische besuchen den Souvenirshop im Hauptgebäude. Ich arbeite seit zehn Jahren hier, seit ungefähr fünf Jahren bin ich Filialleiterin. Ich weiss am Morgen nie, was mich erwartet: Mal sucht ein Tramper nach einem günstigen Aufnäher für seinen Rucksack, dann mal kauft ein Scheich mit seiner noblen Entourage den halben Laden leer. Täglich bediene ich Kund*innen aus aller Welt – von Ägypten bis Zypern. Ich höre dabei unzählige Geschichten. Manchmal erfahre ich so von Ereignissen, noch ehe sie bei uns in der Zeitung stehen.
«Es gibt Kund*innen, die jedes Jahr wiederkommen.»
Es ist ein Job, bei dem ich viele Bekanntschaften mache. Gute und manchmal auch schwierige. Denn nicht überall haben Verkäufer*innen den gleichen Stellenwert in der Gesellschaft. Ab und zu verirrt sich eine verlorene Seele vom Hauptbahnhof in das Geschäft. Doch das Gute überwiegt. Einmal war ein Wirtschaftsberater so zufrieden mit der Beratung, dass er uns eine grosse Pralinen-Schachtel von Sprüngli vorbeibrachte. Ein anderes Mal schenkte ein Künstler einer Kollegin einfach ein Buch von ihm.
«Für die Branche waren die letzten Monate nicht gerade einfach.»
Ich kann mich noch genau an den Kunden erinnern, der mir erzählte, dass er zu Fuss durch die Welt reisen will. In Kroatien war er gestartet, sein nächstes Ziel war Deutschland. Ich staunte nicht schlecht. Unterwegs betreibe er Tauschhandel, meinte er. Ich habe ihm damals gegen ein Teelicht ein Notizbuch gegeben. Ich riet ihm, darin all seine Abenteuer festzuhalten. Auch heute noch frage ich mich oft, was wohl aus ihm geworden ist.
Ab und zu werden aus Kund*innen sogar Freund*innen: Schon mehrmals habe ich einige davon in meinen eigenen Ferien besucht oder mir von ihnen Insidertipps geben lassen. Das wurden oft die interessantesten Reisen. Oder dann gibt es Kund*innen, die jedes Jahr wiederkommen, um sich mit Schokolade, Magneten, T-Shirts oder auch Kuhglöckchen einzudecken. Uhren sind ebenfalls beliebte Mitbringsel. Da zählen die Leute auf meine Beratung.
Im Moment wird der Hauptbahnhof umgebaut und das Geschäft ist wegen der Krise für längere Zeit geschlossen. Für die Branche waren die letzten Monate nicht gerade einfach. Doch es kommen garantiert wieder bessere Zeiten. Im Herbst soll es für uns im Bahnhof weitergehen. Momentan helfe ich jedoch noch in einem anderen Souvenirladen auf dem Flughafen aus. Allmählich haben wir auch schon wieder Kund*innen, die sich Rollkoffer für zukünftige Reisen kaufen.»