Stadt & Geschichte | Züri Crime
Verliebt, verlobt, ermordet
Der mehrfach vorbestrafte Kaufmann und eine junge Prostituierte führen keine einfache Ehe. Als sie diese beenden will, greift der Mann zur Waffe.
Lina Auguste und Karl Louis Holzknecht sind frisch verheiratet. Erst seit wenigen Wochen lebt die 22-Jährige mit ihrem Mann an der Zwinglistrasse im Kreis 4. Kennengelernt hat sich das Paar kurz zuvor in einem Bordell – Lina Auguste hat dort als Prostituierte gearbeitet, der mehrfach vorbestrafte und drogenabhängige Holzknecht war Kunde. Doch das junge Eheglück bröckelt bereits.
Denn Lina Auguste hat sich fremdverliebt. Der neue Mann ist ebenfalls verheiratet und arbeitet wie ihr Gatte als Kaufmann. Doch er hat im Gegensatz zu Holzknecht studiert, kommt aus besseren Verhältnissen. Obwohl der Liebhaber Lina mit Briefen und Geschenken verwöhnt, will er sich nicht scheiden lassen. Lina dagegen will ihre Ehe mit Karl Louis Holzknecht beenden. Dieser kann den Entscheid nicht akzeptieren.
Nach der Tat stürzt sich der Kaufmann in die Limmat.
Am 28. Oktober 1922 verbringen Lina und ihr Geliebter den Abend im Restaurant «Zur Henne». Nach einem Drink an der Bar gönnt sich das Liebespaar gegen 20 Uhr ein Abendessen. Dabei wird es von Karl Louis Holzknecht überrascht. Erst schlägt dieser den Geliebten nieder, dann schiesst er seiner Frau aus nächster Nähe drei Mal ins Gesicht. Nach der Tat stürzt er sich in die Limmat. Bewusstlos wird er aus dem Fluss gezogen und fast eine halbe Stunde lang reanimiert.
Drei Mal feuerte er die Tatwaffe ab.
Im darauffolgenden Sommer wird Karl Louis Holzknecht wegen Totschlags angeklagt. «Über die Täterschaft bestand von Anfang an kein Zweifel», schreibt die «Neue Zürcher Zeitung» damals. Trotzdem werden während des Prozesses 14 Zeuginnen und Zeugen befragt. Ziel ist es, herauszufinden, ob Holzknecht zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig gewesen sei oder nicht. Der Angeklagte wird als impulsiv und aufbrausend beschrieben und er sei «stark eifersüchtig» gewesen, was zu immer heftigeren Auseinandersetzungen mit seiner Frau geführt habe. Diese habe mit den verschiedensten Männern «kokettiert», wie die Zeug:innen aussagen.
Am 6. Juli 1923 wirde das Urteil gesprochen. Da Karl Louis Holzknecht während der Tat unter Kokain gestanden hatte, wirde er als unzurechnungsfähig eingestuft. Er bekommt eine milde Strafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Durch seinen Anwalt lässt er verlauten, dass er dies als ungerecht empfinde.