Stadt & Geschichte | Züri Crime

Ein Mordfall, vier Verdächtige – und viel Gelächter

Text: Eva Hediger

Weil ihr Mann eine Affäre hatte, musste eine sechsfache Mutter sterben. Es war ein brutaler Mord, der die Nachbarschaft erschütterte. Vor Gericht verstrickten sich die Angeklagten in abstruse Lügengeschichten.

Die Familie Karli lebte an der Badenerstrasse, nicht weit vom Albisriederplatz entfernt. Am Morgen des 15. Septembers 1909 verliess Josef Karli die Wohnung, um seine Geliebte Maria Widmer zu besuchen. Ob seine Frau Christine etwas von der Affäre ahnte?

Maria Widmer dagegen wusste zweifelsfrei von Christine Karlis Existenz. Mehrfach hatte sie zu Josef Karli gesagt, dass seine Frau «verrecken» solle. Sie wusste auch, wie – und wer bei dem tödlichen Plan behilflich sein könnte.

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Hier wohnte die Familie Karli: Die Badenerstrasse um 1910. (Bild: Baugeschichtliches Archiv)

So tauchten Maria Widmer und Josef Karli wiederholt bei Anna Köng auf, einer Freundin Widmers. Bedenken des Ehemannes wurden von den Frauen rasch unterbunden. Die Geliebte zeterte, dass sie so nicht glücklich leben könne. Ende August war Karli schliesslich überzeugt – er bot Anna Köng fünfzig Franken für die Ermordung seiner Ehefrau an.

Ahnungslos liess Christine Karli ihre Möderinnen in die Wohnung.

Schliesslich klingelten Anna Köng und die Kartenlegerin Karolina Bucher an diesem 15. September 1909 an der Tür der Karlis. Die beiden Frauen gaben an, dringend mit Christine Karli sprechen zu müssen. Die sechsfache Mutter willigte in das Gespräch ein. Sie ahnte nicht, dass Köng in ihrer Tasche ein tödliches Gift mitführte. Bucher schlug vor, ein Glas Wein zu trinken, Köng übernahm das Einschenken des Alkohols. Dabei gab sie in eines der Gläser das Gift. Dieses Glas stellte sie ihrer Gastgeberin hin. Christine Karli trank den Wein – und war kurz darauf tot.

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Der Prozess bewegte Zürich.

Wenig später wurden Josef Karli und seine Geliebte verhaftet. Auch Köng und Bucher waren rasch gefasst. Im Februar 1910 wurde ihnen in Zürich der Prozess gemacht, der für grosses Aufsehen sorgte. Der Journalist der «Neuen Zürcher Zeitung» schrieb von Menschenmassen und überfüllten Tribünen.

Für den Staatsanwalt war klar, dass die vier Angeklagten schuldig waren. Doch diese gaben die Tat nicht zu – und belasteten einander immer wieder gegenseitig. Köng sagte aus, dass sie das Gift von Bucher habe. Und diese habe behauptet, dass das Gift «nichts mache, nur trümmlig». Ziel sei es gewesen, Christine Karli redselig zu machen. Sie sollte Sachen sagen, die später im Scheidungsprozess gegen sie hätten verwendet werden können. Vom Tod Karlis habe sie erst am nächsten Tag in der Nachbarschaftsbeiz erfahren. Auch andere Schilderungen Köngs sorgten bei den Anwesenden für grosse Heiterkeit. So gab sie an, dass Karolina Bucher sie angeleitet habe, vor Sonnenaufgang drei Nägel in einen Baum zu schlagen, dann würde Christine Karli sterben. Sie habe dies getan, aber keinen Erfolg gehabt.

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Karolina Bucher selbst gab an, seit mehreren Jahren als Kartenlegerin und Wahrsagerin zu arbeiten. Ihre Geschäfte würden immer besser laufen. Auch Köng zählte zu ihren Kundinnen. Diese wollte unter anderem von ihr wissen, wie die Zahlen bei der nächsten Lottoziehung lauten. Bucher gab zu, dass das Gift ihr gehört hatte. Doch Köng habe es ihr gestohlen. Sie habe dies nicht bemerkt – und schon gar nicht gewusst, dass damit Christine Karli ermordet werden sollte.

Auch der Ehemann und seine Geliebte verstrickten sich in Lügengeschichten. Das Gericht glaubte keine einzige – alle wurden wegen Mordes respektive wegen Anstiftung zu Mord zu lebenslanger Haft verurteilt.

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