Zu Besuch bei | Menschen & Leben

«Hier herrscht ein mediterranes Lebensgefühl»

Text: Eva Hediger Fotos: Jasmin Frei

In einer alten Fabrik am Stadtrand hat Lucia Marchettini mit ihrer Familie das gefunden, was ihr bisher in Zürich gefehlt hat: der freundschaftliche Austausch mit Nachbar*innen. Die Kinder seien gar wie Geschwister, erzählt Lucia.

«Es war ein absoluter Glücksfall», sagt Lucia Marchettini. Mitte der Nullerjahre hatte ein Bekannter ihr gegenüber erwähnt, dass am Zürcher Stadtrand eine Fabrik zum Verkauf stehe. «Wir hatten schon länger ein solches Objekt gesucht», erzählt Lucia. Gemeinsam mit zwei weiteren Elternpaaren kauften sie und ihr Mann das leer stehende Gebäude. «Alleine hätten wir es niemals finanzieren können.» Jede Partei baute ihren Bereich individuell um.

 «Mein Mann plante unser Zuhause in einem Schuhkarton.»

Lucia Marchettini

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«Mein Mann plante unser Zuhause in einem Schuhkarton», sagt Lucia und lacht. Er klebte in die Schachtel Wände, Zwischenböden und Podeste ein. «Und genauso sieht es heute aus», freut sie sich. Der Umbau der Fabrikhalle dauerte ungefähr ein Jahr. Heute besteht die Wohnung aus fünf abgetrennten Zimmern und einem grossen, offenen Wohnbereich. Letzterer erstreckt sich über mehrere Etagen.

Lucias Kinder wollen hier nie weg.

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Als die Familie einzog, waren die beiden Kinder noch klein. Heute sind sie fast Teenager – und lieben ihr Zuhause. Sie verbringen viel Zeit mit den gleichaltrigen Nachbar*innen. «Sie sind wie Geschwister», sagt Lucia. Auch deshalb habe ihr der Nachwuchs verboten, je wegzuziehen. Lucia dagegen träumt manchmal davon, ein Jahr lang im Ausland zu leben – auf Hawaii oder in Neuseeland.

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Lucia und ihr Mann sind viel herumgekommen. Mit dem Nachwuchs waren sie auf einer Weltreise. Fast alle Einrichtungsgegenstände sind deshalb Souvenirs – das grosszügige Daybed stammt aus Bali, die Kommode aus Hongkong.

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Die Möbelstücke stammen aus aller Welt.

Manchmal fahren die Eheleute aber auch extra für Möbel los. So zum Beispiel auch, als Lucia im Internet ein rares Sofa in Verona entdeckt hatte. Ihr liebstes Stück stammt jedoch von einem Vintage-Händler im Niederdorf: «Ich weiss gar nicht genau, was es ist», rätselt Lucia. Sie nutzt den Schaukasten mit den ausgestopften Waldtieren als Ablagefläche. «Mein Mann war von dem Stück schon sehr überrascht», erzählt sie.

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Lucia begeistert sich für Interior Design. «Ich hätte eigentlich auch Innenarchitektin werden können», sagt sie. Stattdessen führt sie gemeinsam mit einer Freundin am Neumarkt den Zirkuss. Für die Boutique hat Lucia einst eine Möbelserie entworfen. Eine weitere ist aber nicht geplant – dafür fehlt Lucia momentan die Zeit. «Vielleicht, wenn die Kinder grösser sind?»

Auf der Terrasse spielt sich das nachbarschaftliche Leben ab.

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Früher hat Lucia in den Kreisen 4 und 5 gelebt. Manchmal vermisst sie das urbane Leben. «Wollishofen ist halt sehr verschlafen», erklärt sie. Doch die gebürtige Italienerin hat hier gefunden, was sie zuvor in Zürich vermisst hatte: den Schwatz auf der Strasse, das nachbarschaftliche Zusammenleben, den Austausch. «In Zürich gehen die meisten Leute strikt von A nach B», so Lucia. «In Italien wird dagegen stehen geblieben und geplaudert.»

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Immer wieder treffen sich die befreundeten Nachbar*innen auf der gemeinsamen Terrasse – manchmal verabredet, oft auch spontan. Dieses lockere Zusammensein erinnert sie an ihre Heimat. «Es ist ein mediterranes Lebensgefühl.» Selbst im Winter: Dann halten sich die Freund*innen mit Tee warm.

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