«Das Haus überrascht uns immer wieder»
In Witikon steht die Villa, die der Zürcher Architekt Justus Dahinden einst für seine Familie gebaut hat. Jetzt leben Marco Bakker und Dorothee Messmer darin. Das Ehepaar schätzt die durchdachte 70er-Jahre-Architektur – und die Lage am Stadtrand. Doch lange können Marco und Dorothee die Villa nicht mehr geniessen.
Kienastenwies ist die Endhaltestelle der Buslinie 31. Hier am Stadtrand stehen ein grosses Altersheim und recht gewöhnliche Neubausiedlungen. Doch in Witikon gibt es auch ein Gebäude, das Architekturfans begeistert: die Villa Dahinden am Kienastenwiesweg. Als sie am letzten «Open House Day» öffentlich zu besichtigen war, strömten über 1000 Interessierte hierher. «Damit haben wir nicht gerechnet», erzählt Marco Bakker. Er lebt seit zwei Jahren mit seiner Frau Dorothee Messmer und dem Terrier Moritz in der Villa.
Dass es wirklich eines Tages einziehen würde, hat das Paar aber nicht gedacht.
Bis zu Marcos und Dorothees Einzug hat der Zürcher Architekt Justus Dahinden darin gelebt. 1972 hatte er die Villa für seine fünfköpfige Familie gebaut. Als Inspiration diente ihm möglicherweise das legendäre «Falling Water House» von Frank Lloyd Wright. So entstand in Witikon ein mehrfach gestuftes Wohnhaus, das eng mit der Terrasse und dem Pool verbunden ist. Im Erdgeschoss befinden sich die Schlafräume für die Kinder, im Obergeschoss die Küche, das Elternschlafzimmer sowie ein grosser Wohnbereich.
«Das Haus hat wirklich alles, was man braucht.»
Dorothee Messmer
«Die Villa ist auf Besuch ausgelegt», erklärt Marco. So finden auf der Sitzlandschaft vor dem offenen Kamin – «das Lagerfeuer», nennt Marco es – zehn Leute Platz. Doch auch der Aussenbereich ist grosszügig. «Ich stelle mir immer vor, wie hier im Sommer die Frauen in wallenden Kleidern Cocktails getrunken haben», erzählt Dorothee. Sie ist die Direktorin des Kunstmuseums Olten. Marco arbeitet als Architekt und unterrichtet Entwurf an der EPF in Lausanne.
Die Eheleute wurden bereits vor einigen Jahren auf die Villa Dahinden aufmerksam: Ihre Hundesitterin lebt in der Nachbarschaft. «Irgendwann sagten wir mal nebenbei, dass wir an dem Haus interessiert wären», so das Paar. Dass es wirklich eines Tages einziehen würde, hat es aber nicht gedacht. Doch 2017 konnten Dorothee und Marco einen befristeten Mietvertrag unterschreiben.
Dorothee erinnert sich: «Es war, als würden wir in ein Hotel einziehen.» Denn sie und Marco nahmen nur wenige Möbel mit, darunter einen Esstisch und den Lounge Chair von Eames. «Ein solches Modell stand bereits in der Stube, als Justus Dahinden noch hier wohnte.» Neu ist jedoch der TV. Diesen zu platzieren, war eine Herausforderung. «In den 70er-Jahren war es Mode, im Bett fernzusehen», so Dorothee. Deshalb war im Wohnbereich kein Platz für das Gerät eingeplant. «Aber sonst hat das Haus wirklich alles, was man braucht», fügt sie an.
In der Villa dominieren 70er-Jahre-Töne: Es gibt viel Beige, Braun und Orange.
Dorothee sei immer wieder überrascht von der durchdachten Architektur – selbst bei Kleinigkeiten wie der Badbeleuchtung oder der Geschirrschublade. Einzig die Küche sei etwas klein: «Sie ist auf eine einzelne Hausfrau ausgelegt.» Die restlichen Räume seien zwar ausgefallen, doch wunderbar zu bewohnen, findet Marco. Renoviert wurde das Haus noch nie. Das liegt auch daran, dass Justus Dahinden beim Bau nur die hochwertigsten Materialien verwenden liess. Einzig die Elektrogeräte in der Küche sind ausgetauscht worden.
Justus Dahinden liess beim Bau nur die hochwertigsten Materialien verwenden.
«Das Haus bietet noch immer einen Überraschungseffekt», so Marco. Wer es durch den Haupteingang im Parterre betritt, ahnt noch nichts vom grosszügigen Obergeschoss. Im unteren Geschoss sind die Räume kleiner, die Farben dunkler. Überhaupt dominieren im Haus die 70er-Jahre-Töne: Es gibt viel Beige, Braun und Orange. «Die Farbgebung ist sehr eigen», sagt Dorothee. Schliesslich sei man es inzwischen – vor allem in Mietobjekten – gewohnt, die Wände in Weiss zu halten.
Zuvor lebten Dorothee und Marco in einer Atelierwohnung an der Hönggerstrasse in Wipkingen. «Da war es zürcherisch-anonym», erzählt Dorothee. Witikon dagegen sei «Grüeziland». Die Stadt scheint weit weg – und ist doch rasch erreichbar. «Ich schätze die Lage sehr», sagt sie. Unter anderem auch wegen des nahen Waldes, in dem das Paar oft mit Hund Moritz spazieren geht.
Ende Jahr ziehen Dorothee und Marco aus. Dann wird die Villa verkauft. «Die neuen Besitzer sollen das Haus schätzen – es ist wirklich eine Skulptur», so Marco. Er und seine Frau werden in Zürich nur noch eine kleine Zweitwohnung haben.
Die meiste Zeit wird das Paar in einem umgebauten 60er-Jahre-Haus in Niedergösgen wohnen. «Es ähnelt aber überhaupt nicht der Villa Dahinden», fügt Dorothee hinzu. Doch der Bodenbelag wird die Eheleute täglich an die Zeit in Witikon erinnern: Sie haben sich bei ihrem neuen Zuhause für einen Langflor-Spannteppich entschieden, wie er in der Villa Dahinden verlegt ist. Dorothee schwärmt: «Wenn ich darüber gehe, fühle ich mich wie auf Wolken.»
Adresse
Haus Dahinden
Kienastenwiesweg 41
8053 Zürich