Filmpodium
Steffi Riebe ist Operateurin im Filmpodium. Sie sorgt dafür, dass das Publikum ohne Unterbrüche Klassiker geniessen kann.
Wer es gern analog mag, sollte das Filmpodium zum persönlichen Hotspot machen. In keinem anderen Zürcher Kino kann man mehr analog projizierte Filme sehen. Das führt manchmal zu Filmrissen, die Steffi Riebe rasch beheben kann.
«Wir bitten um Entschuldigung. Der Film ist gerissen. Aber es geht in wenigen Minuten weiter.» Das ist keine Erinnerung an alte Zeiten, sondern ein Erlebnis vor wenigen Wochen im Filmpodium. Niemand im Publikum regte sich auf. Im Gegenteil, man unterhielt sich amüsiert mit wildfremden Sitznachbarn über das seltene Ereignis in dieser digitalen Welt. In Zürich sind nämlich nur noch die Kinos Xenix, Uto und Filmpodium mit analogen Projektoren ausgerüstet. «Ein Filmriss kann in fünf Minuten behoben werden», meint Operateurin Steffi Riebe. «Bei ernsthaften Problemen mit einem Digitalprojektor dauert es wesentlich länger.»
Denn das Filmpodium ist kein konventionelles Kino, sondern ein Programmkino.
Das Filmpodium zeigt rund 350 verschiedene Filme pro Jahr. Das sind mehr als alle anderen Stadtzürcher Kinos zusammen. Denn das Filmpodium ist kein konventionelles Kino, sondern ein Programmkino. Es lockt das Publikum weder mit den neusten Hollywood-Blockbustern noch mit Popcorn, sondern mit alten Filmperlen. Diese sind oftmals nicht auf DVD erhältlich oder auf einer Streaming-Plattform abrufbar.
Diese Programme zusammenzustellen, erfordert einen hohen Aufwand. Für eine Billy-Wilder-Retrospektive kamen beispielsweise die 32 Filme aus 15 verschiedenen europäischen Archiven. Filmpodium-Leiterin Corinne Siegrist-Oboussier erklärt: «Dass so etwas nicht gewinnbringend funktioniert, versteht sich. Bereits die Recherche ist sehr zeitintensiv.»
Betreiberin des Filmpodiums ist nicht, wie man erwarten würde, ein subventionierter Verein, sondern die Stadt Zürich selbst. Das kam 1986 nach einer dreijährigen Versuchsphase und einer Volksabstimmung zustande. In der Schweizer Kinolandschaft ist das einmalig.
Im Vorführraum, den man über den Innenhof erreicht, stapeln sich Kartonschachteln mit Filmrollen. «Mittlerweile verlangen viele Archive, dass man die Filme im Einzelakt vorführt», erzählt Steffi Riebe. «Das heisst, man hat nicht zwei Filmspulen mit je einer Hälfte des Films, sondern fünf bis fünfzehn. Wir dürfen diese Teile nicht mehr zusammenkleben, sondern müssen quasi wie ein DJ Akt für Akt abspielen und regelmässig überblenden.»
Wenn die Projektoren laufen, wird es im Vorführraum laut und heiss.
Wenn die Projektoren laufen, wird es im Vorführraum laut und heiss. Im Filmpodium stehen zwei 16mm- und zwei 35mm-Projektoren neben einem Digitalprojektor, der alles spielt, was Pixel hat, und einem Beamer, der für separate Untertitel-Einblendungen benutzt wird. Denn gerade digitale Kopien von alten Filmen sind immer häufiger nur noch ohne Untertitel erhältlich.
«Früher bekamen wir in der Regel von der Cinémathèque Suisse Filmkopien mit deutschen und französischen Untertiteln», erläutert Corinne. «Aber weil die Cinémathèque Filme, die älter als 40 Jahre sind, nicht mehr zur Verfügung stellt, solange sie noch nicht digitalisiert sind, müssen wir die Kopien im Ausland bestellen. Und die sind eben noch nicht auf Deutsch untertitelt.»
Die 263 Schalensitze knarren zwischendurch auch einmal.
Nicht nur der Arbeitsalltag des Personals im Filmpodium unterscheidet sich stark von jenem in konventionellen Kinos, sondern auch das Erlebnis des Publikums. Stammgäste wissen, wer mitten vor der Leinwand sitzen will, darf sich nicht in die Mitte der Sitzreihen setzen. Denn nur links hat man einen zentralen Blick auf die Leinwand. Das liegt am asymmetrischen Saal des ehemaligen Kinos Studio 4. Und die 263 Schalensitze knarren zwischendurch auch einmal. Der denkmalgeschützte Saal mit seinem psychedelischen Design ist wirklich wie ein Tor in eine andere Welt.
Der Altersdurchschnitt des Publikums liegt bei über 50. «Nicht mal Filmstudenten finden den Weg ins Filmpodium», bedauert Corinne. Eigentlich unverständlich. Heutzutage, da Vintage und Retro, Vinyl und Polaroid voll im Trend sind, müsste ein Kino wie das Filmpodium doch auch bei den Jungen Kult sein.