Odeon
Kurt Wodiczka ist Gastgeber in der vermutlich legendärsten Café-Bar der Stadt: Im Odeon trank bereits James Joyce seinen Kaffee.
Die berühmte Café-Bar am Bellevue war das erste Zürcher Lokal, das Champagner im Offenausschank anbot – und erfand damit das «Cüpli». Neben illustren Stammgästen aus Kunst und Kultur zeichnet das Wiener Kaffeehaus vor allem die wunderschöne Jugendstil-Einrichtung aus, die seit der Eröffnung vor mehr als 100 Jahren im Original erhalten ist. Hier zelebriert Kurt Wodiczka die alte Barkultur und das klassische Gastgebertum.
Marmor, Gold und verspiegelte Flächen: Betritt man das Odeon am Bellevue, fühlt man sich zuerst wie in der Zeit zurückversetzt. Auf dem Bartresen liegen Zeitungen bereit, man könnte sich auf den ersten Blick in einem Pariser Café der 20er-Jahre wähnen. Eigentlich ist das Odeon jedoch einem klassischen Wiener Kaffeehaus nachempfunden. Erst kürzlich wurde es sogar offiziell in den Klub der Wiener Kaffeehäuser aufgenommen – eine Ehre, die bisher nur einem weiteren Café ausserhalb von Österreich zuteilwurde.
Die kosmopolitische Atmosphäre der Café-Bar zog schon in den Tagen ihrer Eröffnung und bis heute die Künstlerszene an: Unzählige Schriftsteller, Dichter, Musiker und Maler verkehrten regelmässig im Odeon – darunter Sophie Taeuber, Kurt Tucholsky, Emmy Hennings, Erich Maria Remarque oder auch James Joyce, in dessen Werken öfters Zürcher Strassen und Personen verschlüsselt auftauchen.
«Wir setzen auf Atmosphäre und Stil, statt uns in Trends zu verlaufen.»
Auch heute sitzen immer wieder berühmte Persönlichkeiten im Lokal – besonders während Events wie dem Zurich Film Festival. Viele Schauspieler oder Drehbuchautoren wollen wegen seiner Geschichtsträchtigkeit gezielt im Odeon die Interviews führen, erklärt Kurt Wodiczka, Gastgeber im Odeon. Das Personal verhält sich jeweils äusserst diskret, wie Kurt erklärt: «Wir behandeln und bedienen alle gleich.»
«Schweizer Fleisch und lokale Produzenten sind für uns selbstverständlich.»
Bei solchen Geschichten ist es fast nicht zu glauben, dass es die Café-Bar nur dank eines Zufalls gibt: Der Kaufmann und Oberst Julius Uster ging nämlich während des Baus des Gebäudes, mit dem 1910 begonnen wurden, pleite. Dann gewann er jedoch in der spanischen Lotterie und stellte ihn doch noch fertig. Dank des unverhofften Geldsegens konnte Uster auch den noch heute erhaltenen, wunderschönen rötlichen Marmor verwenden und das Odeon ein Jahr später eröffnen.
In den 70er-Jahren wurde das Lokal zum Treffpunkt der Studierendenbewegung. Wegen des wachsenden Einflusses der Drogenszene – das Bellevue war ein bekannter Umschlagplatz – wurde es heruntergewirtschaftet und bei Krawallen so weit beschädigt, dass es 1972 schliessen musste. Bei der Wiedereröffnung wurde die Fläche zwecks besserer Überschaubarkeit und Kontrolle auf einen Drittel reduziert. Im anderen Teil zog zuerst eine Boutique ein und anschliessend die Odeon Apotheke, die immer noch dort beheimatet ist.
«Wir sind ein Ort für alle. Leute in Anzügen sind nicht wichtiger als solche in kurzen Hosen.»
Während seiner bewegten Geschichte hat sich das Odeon immer wieder an die aktuellen Bedürfnisse der Gäste angepasst, ohne seinen Charakter zu verlieren: «Wir setzen auf Atmosphäre und Stil, statt uns in Trends zu verlaufen», erklärt Kurt. Showmässig gemixte Drinks oder fancy Superfood findet man im Odeon bis heute nicht.
So serviert der hauseigene Wiener Koch unter anderem authentische Apfelstrudel und hausgemachte Knödel wie in Österreich. Bei den Zutaten wird auf höchste Qualität geachtet: «Schweizer Fleisch und lokale Produzenten sind für uns so selbstverständlich wie der Verzicht auf Grosshändlerkaffee», sagt Kurt.
Und dank langen Öffnungszeiten spricht die Café-Bar die verschiedensten Leute an, sei es zum ausgiebigen Frühstück, zum Business-Lunch, zum nachmittäglichen Kaffee-und-Kuchen-Plausch oder zum Apéro und Abendessen. «Wir sind ein Ort für alle. Leute in Anzügen sind nicht wichtiger als solche in kurzen Hosen», sagt Kurt.
Adresse
Odeon
Limmatquai 2
8001 Zürich
+41 44 251 16 50
Website
Öffnungszeiten
Montag bis Donnerstag, 7–24 Uhr
Freitag, 7–2 Uhr
Samstag, 9–2 Uhr
Sonntag, 9–24 Uhr