Sihl Records
Andreas Müller betreibt mit Sihl Records den vermutlich erfolgreichsten Plattenladen Zürichs – ganz ohne Laufkundschaft.
Andreas Müller ist DJ, Labelgründer und Ladenbesitzer: Sihl Records ist halb Bistro, halb Plattenboutique. Hier finden sich die neusten Releases und die wertvollsten Trouvaillen. Das lockt nicht nur lokale DJs an.
«Laufkundschaft haben Sie hier aber keine», wurde Andreas Müller alias DJ Andreas Ramos von seinem Vermieter gewarnt, als er Sihl Records eröffnete: «Ich habe genickt und gesagt: ‹Ja, das ist eben genau das, was ich will.›»
Dass Andreas auf den «random dude», der reinkommt und sagt: «Aha, Platten, gibt’s das noch?» verzichten kann, ja bewusst verzichten will, hat auch mit seinem eigenen Anspruch zu tun: «Dass ein Plattenladen in unserer heutigen Zeit gut läuft, dafür muss er gut daherkommen, gut ausschauen, gut sortiert und gut kuratiert sein.»
Wer Andreas lieb fragt, darf seine Platten über die grosse Anlage hören – und mixen. Daraus entstanden sind die kultigen In-Store Sessions.
Das ist Sihl Records: halb Bistro, halb Plattenboutique. Die schönsten Covers hängen farblich aufeinander abgestimmt an der Wand, die neuen Releases stehen im verwinkelten Schuppen an den Ecken, die Trouvaillen unten am Boden. Vier Abhörstationen mit brandneuen Turntables und erstklassigen DJ-Kopfhörern sorgen für gehobenes Ambiente.
Wer Andreas lieb fragt, darf seine Platten über die grosse Anlage hören – und mixen. Daraus entstanden sind die kultigen In-Store Sessions, an denen Local Heroes, aber immer öfter auch namhafte DJ-Gäste von ausserhalb auftreten und die via Videostream in die Wohnungen der Sihl Community übertragen werden. Fünf Jahre hat Andreas, der zielstrebige Macher, seine Gagen dafür gespart.
An der Martastrasse 114, wo der Zürcher DJ und Vinyl-Liebhaber seinen verwinkelten Laden betreibt, geben sich Szenegrössen die Klinke in die Hand.
Ein Plattenladen nur für Musik-Kenner und Vinyl-Aficionados hörte sich 2016 noch ambitioniert an, ist nun aber Tatsache geworden: An der Martastrasse 114, wo der Zürcher DJ und Vinyl-Liebhaber seinen verwinkelten Laden betreibt, geben sich laufend eigens angereiste Szenegrössen die Klinke in die Hand.
Da ist der junge, hippe Rookie auf der Suche nach den Clubhits vom letzten Partyweekend. Der Stil-Nerd mit trockenem Humor, der lapidare Sprüche klopft, seine Hosenträger richtet und sich bei einem Bier mental auf seine Tour durch den Balkan vorbereitet. Die erfahrene Radiofrau, die selber einst einen Plattenladen betrieben hat. Der Nachbar, ein altgedienter Zürcher Label-Macher, der hier seinen Veloladen betreibt und abends an der In-Store Session spielt.
325
Platten hat Andreas diese Woche bestellt: «Rekord!»
Und allen serviert Andreas, der für die Eröffnung seines Ladens extra noch eine Zusatzausbildung als Barista absolviert hat, gratis Kaffee. Denn Andreas sieht Sihl Records nicht in erster Linie als Geschäft, sondern vielmehr «als Community, als eine Art Treffpunkt aller, denen Clubsound etwas bedeutet». Eine Wiediker Talentschmiede also, ein «Creative Music Hub».
Dazu gehört auch, dass einige seiner Stammkunden den Laden wie eine Art erweitertes Wohnzimmer betrachten, sich an Bestellungen beteiligen und hier gerne abhängen kommen. «Zum Andi go digge» hat sich als geflügeltes Wort etabliert. Das kann durchaus dauern: «Der längste Besucher blieb mal eine ganze Schicht lang», lacht er: «Ich nehme das als Kompliment.»
Früher jobbte er noch beim Elektrizitätswerk. Inzwischen kann Andreas von Sihl Records leben.
Dass Andreas inzwischen von Sihl Records leben kann, liegt an seinem guten Businessplan. Früher jobbte er noch beim Elektrizitätswerk Zürich. Nun, in seinem 30. Lebensjahr, hat sich der Electro-, Techno-, House- und Ambient-Liebhaber seinen Traum verwirklicht, Schritt für Schritt. 325 Platten habe er diese Woche bestellt, freut sich Andreas: «Rekord!»
Der nächste Schritt also: das Label. Bereits vor dem Release kaufte jeder, der bei Andi ein- und ausging, das schwarze T-Shirt mit dem Aufdruck «Sihl Records». Die erste hauseigene Platte erschien Anfang 2019.
«In meinem Kopf kämpfen immer viele Anekdoten um den Entscheid, welche als nächste dran ist.»
Inhaltlich ist das Vinyl-Label Sihl Records in eine White- und eine Black-Reihe geteilt, wobei Ramos und sein Kollege Look Like die housigere White-Edition und DJ-Künstler Nicola Kazimir aus der Zukunft die dunklere Spielart des Schweizer Techno-Sounds kuratiert.
Andreas, der Gesprächige, in dessen Kopf «immer viele Anekdoten um den Entscheid kämpfen, welche als nächste dran ist», scheint als DJ, Label-Gründer und Ladenbesitzer stets mühelos den perfekten Fluss zu finden – genauso wie die Namensgeberin seines kleinen Paradieses, die Sihl.