Uhren Atelier Rindermarkt
Theodor Wachtel ist der Inhaber des Uhrengeschäfts, in dem die Zeit langsamer läuft.
Wer eine Uhr kaufen will, der ist in Zürichs Innenstadt schon mal richtig. Wer aber nicht nur irgendeine Uhr, sondern genau die richtige sucht, kann die schicken Boutiquen an der Bahnhofstrasse getrost hinter sich lassen – denn im Niederdorf hat ein Kenner garantiert noch einen Tipp parat, der über die gängigen Luxusmarken hinausgeht.
Theodor Wachtel weiss, worum es beim Verkaufen geht. Mir gegenüber sitzt ein Mann, dem es wichtig ist, dass eine Uhr wirklich zu einem Menschen passt. «Es kann durchaus auch einmal vorkommen, dass ich jemandem vom Kauf eines teuren Markenstücks abrate», erzählt Wachtel. Das wirkt vor allem in einer Branche, in dem das Credo «Je teurer, desto besser» gilt, erfrischend authentisch.
Wachtel weiss um den Stellenwert einer Uhr als Statussymbol – und kämpft sachte, aber bestimmt dagegen an. Als wir uns zum Gespräch treffen, betritt bald ein Herr mittleren Alters das Geschäft und wünscht eine Beratung. Er möchte seinem Sohn zum 18. Geburtstag eine Uhr schenken. Etwas «Rechtes» soll’s sein, ihm schwebe eine Rolex oder eine Omega vor.
«Einem 18-jährigen Burschen würde ich halt empfehlen, etwas kleiner als mit einer Omega anzufangen.»
Wachtel, ein gut aussehender Mann, die oberen Hemdknöpfe offen, grinst – eben so, als kenne er genau diesen Typ Käufer. «Es ist meine Aufgabe, zu beraten. Eine Uhr muss zu ihrem Träger passen. Und einem 18-jährigen Burschen würde ich halt empfehlen, etwas kleiner anzufangen.» Wachtel nimmt sich die Zeit, dem Vater des Geburtstagskindes die Rolex und Omegas vorzuführen. Zwischendurch weist er immer wieder geschickt auf andere, auf den ersten Blick nicht ganz so prestigeträchtige Modelle hin.
Im Uhren Atelier, das Wachtel vor 23 Jahren mit einem Freund eröffnete, herrscht geordnetes Chaos. Neben der klassischen Mondaine-Bahnhofsuhr im Taschenformat glitzert eine goldene Audemars Piguet. In einer Ecke des Ladens hängen Kuckucksuhren. «Die würde ich aber nicht hier kaufen, da gibt’s andere Geschäfte, die darauf spezialisiert sind.» Wachtels Ehrlichkeit und sein ungeheures Fachwissen imponieren mir. Sein Laden hat wenig mit den schicken Boutiquen an der Bahnhofstrasse gemein, nur einige Gehminuten entfernt vom Uhren Atelier. Bei Wachtel bittet kein Concierge in den Laden und nimmt dir den nassen Schirm ab.
Im Uhren Atelier bittet Theodor Wachtel um Geduld. «Eine Uhr zu kaufen ist wie wenn man sich ein neues Auto anschafft – man schaut sie sich an und überlegt.» Und dann käme man vielleicht irgendwann wieder und schaue sich das Schmuckstück noch einmal an. «Und mit der nötigen Geduld eben wird man das Richtige finden.» Einen grossen Unterschied zum Auto gibt es allerdings: «Das Auto braucht irgendwann neue Stossdämpfer, verliert an Wert – eine Uhr ist, wenn man sie richtig behandelt, für immer.»
Für mich als Zürcher verkommt die Bahnhofstrasse doch immer mehr zur Massenabfertigung für Luxusgüter.
Geduld ist das Wort, das an diesem frühen Abend immer wieder fällt. Theodor Wachtel ist darin geübt. Lange musste der Auktionator aus dem deutschen Mannheim warten, bis er ein Ladenlokal fand, in dem er 1994 gemeinsam mit seinem Kollegen Anton Beal, der auch heute noch beteiligt ist, sein Hobby zum Beruf machen konnte. Das Zürcher Niederdorf passt mit seinen Charakteren zum Uhren Atelier, ganz besonders zu Theodor Wachtel. Hier läuft die Zeit noch etwas langsamer, etwas gemächlicher als an der umtriebigen Bahnhofstrasse, die für mich als Zürcher doch immer mehr zur Massenabfertigung für Luxusgüter verkommt.
Sogar die grosse Liebe kann man am Rindermarkt finden – Theodor Wachtel ist das beste Beispiel dafür, er trägt sie am Handgelenk. Sie hört auf den Namen Aquanaut und stammt aus den Hause Patek Philippe. Prestigeträchtig, ja. Aber Theodor Wachtel war keineswegs voreilig bei der Wahl seiner Liebsten. Und ja, vielleicht gibt’s daneben noch die eine oder andere Liebschaft. Und ich? Als ich den Laden verlasse, bleibe ich kurz vor dem Schaufenster mit den Uhren, die mir den Kopf verdrehen, stehen. «Aber zuerst bitte richtig kennenlernen», würde Wachtel wahrscheinlich sagen.
Adresse
Uhren Atelier Rindermarkt
Rindermarkt 21
8001 Zürich
+41 44 262 60 90
Website
Öffnungszeiten
Dienstag bis Mittwoch, 11–17.40 Uhr
Donnerstag bis Freitag, 11–18 Uhr
Samstag, 11–16 Uhr