Stadt & Geschichte | Bauten im Wandel

Toni-Areal: Joghurt-Fabrik, Partytempel – und nun ein Campus

Text: Ueli Abt Fotos: Baugeschichtliches Archiv ETH

Sie war einst mit Stolz die grösste Milchverarbeitungsanlage Europas und hatte in den 70er-Jahren sogar royalen Besuch: die Toni-Molkerei. Später wurde das Industriegelände zur angesagten Event Location und damit wohl auch zur Bühne für so manche Party-Queen. Heute gehen auf dem Toni-Areal Kunststudierende ein und aus.

Mitten in der Stadt Zürich wurde einst das landwirtschaftliche Erzeugnis par excellence im grossen Stil verarbeitet: Milch. Bis zu einer Million Liter lieferten die Lastwagen an – pro Tag. Daraus wurde unter anderem Toni-Joghurt hergestellt. Bekannt war es als «das im Glas», denn witzige Werbekampagnen in den 80er-Jahren machten es bekannt und populär. Zum Erfolg des Stadtzürcher Joghurts dürfte auch beigetragen haben, dass es ein Produkt mit idealistischem Mehrwert war: Toni-Joghurt bedeutete Recycling. Das damals kaffeerahmflaschenbraune Glas spülte man aus und brachte es in den Laden zurück. Toni-Joghurt wurde damit zu so etwas wie heute der Mehrweg-Behälter für Take-away oder der Stoffbeutel für den Früchte-Offenverkauf im Supermarkt.

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Heute warnt die Klimabewegung: Es gibt keinen Planet B. In den 80er-Jahren hiess es noch: Der Wald stirbt. Und auch der Ölschock der 70er-Jahre dürfte das Bewusstsein dafür geweckt haben, dass Rohstoffe nicht unbegrenzt verfügbar sein könnten. Mehrwegglas statt Plastikbecher – dies passte entsprechend gut zum neuen Umweltbewusstsein der Schweizer*innen. Auf dem Gelände der Toni-Molkerei an der Hardturmstrasse gab es eine gigantische Waschanlage. Hier wurden die gebrauchten braunen Toni-Gläser aus allen Ecken der Schweiz in Lastwagen angeliefert und gründlich ausgespült, ehe sie mit frischem Joghurt gefüllt zurück in die Supermarkt-Kühlregale gelangten.

Kostenpunkt inklusive Maschinen: 173 Millionen Franken.

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Ihren Betrieb aufgenommen hatte die Toni-Molkerei 1977. Nebst Joghurt produzierte der damals grösste europäische Milchverarbeitungsbetrieb Butter, Rahm, Käse, Glace und Milchpulver. 75’000 Kubikmeter Beton und 12’000 Tonnen Stahl wurden für die Gebäudehülle verbaut. Kostenpunkt inklusive Maschinen: 173 Millionen Franken. Eine Zeit lang genoss der stolze Industriegigant europaweite Aufmerksamkeit. 1979 besichtigte sogar kein Geringerer als Prinz Charles den Betrieb. Doch die glanzvollen Zeiten währten nicht endlos: Gut 20 Jahre später standen die Maschinen in der Toni-Molkerei still. Der Anfang vom Ende ging einher mit Veränderungen des gesamten Milchmarktes: In den 90er-Jahren hatten sich regionale Milchverbände zu neuen Molkerei-Unternehmen zusammengeschlossen. Toni und Säntis fusionierten zur Swiss Dairy Food AG, die nach einigen Jahren mit Defizit liquidiert werden musste. «Die Flucht in die Grösse verstärkte die hausgemachten Probleme, statt sie zu lindern», bilanzierte 2002 die «NZZ».

Zu wenige der Gläser gelangten in die Molkerei an der Hardturmstrasse zurück.

Auch die an sich schöne Idee des Joghurt-Mehrwegglases war nicht aufgegangen. Längst hatten Kritiker*innen moniert, das sei doch nur ein Marketingtrick und die Ökobilanz sei mitnichten besser als jene von Joghurts mit Wegwerfverpackung. Das Mehrwegglas scheiterte aus wirtschaftlichen Gründen beziehungsweise an der Disziplin der Konsument*innen: Zu wenige Gläser gelangten in die Molkerei an der Hardturmstrasse zurück. Und die Reinigung der zurückgeschickten Gläser war enorm aufwendig. Nach dem Aus der Molkerei übernahm die Zürcher Kantonalbank das Areal. Die Bank hatte zuerst geplant, hier einen Bürokomplex zu errichten. Aufgrund des damaligen Überangebots an Büroräumen liess man dies dann aber doch bleiben.

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Auch der Club war ein sterbender Saurier.

So gab die Bank das Areal zunächst zur kulturellen Zwischennutzung frei. Daraus ergab sich ein neuer Impuls fürs Zürcher Nachtleben: Auf dem Gelände gingen Clubs wie das Rohstofflager, die Toni-Molkerei und die Dachkantine auf. Es gab ausserdem Events wie etwa das Festival World@Zürich, die Kunstausstellung der Stadt Zürich und sogar Sportanlässe – Beach Volleyball und Skating. Doch nachdem bereits der Milchverarbeitungsbetrieb der Toni-Molkerei aus wirtschaftlichen Gründen ein Ende gefunden hatte, ging es nun auch der Toni-Molkerei – dem Club – nach einer Weile schlecht. Wie früher der Gigant Swiss Dairy Food ein sterbender Saurier war, so war auch der Club mit einer Kapazität von 1000 Personen zu gross für einen wirtschaftlichen Betrieb.

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2005 fiel der Entscheid, dass auf dem Toni-Areal ein Campus für die Zürcher Fachhochschule entstehen sollte. Einige juristische Auseinandersetzungen sorgten zwar für Verzögerungen, doch Anfang 2011 begann der Umbau. Auf dem Gelände entstand nebst dem Campus ein Wohnturm mit 90 Wohnungen auf 22 Stockwerken. Heute befinden sich auf dem Toni-Areal die Zürcher Hochschule der Künste und Teile der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Der stolze Molkereibetrieb von einst existiert also nur noch dem Namen nach. Doch das Toni-Joghurt gibt es bis heute. Nur, dass das Joghurt nicht mehr an der Limmat, sondern an der Kleinen Emme ins Glas kommt: Die Marke gehört inzwischen der börsenkotierten Emmi AG in Luzern. Auch die Aufmachung und Verpackung haben sich etwas verändert. Mitgestaltet haben diese übrigens – Studierende der ZHdK.

Adresse

Toni Areal
Pfingstweidstrasse 96
8005 Zürich