Endstation | Stadt & Geschichte
Endstation Albisgütli – wo nicht nur Knaben schiessen
Das Tram 13 fährt bis zum Albisgütli. Das gleichnamige Gasthaus mit Festsaal ist ein architektonisches Kursiosum. Von der Kanzel aus im Gebäude mit dem Türmchen wurden schon Minarette bekämpft.
Fussgänger:innen müssen in der Nähe der Endstation Albisgütli zuweilen umkehren. Denn auf dem Weg am Rand der Tram-Wendeschlaufe herrscht manchmal «Schiessgefahr», wie aus einem freilich inzwischen etwas angejahrten Schild am Anfang des Spazierwegs hervorgeht.
Überhaupt dreht sich rund um die Endhaltestelle am Fusse des Üetlibergs vieles um das Waffentraining. Bereits an der vorletzten Station Strassenverkehrsamt erblicken Tramreisende rechter Hand das Restaurant «Schützenruh». Der Schiessstand der Schützengesellschaft Aussersihl unweit der Endstation ist ein schmuckes Häuschen mit blau-weissen Fensterläden, die Schiessanlage Albisgütli ein nüchterner Bau mit Handyantennen und Kasernen-Chic im Stil eines halb- oder ganzstaatlichen Zweckbaus.
Auch drinnen im Albisgütli wird ab und an geschossen – rhetorisch, am Pult auf der Bühne.
Wer im Tram 13 oder 17 bis zur Endstation fährt und aussteigt, dem fällt zunächst aber das Gasthaus Albisgütli mit seinem schloss- oder burgartigen Türmchen auf. Dieses Bauwerk ist ein Kuriosum – das zeigt sich, je länger man es betrachtet. Tramfahrende kommen zunächst an der Rückseite an. Hier ist der Bau halb Bauern-, halb Hinterhof. Rundherum gegangen, und es wird klar: Der ÖV-Fahrgast findet hinten die Vorderseite. Mit seiner grosszügigen und dank Spielplatz kinderfreundlichen Aussichtsterrasse repräsentiert das Lokal am Fuss des Üetlibergs – logisch – stadt- und abwärts.
Aus der Luft betrachtet, zeigen sich die zwei Hauptvolumen des Gebäudes. Da ist zum einen ein schlichter, rechteckiger Bau mit Giebeldach, der an eine Reithalle denken lässt. Daran angebaut sind zwei zusammengesetzte Volumen, eines hoch, eines quer, wie bei einer traditionellen Kirche.
Der Schiessscharten-Balkon am Turm macht allerdings sogleich klar, dass das Albisgütli kein Gotteshaus ist. Und doch wehrt und verteidigt sich hier zuweilen die christlich-abendländische Kultur.
Denn auch drinnen im Albisgütli wird ab und an geschossen – rhetorisch, am Pult auf der Bühne. Im Festsaal mit dem gewissen Scheunen-Charme findet alljährlich die Tagung der Schweizerischen Volkspartei (SVP) statt. «Albisgütli», das ist denn auch ein Synonym für diesen Anlass.
Die Architekten hatten den Auftrag, Stärke, Wehrbereitschaft und Tradition auszudrücken.
Nicht jede:r Bundespräsident:in nimmt die Einladung als Gastredner:in an. Für die Wortführer:innen aus den eigenen Reihen ist der Auftritt ein Heimspiel. Die Politiker:innen anderer Parteien seien nicht in der Lage, die Schweiz aus der Sackgasse zu führen, oder die Schweiz sei von internationalen Übereinkünften eingeschnürt, heisst es dann etwa. Vor Jahren war übrigens unter anderem auch davon die Rede, dass Minarette in der Schweiz zu verbieten seien, wie dies damals eine Volksinitiative forderte.
Was das Türmchen und überhaupt die etwas trutzige Anmutung des Albisgütli betrifft, so hatten die Architekten tatsächlich den Auftrag, Stärke, Wehrbereitschaft und Tradition auszudrücken. Fertig gebaut wurde das Gebäude 1898 nach den Plänen der deutschen Architekten Richard Kuder und Josef Müller. Im gleichen Jahr wurde übrigens auch das Landesmuseum eröffnet – beide Bauten greifen stilistisch auf frühere Zeiten zurück, so wie es zur Zeit des Historismus ab Mitte des 19. Jahrhunderts üblich war.
Mit dem Bau des Gasthauses Albisgütli leistete sich die Schützengesellschaft der Stadt Zürich ein neues gesellschaftliches Zentrum und zog damit an den Fuss des Üetlibergs. Während Jahren zuvor war das Schiessen nicht einfach eine Freizeittätigkeit gewesen, sondern diente wahrhaft der Verteidigung. Schiessübungen der sogenannten Büchsenschützen fanden zuvor auch mitten im Stadtzentrum statt. Der Bau des Hauptbahnhofs führte dazu, dass die Schützen ihren dortigen Schiessplatz aufgeben mussten und sich danach zwischenzeitlich im Sihlhölzli niederliessen.
So beschloss die Schützengesellschaft 1907, die Tramlinie auf eigene Kosten zu verlängern.
Nach eigenen Angaben ist die Schützengesellschaft der Stadt Zürich der älteste Sportschützenverein der Stadt, mit Anfängen in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Bekannter Höhepunkt im Vereinsjahr seit mehr als hundert Jahren: das Knabenschiessen – an diesem sind seit 1991 auch Stadtzürcher Mädchen zugelassen. Für die meisten Menschen ist es hauptsächlich ein Zürcher Herbstfest.
Dass das Albisgütli mittlerweile nicht nur ein Gasthaus und ein Anlass, sondern auch eine Endstation ist, geht übrigens auf die Initiative der Schützen zurück. Nach Angaben der Schützengesellschaft endete die Tramlinie zunächst an der Sihlbrücke. Von dort bis zum Schiessstand mussten die Schützen zu Fuss oder mit der Kutsche eine Strecke von circa zwei Kilometern mit beträchtlicher Höhendifferenz zurücklegen. Die Schützen baten darum, dass die Stadt die Tramlinie bis ins Albisgütli verlängert. Damit stiessen sie aber auf taube Ohren. So beschloss die Schützengesellschaft 1907, die Tramlinie auf eigene Kosten zu verlängern.
Adresse
Albisgüetli
8045 Zürich
Infos
Das 13er-Tram verkehrt ganztägig zwischen Albisgüetli und Frankental. Für diese Strecke benötigt das Tram ungefähr 41 Minuten. Zum Fahrplan gehts hier.