Stadt & Geschichte

Wie sich die Zürcher den Röntgenplatz erkämpften

Text: Lothar Lechner Bazzanella Fotos: Baugeschichtliches Archiv

Einst donnerten täglich 15’000 Autos über den Platz im Kreis 5. Aber dann hatten die Anwohner:innen genug von Lärm und Gestank. Sie forderten, dass der Verkehr umgeleitet wird. Doch die Quartierbewohner:innen stiessen jahrelang auf heftigen Widerstand.

Zwei Kinder hocken mitten auf dem Röntgenplatz und lassen ihre Spielzeugautos über den Boden rollen, während die Mütter sich unterhalten. Nicht weit davon entfernt spielt eine Gruppe Teenager Fussball. In ihrer Nähe steht ein Notbrunnen. 1929 errichtet, zeigt der Brunnen drei musizierende Knaben, die eng zusammengekauert auf dem Sockel sitzen und über den Platz blicken. Es passt perfekt zum ruhigen Ort.

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Doch früher war es hier richtig laut. Denn der Röntgenplatz war einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte des Kreises. Sechs Strassen kreuzten sich hier. Bis zu 15’000 Autos fuhren täglich über den Röntgenplatz. Das ist etwa ein Viertel dessen, was heute jeden Tag über den Bellevueplatz donnert.

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Die Anwohner*innen sehnten sich nach Ruhe.

Ab 1971 setzte sich die Quartierbevölkerung ein, dass die Kreuzung für den Verkehr gesperrt wird. Der polygone Platz, an dem sich unter anderem die Röntgen- und die Josefstrasse kreuzen, sollte für die Einwohner*innen ein Ort der Erholung werden. Über zehn Jahre lang diskutierte sie mit der Politik über das Für und Wider und suchte händeringend nach einer alternativen Lösung.

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Am 27. September 1980, als viele schon nicht mehr an einen eigenen Platz glaubten, kam es zum ersten Röntgenplatzfest. Einen Tag lang wurde die Kreuzung für den Verkehr komplett gesperrt. Neben Diskussionen über eine definitive Verkehrsberuhigung wurde gegessen, getanzt und gefeiert. Das symbolische Fest sollte den Anwohner*innen zeigen, dass ein verkehrsfreier Platz Realität werden kann.

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Das erste Fest zeigte allen, wie schön der Röntgenplatz sein könnte.

Nur drei Tage später und völlig überraschend entschied der Stadtrat, den Röntgenplatz für den Verkehr zu schliessen und diesen anderweitig in das Stadtzentrum umzuleiten. Der verkehrsfreie Platz ohne Lärm, Gestank und Abgase schien entschiedene Sache. Doch es gingen mehrere Rekurse ein. Ganze drei Jahre lang wurde erneut verhandelt, geklagt und debattiert.

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Erst am 3. April 1983 wurde die Kreuzung für den Verkehr dann endgültig gesperrt. Es entstand eine freie Fläche, die in keinem der Zürcher Stadtpläne je vorgesehen war: der Röntgenplatz.

Der Platz ist nach einem Nobelpreisträger benannt.

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Der Name des Platzes kommt von der Röntgenstrasse, die zum Platz führt. Diese wiederum ist nach Wilhelm Conrad Röntgen benannt, der von 1866 bis 1896 an der ETH in Zürich Maschinenbau studierte und 1871 an der Universität Zürich in Physik promovierte. 1895 entdeckte er die nach ihm benannten Röntgenstrahlen und erhielt hierfür den ersten Nobelpreis für Physik.

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Das Röntgenplatzfest findet seit 1980 jährlich – aufgrund der Corona-Pandemie wurde es 2020 abgesagt – statt. Es erinnert an den Einsatz der damaligen Anwohner*innen und soll die Quartierbevölkerung näher zusammenbringen. Neben bekannten Schweizer Musiker*innen treten immer auch wieder internationale Bands und Sänger*innen auf, wie etwa Edoardo Bennato oder Habib Koité. Auch deshalb lockt das Fest mittlerweile nicht mehr nur Kreisbewohner*innen an.

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Das Sommerkino am Röntgenplatz gehört seit 1985 zu den kulturellen Eckdaten im Quartier. Hier tummeln sich an den Sommerabenden oft Hunderte von Menschen und geniessen den für Kinder gedachten Trickfilm im Vorprogramm oder den anschliessenden Filmklassiker.

Adresse

Röntgenplatz
Röntgenstrasse 56
8005 Zürich