Werdhölzli – Entsorgen, Shoppen und Skaten
Die Tramlinie 17 ist verhältnismässig jung: Sie wurde erst 2011 eröffnet. Ihre Endhaltestelle «Werdhölzli» kennen viele vom Namen her. Denn dort befindet sich der Recyclinghof, eine Kläranlage sowie eine Freestyle-Halle. Doch wieso durfte Justin Bieber nicht rein?
2011 wurde mit der 17 eine neue Tramliniennummer eingeführt – zum ersten Mal seit achtzig Jahren. Die Nummer 16 wurde übersprungen. Laut den VBZ ist sie für eine andere geplante Tramlinie reserviert.
Seither startet die Reise am Albisgütli und führt vom Escher-Wyss-Platz an den Plätzen der Sportanlage Hardhof und der Wasserversorgung Zürich vorbei in das Quartier Grünau
Die Endhaltestelle liegt zwischen Alterswohnungen der Stadt Zürich und dem Recyclinghof Werdhölzli – einem von zwei städtischen Recyclinghöfen. Weiter Richtung Limmat stösst man auf die Kläranlage Werdhölzli. Sie ist die grösste der Schweiz und reinigt das gesamte Abwasser der Stadt sowie einiger anderer Gemeinden. Neben dem Klärwerk befindet sich das Kompostierwerk, in dem aus städtischem Gartenabfall Kompost und Dünger hergestellt wird.
Von der Kläranlage steigen auch schon mal Schwaden um die Häuser. «Das ist Fluch und Segen zugleich.»
Mit diesen städtischen Einrichtungen wirkt die Gegend rund um die Endhaltestelle alles andere als idyllisch. Von der Kläranlage steigen auch schon mal Schwaden um die Häuser. «Das ist Fluch und Segen zugleich», so ein Mann, der in einem nahen Laden arbeitet. Seiner Meinung nach halten die Emissionen die Stadt davon ab, auch dieses Aussenquartier baulich aufzuwerten – und für die jetzigen Bewohner unerschwinglich zu machen.
Hinter einer Anhöhe erstreckt sich erst kaum sichtbar eine Wohnwagenkolonie, der sogenannte Schausteller-Platz. Hier kommen Standbetreiber und Artisten zwischen Sächsi-Lüüte, Züri-Fäscht und anderen festlichen Grossanlässen nach Hause.
Den Anarchisten der «Gruppe Bändlistrasse» widmete sogar der «Spiegel» einen Artikel.
Das Leben beim Werdhölzli spielt sich aber eigentlich fast ausschliesslich an der Bändlistrasse ab: Hier gibt es neben Alterswohnungen und -zentren weitere Siedlungen sowie Schulen und Krippen. In den 1970er-Jahren kam die Polizei in der Bändlistrasse auf die Spur einer Anarchistengruppe, die später nach der Strasse benannt wurde: die «Gruppe Bändlistrasse». Ihr widmete sogar der «Spiegel» einen Artikel.
Willy – hier kennt man sich mit Vornamen – lebt seit Jahren in einem Wohnwagen in der Nähe des Recyclinghofs.
Wer noch mehr über die Geschichte des Quartiers erfahren möchte, trifft am besten Willy. «Willy knows best», meint der Ladenmitarbeiter lachend. Willy – hier kennt man sich mit Vornamen – lebt seit Jahren in einem Wohnwagen in der Nähe des Recyclinghofs. Er erinnert sich an einen ehemaligen Nachbarn, einen Ungarn, der in seinem Trailer Ziegen hielt. Da der Zaun um die Wiese nicht sonderlich hoch war, überwanden sie ihn regelmässig und blockierten die Endhaltestelle für die Trams.
Willy arbeitet seit vielen Jahren auf dem Areal der ehemaligen Bettfederfabrik Meier-Imhof. Er erzählt von riesigen zweistöckigen Wohnwagen, die auf dem Schausteller-Platz stehen, und von einem Wasserrad, das bis zum vierten Stock der Fabrik gereicht habe. Dass es vom Hauser-Kanal – einem der Zürcher Bevölkerung vermutlich gänzlich unbekannten Kanal – angetrieben und von einem Schneckengetriebe und Keilriemen in Bewegung gebracht wurde. Und dass es von der Stadt in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zubetoniert wurde, damit das Haus nicht unter Denkmalschutz fallen würde – seiner Meinung nach.
Heute ist in den Räumlichkeiten der ehemaligen Fabrik die Vereinigung Vertigo zu Hause. Sie setzt sich unter anderem für Zürcher Jugendliche mit besonderem Unterstützungsbedarf ein. Ihnen stellt sie geschützte Ausbildungsplätze in eigenen Betrieben zur Verfügung.
Dazu gehört beispielsweise eine Autowerkstatt oder ein schmucker Laden mit Kleidung und Möbeln: der Onkel Emma. Abseits der emsigen Shoppingmeilen der Stadt lässt sich dort «entschleunigt», wie es Geschäftsführer Daniel Buchschacher nennt, einkaufen.
Neben den Räumlichkeiten von Vertigo steht die Freestyle-Halle. Dort treffen sich seit über zehn Jahren besonders im Winter Skater jeden Alters. Bei einem Aufenthalt in Zürich wollte Justin Bieber die Halle für seinen persönlichen Skate-Spass mieten. Der kanadische Superstar stiess bei den Betreibern jedoch auf taube Ohren.
Auch Skate-Legende Tony Hawk soll bei den Hallenangestellten fast abgeblitzt sein, als er ausserhalb der Öffnungszeiten kam und nicht auf Anhieb erkannt wurde. Er durfte dann rein. Im Vorstand der Freestyle-Halle sitzt in der Person von Romano Mondini übrigens ein 92-jähriger Anwohner – auch er hätte sicher die eine oder andere Anekdote zum Werdhölzli zu erzählen.
Adresse
Werdhölzli
8064 Zürich
Infos
Das 17er-Tram verkehrt ganztägig zwischen dem Hauptbahnhof und Werdhölzli, während der Hauptverkehrszeiten bis ins Albisgütli. Für diese Strecke benötigt das Tram ungefähr 43 Minuten. Zum Fahrplan geht’s hier.