Menschen & Leben

«Ich erklärte Andreas Caminada, wie gross meine Leidenschaft fürs Kochen ist»

Interview: Michèle Roten Fotos: Jasmin Frei

Wir begleiten Zürcher Promis von A nach B, bieten ihnen ein Bier an und quatschen locker drauflos. Für die Gastronomin Zizi Hattab änderte sich alles mit einem Brief: «Ich erklärte Andreas Caminada, wie gross meine Leidenschaft fürs Kochen ist.» Heute führt sie die veganen Lokale Kle, Dar und Cor.

Dass eine Frau, die für drei Lokale verantwortlich ist, um ein Uhr mittags kein Bier trinkt, ist völlig verständlich. Die gefeierte Köchin Zineb «Zizi» Hattab (34) ist vor einer Stunde gelandet, nachdem sie ein paar Tage bei ihrer Familie an der Costa Brava verbracht hat. Wir treffen uns im Restaurant Kle, wo sie letzte Dinge mit ihrem Team bespricht, bevor wir mit einer Limo ins Dar spazieren – vorbei am jüngsten Baby, der Weinbar Cor. Unterwegs gibts noch eine Glace in der Gelateria di Berna. In der Schlange davor wird Hattab prompt angesprochen: Eine Frau sagt, sie liebe das Kle, Zizi reagiert mit der ihr eigenen gelassenen und unglaublich warmen Liebenswürdigkeit. Inspiriert von der Begleitung einer Sterneköchin entscheide ich mich für die Geschmacksrichtung Erbsli und Rüebli (schmeckt wie sehr süsser Babybrei), sie nimmt Erdbeer – «ein Klassiker».

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Du bist ja eigentlich Software-Ingenieurin, hast Maschinenbau studiert. Gibt es irgendeine Verbindung zwischen dieser Welt und der, in der du dich jetzt bewegst?

Zizi Hattab: Ich glaube, meine Lösungsorientiertheit hilft mir sehr, denn in Restaurants gibt es immer irgendwelche Probleme. Ausserdem habe ich, da ich in einem Unternehmen gearbeitet habe, gelernt, wie wichtig es ist, dass es den Mitarbeitenden gut geht, dass sie Auszeiten haben, dass sie nicht ausbrennen und entsprechend lange im Betrieb bleiben.

«Meine Rolle hat sich weiterentwickelt, heute geht es mehr um Strategie und darum, die Mitarbeitenden zu führen.»

Hast du es je bereut, den Job gewechselt zu haben?

Nein, bereut nicht. Aber es gab schon sehr schwierige Zeiten, gerade am Anfang. Da war ich wohl etwas naiv – ich hätte nicht gedacht, dass die Transition so anstrengend sein würde. Ich erinnere mich daran, wie ich morgens weinend unter der Dusche stand, weil ich wusste, was der Tag bringen würde.

Wie ist es jetzt?

Meine Rolle hat sich weiterentwickelt, heute geht es mehr um Strategie und darum, die Mitarbeitenden zu führen. Ich habe ein grossartiges Team, das sehr gut funktioniert. Ich stehe nicht mehr so oft selbst in der Küche wie am Anfang, vor allem eigentlich dann, wenn meine Köche und Köchinnen in den Ferien sind.

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Du kochst erst seit elf Jahren und hast komplett ohne Erfahrung bei Andreas Caminada angeheuert. Wie kam das?

Nun ja, ich habe ihm einen Brief geschrieben und ihm erklärt, wie gross meine Leidenschaft ist.

Das ist schon verrückt, findest du nicht? Arbeitest du auch mit absolut unerfahrenen Leuten?

Ja, denn wenn man merkt, dass die Werte stimmen, dann ist das schon mal ein sehr, sehr wichtiger Punkt. Eine unserer Head Chefs war vorher Consultant, sie hatte auch keine Erfahrung.

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Ist das Kochen eigentlich ein grosses Ding in deiner Familie?

Nein, gar nicht. Meine Eltern sind Immigranten, ihnen ging es darum, dass mein Bruder und ich studieren, Karriere machen. Zu kochen habe ich erst im Studium begonnen.

Was hast du heute schon gegessen?

Ich hatte am Flughafen in Barcelona ein Pan con Tomate, das ist ein geröstetes Brot mit geriebener Tomate, Olivenöl und Salz.

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«Generell liebe ich einfache Gerichte, ich esse privat sehr simpel.»

Was ist dein Comfort Food?

Im Dar machen sie unglaubliches Hummus. Das esse ich mit dem grossen Löffel. Und die Harira-Suppe mit Kichererbsen und Linsen ist auch ein Stück Zuhause für mich. Generell liebe ich einfache Gerichte, ich esse privat sehr simpel.

Kochst du zu Hause?

Nein, mehr mein Mann. Und der macht immer Pasta (lacht). Immer die gleichen Gerichte.

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Deine Restaurants sind ja vegan, bist du selbst Veganerin?

Ja, aber ich bin ziemlich flexibel, gerade etwa, wenn ich zu meiner Familie nach Marokko reise. Und meine Mutter hält Eier für vegan (lacht). Aber es ist okay, das ist nicht meine Religion.

Seit wann bist du vegan?

Seit ich das Kle eröffnet habe, das war vor fünf Jahren. Da wurde mir bewusst, was für unglaubliche Mengen Fleisch, Milch et cetera man so verarbeitet in einem Restaurant – und was für einen Impact man haben kann, wenn man darauf verzichtet.

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«Das Wohlergehen des Planeten liegt mir am Herzen.»

Eine gänzlich rationale Entscheidung also.

Ja, sie wurde aber mit der Zeit emotionaler. Das Wohlergehen des Planeten liegt mir am Herzen. Ich tauche zum Beispiel gern, und zu beobachten, wie die Unterwasserwelt sich verändert an den Orten, die ich immer wieder besuche, das ist schon sehr traurig.

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«Ich kann den ganzen Tag in der Badi liegen, Pommes essen, ein Buch lesen.»

Welches sind deine Lieblingsorte in Zürich?

Ich bin meistens in den Kreisen 3, 4 und 5 unterwegs. Oft esse ich im Ooki, immer die Tantanmen Vegan Ramen, das ist immer gut, immer schnell. Oder im Lily’s. Meinen Matcha trinke ich im Omnia beim Helvetiaplatz. Ich spaziere gern im Friedhof Sihlfeld – klingt vielleicht seltsam, aber ich finds sehr schön da. Und überall, wo Wasser ist. Ich liebe Wasser. Da bin ich wie ein Kind. Ich kann den ganzen Tag in der Badi liegen, Pommes essen, ein Buch lesen.

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