Äss-Bar

Im Kampf gegen die Verschwendung: Unter dem Claim «frisch von gestern» verkauft das Team um Sandro Furnari in der Äss-Bar günstige Backwaren vom Vortag.

Text: Valérie Jost Fotos: Jasmin Frei

Ein Gipfeli für 50 Rappen? Ja, das gibt es: Mitten im Niederdorf steht die erste der mittlerweile elf Schweizer Äss-Bar-Filialen. Hier gibt es Backwaren zu kaufen, die in lokalen Bäckereien und Konditoreien am Vorabend übrig geblieben sind – und zwar stark vergünstigt. Mit ihrem Anti-Food-Waste-Konzept trafen Sandro Furnari und seine Kollegen schon vor dem Nachhaltigkeitsboom einen Nerv.

In Schweizer Haushalten werden pro Person täglich 240 Gramm Lebensmittel weggeworfen. Was auf den ersten Blick wenig scheint, entspricht landesweit unglaublichen 778’000 Tonnen jährlich. «Das ist eine Entwicklung der modernen Konsumgesellschaft», findet Äss-Bar-Mitgründer Sandro Furnari: Die Leute seien einfach zu verwöhnt. Sie haben den Anspruch, jederzeit alles konsumieren zu können. Das führt zu Überangebot und Verschwendung. Gegen das Problem «Food Waste» geht die Äss-Bar mit einem ebenso simplen wie genialen Konzept vor: Backwaren, die bei Ladenschluss noch in der Theke der Bäckereien und Konditoreien liegen und eigentlich dem Müll geweiht wären, werden kostenlos abgeholt und am nächsten Tag in der Äss-Bar zum Verkauf angeboten. Die Bäckereien erhalten eine Absatzbeteiligung.

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Die Inspiration fürs Geschäftsmodell stammt aus dem Ausland: Mitgründer Raoul Stöckle hatte ähnliche Projekte in Deutschland und Frankreich gesehen. Zurück in der Schweiz teilte er die Idee mit seinen Kollegen Sandro Furnari, Raimund Möhl und Philippe Martin – und schnell war klar, dass es hier noch nichts Vergleichbares gab. Die erste Filiale im Niederdorf eröffneten sie im November 2013. «Der Standort ist perfekt, weil es viel Laufkundschaft gibt», erklärt Sandro.

«Food Waste ist eine Entwicklung der modernen Konsumgesellschaft.»

Sandro Furnari

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Danach ging es Schlag auf Schlag: Die Medien bissen an, die Kunden waren begeistert und weitere Filialen folgten. «Wir wurden komplett vom Erfolg überrascht», erzählt Sandro. Die vier Kollegen kamen weder aus dem Detailhandel noch der Gastronomie. Sie stellten das Projekt neben ihren Hauptjobs auf die Beine. Mit der schnell wachsenden Firma wurde das jedoch immer schwieriger. Heute arbeitet von den vieren nur noch Sandro für die Äss-Bar, die anderen Mitgründer sind mittlerweile Teilhaber. «Wenn man uns vor sechs Jahren gefragt hätte, hätten wir das nie vorausgesehen», sagt Sandro. Er leitet die Firma inzwischen mit einem vierköpfigen Team.

«Die Leute verlassen sich zu wenig auf ihre Sinne und ihre Intuition.»

Nadja Zehnbauer

Eine davon ist Marketingchefin Nadja Zehnbauer. Den Erfolg der Äss-Bar habe verschiedene Gründe: «Gerade bei Studierenden macht der Preis natürlich die Attraktivität aus. Und dann gibt es die Leute, die einfach auch finden, dass einwandfreie Lebensmittel zum Wegwerfen viel zu schade sind.» Umweltfreundlich ist das Konzept ganz klar: Die Äss-Bar verhindert jährlich mehr als 700 Tonnen Food Waste.

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Mehr als 700 Tonnen Food Waste verhindert die Äss-Bar jährlich.

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Doch warum landet überhaupt so viel Essen im Müll? Nadja ist überzeugt, dass der Hauptgrund beim fehlenden Wissen liegt: «Heutzutage haben die Leute keine Ahnung mehr, was sie mit altem Brot oder abgelaufenem Joghurt machen sollen. Sie schauen nur noch aufs Mindesthaltbarkeitsdatum und werfen Lebensmittel schon einen Tag danach weg, statt sich auf ihre Sinne und ihre Intuition zu verlassen.» Sandro fügt hinzu, dass die Leute lebensmitteltechnisch oft schlecht organisiert seien. Viele Leute würden zu viel, dafür seltener einkaufen, die Resteverwertung nicht einplanen oder die Lebensmittel falsch lagern.

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Interessant zu wissen ist jetzt natürlich, was denn mit den Resten der Äss-Bar passiert. «Unsere Mitarbeitenden dürfen sich bei Ladenschluss natürlich so viel nehmen, wie sie wollen», sagt Sandro. Ausserdem arbeitet die Äss-Bar mit Hilfswerken zusammen, in Zürich zum Beispiel mit dem Sozialwerk Pfarrer Sieber. Ein Teil wird von ZüriChips sowie der Brauerei Oerlikon weiterverwertet. Was dann noch übrig bleibt, wird zu Biogas.

Adresse

Äss-Bar
Stüssihofstatt 6
8001 Zürich
+41 43 548 05 44
Website

Öffnungszeiten

Montag bis Samstag, 9–18.30 Uhr 
(oder «so lang’s hät» – «es hat, solange es hat»)