Café Zähringer

Die alternative Cafébar hat 15 Chefs. Drei von ihnen sind Melina, Alejandro und Joel.

Es gibt in Zürich viele charakteristische Lokale. Doch keines ist wie das Zähringer. Seit 1981 wird es im Kollektiv geführt: Alle, die hier arbeiten, sind gleichzeitig Chef und Angestellte. Kann das gut gehen? Drei Mitglieder des Zähringer-Kollektivs plaudern mit uns über das Arbeiten im selbstverwalteten Betrieb, erklären, warum sie links sind und trotzdem keine politischen Ziele formuliert haben und wo die Gäste ihrer Experimentierfreudigkeit Grenzen setzen.

Ich treffe Melina und Joel am Montagmorgen nach der Teamsitzung im geschlossenen Café Zähringer. Alejandro putzt noch die Toiletten – ein Job, der dem Kubaner nichts ausmacht. Schliesslich tun dies hier im Zähringer alle. Genauso wie jeder Teil der Geschäftsleitung ist. Melina bietet mir ein selbstgemachtes Kombucha an, ein natürliches Energiegetränk, das so scharf ist, dass einem Red Bull im Vergleich wie Kindersirup vorkommt.

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Joel

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Melina

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Alejandro

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Von aussen unterscheidet sich euer Restaurant nicht gross von anderen hier im Niederdorf. Was ist anders im Zähringer?

Joel: Dass hier drin jeder Stuhl anders aussieht. Dies ist zumindest das Offensichtlichste (lacht).

Melina: Für mich ist das Wichtigste, dass es ein Kollektiv ist.

Das heisst?

Melina: Das Zähringer ist eine Genossenschaft, die Geschäftsleitung ist das Kollektiv – das heisst alle, die hier arbeiten, ausser den Aushilfen. Aktuell sind dies 15 Leute. Alle wichtigen Entscheide treffen wir gemeinsam.

Alejandro: Für mich ist sehr speziell, dass man als Ausländer hierherkommt und wie alle anderen eine Stimme hat. Meine erste Arbeit in der Schweiz …

... und gleich in der Geschäftsleitung.

Alejandro (lacht): Genau. Dass meine Meinung ernst genommen wird und ich eine Rolle spiele in der Beiz. Ich habe wirklich grosses Glück gehabt, dass ich hier gelandet bin.

Melina: Obwohl wir einen Arbeitsvertrag haben, fühlt es sich nicht an wie ein Angestelltenverhältnis. Hier zu arbeiten ist eher so, wie wenn man mit Freunden zusammen etwas auf die Beine stellt.

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Das klingt sehr sympathisch – aber ist ein solches System nicht chaotisch?

Joel: Ja, ist es denn in anders organisierten Betrieben nicht auch chaotisch? Ich habe zehn Jahre auf dem Bau und im Gartenbau gearbeitet. In diesen Betrieben war es überhaupt nicht so, dass dort immer alles perfekt organisiert war.

Melina: Ich finde auch nicht, dass wir ineffizienter sind als andere Organisationen. Ich würde sogar das Gegenteil behaupten: Jemand, der selbständig ist, arbeitet sehr effizient, weil es um seine Zeit geht. In grossen, hierarchischen Organisationen gibt es viel Ineffizienz durch Entscheide, die nicht mitgetragen werden.

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Wie ist das für euch, in einem Kollektiv zu arbeiten?

Alejandro: Ich habe vorher auf Kuba in einer Kooperative gearbeitet, auf einem Bauernhof. Dort war auch alles bio und lokal vertrieben. Wir waren ähnlich organisiert wie hier.

Melina: Ich habe mich hier beworben, weil ich explizit in einem Kollektiv arbeiten wollte. Es entspricht mir sehr, dass es hier keine Hierarchie gibt, sondern nur einzelne Verantwortungsbereiche.

Zum Beispiel?

Melina: Ich habe das Kartenämtli, das heisst, ich muss die Menükarte up to date halten und übersetzen – das ist allerdings nicht gerade das einflussreichste Ämtli … Joel zum Beispiel ist für die Werbung verantwortlich.

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Sucht ihr immer den Konsens in den Sitzungen oder stimmt ihr ab?

Joel: Der Konsens ist das Ziel – diesen zu finden, ist leider nicht immer möglich. Bei eher unbedeutenden Entscheiden gilt das einfache Mehr, bei Personalentscheiden zum Beispiel muss so lange diskutiert werden, bis es eine Zweidrittelmehrheit gibt.

Wenn ihr Gewinn macht, was passiert damit?

Melina (lacht): Falls das einmal passieren würde … dann würde das wohl investiert. Jedenfalls würden wir gemeinsam entscheiden, was man damit macht.

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Steckt hinter dem Zähringer auch eine politische Idee? Was sind die Ziele des Kollektivs?

Melina: Ich glaube, die Leute sehen dies sehr unterschiedlich.

Joel: Total – die einzige politische Aussage, hinter der sicher alle stehen, ist unser Motto, das auch auf der Website steht: Unkonventionell leben, arbeiten und essen.

Melina: Man kann schon sagen: Das Zähringer ist eindeutig links. Das sieht man unter anderem an den aufgelegten Flyern, den Aufklebern und daran, dass bei uns linke Zeitungen aufliegen oder dass wir am 1. Mai einen Stand haben.

Alejandro: Die Herkunft der Mitarbeiter ist so verschieden: Türkei, Deutschland, Schweiz, Italien, Kuba … jeder hat seine eigene Meinung, wir kommen aus verschiedenen Systemen. Trotzdem scheint mir, dass wir nicht so unterschiedlich denken.

Melina: Ich glaube, es wäre sehr schwierig, politische Ziele zu formulieren, aber wenn es um konkrete Dinge geht, dann sind wir meistens auf einer Linie. Wir unterstützen Organisationen wie die Kooperative Café RebelDía aus Chiapas in Mexiko oder ein Sport-Integrationsprojekt für Kinder in Zürich.

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Und wem gehört die Liegenschaft?

Melina: Die Genossenschaft konnte sie dank grosszügiger Darlehen erwerben.

Das Zähringer-Team ist links – müssen das die Gäste auch sein?

Joel: Um Gottes willen, nein! Überhaupt nicht.

Aber wenn jemand in Anzug und Krawatte hereinkommt, wird er schon schräg angeschaut?

Joel: Solange sich jemand normal verhält, so, wie man sich in einem Restaurant halt verhält, kann hier jeder gerne kommen. Wir haben ein sehr gemischtes Publikum.

Alejandro: Es gibt auch Leute, die kommen über Mittag im Anzug, und wenn sie am Abend wiederkommen, sind sie angezogen wie du und ich.

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Chefs hat die alternative Cafébar. 

Melina: Wir haben keinen Konsumationszwang: Man kann den ganzen Tag hier sitzen und Leitungswasser trinken. Und wir haben Café Surprise, das sind Kaffees, die wir gratis abgeben, wenn andere Leute ihren Kaffee zu diesem Zweck doppelt bezahlt haben. Das macht uns natürlich für ein bestimmtes Publikum attraktiv, und das wollen wir auch so.

Joel: Im Sommer, wenn wir draussen offen haben, kommen viele Touristen, das ist klar. Es kommt übrigens immer wieder vor, dass sie erst einmal irritiert sind.

Wegen der unterschiedlichen Stühle?

Melina: Ja (lacht). Und wegen der Aufkleber und weil wir manchmal nicht so schön angezogen sind.

Joel: Oder wenn sie einen Tisch für zwei Personen verlangen und ich sage: Wir haben vor allem lange Tische, aber es hat noch freie Plätze – setzt euch hin, wo ihr Lust habt.

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Auf der Website heisst es, dass man bei euch hochwertiges und fair produziertes Essen bekommt. Gab es nie die Idee, ein vegetarisches oder sogar veganes Restaurant zu werden?

Joel: Nein, wir wollen so vielen Leuten wie möglich etwas bieten, Vegetariern, Veganern, Allergikern und auch Fleischessern.

Melina: Fleisch ist bei uns aber immer bio.

Joel: Beim Gemüse ist das grundsätzlich auch so, aber wir nehmen lieber die konventionellen Tomaten aus dem Zürcher Oberland als biologische aus Spanien.

Was ist euer Klassiker?

Joel: Die Wok-Pfanne.

Melina: Eigentlich alle Dinge, die auf der fixen Karte sind, sind dort, weil sie beständig gut laufen.

Joel: Wir haben auch schon versucht, das eine oder andere rauszunehmen – da gingen die Gäste auf die Barrikaden! Wir haben das dann schnell wieder geändert.

Melina: Als ich noch Gast war und es gab plötzlich keinen Halloumi-Teller mehr … Wir haben auch Kefirwasser und Kombucha, die wir selber machen. Typisch ist hier sicher auch, dass das Essen für Zürich relativ günstig ist.

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Wenn ihr einen Werbespot machen dürftet – wie würde der lauten?

Joel: Das Zähringer ist anders, und es lohnt sich, das einmal gesehen zu haben. Vielleicht hat man Pech und es ist gerade nicht viel los, aber dann kann man immerhin Tee im Sieb trinken.

Melina (lacht): Ich finde es das gemütlichste Café der Stadt.

Alejandro: Wer gerne wie zu Hause isst und von Freunden bedient wird …

Joel: ... oder auch mal ein bisschen laut sein will …

Alejandro: ... der ist hier herzlich willkommen.

Adresse

Café Zähringer
Zähringerplatz 11
8001 Zürich
+41 44 252 05 00
Website

Öffnungszeiten

Montag, 18–24 Uhr
Dienstag bis Sonntag, 9–24 Uhr

Infos

Events & Konzerte: www.zaehringer.ch

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