Genovas
Alte Familienrezepte, im Bistro serviert und in Gläser abgefüllt: Der Betrieb von Anastasia Genova bringt Italien an den Idaplatz.
Am Idaplatz mache er sich selbstständig, hatte Vater Genova früher gerne gesagt. 2014 hielt er Wort: Die italienischen Spezialitäten, die die Familie gern aus ihrer Heimat, der Region Molise, nach Hause brachte, werden nun im «Genovas» verkauft. Anastasia Genova packt gemeinsam mit ihren drei Geschwistern gern an und isst zwischendurch die Genova-Pelati aus dem Glas, weil sie so süss sind.
Im mittleren Drittel Italiens, an der Adria, liegt die Region Molise. Dort, an einer Mauer, irgendwo, hat jemand mal hingesprayt: «Il Molise non esiste.» Der Molise existiert nicht. Eine Art italienischer Insider-Witz – so, wie Deutsche darüber scherzen, dass die Stadt Bielefeld nicht existiert, gibt es die satirische Behauptung, dass die Region Molise nicht existiert.
Für Anastasia Genova existiert Molise sehr wohl. Und zwar im Kreis 3. In Form von Rotwein, Olivenöl und Trüffel. In Form eines Bistros mitten am Idaplatz, das Anastasias Nachnamen trägt. Schweizer*innen betonen ihn gern anders, eigentlich heisst es Genova, nicht Genova, aber das ist Anastasia nicht so wichtig. Viel wichtiger ist: Hier passiert seit 2014, wovon ihr Vater immer gesprochen hat.
«Hier war früher ein altes Biolädeli drin», erzählt die Mittzwanzigerin, «in der Ecke dort drüben stand eine Porzellanschildkröte, daran erinnere ich mich noch.» Anastasia wuchs bloss wenige Häuser weiter auf und Vater Genova sagte gern: «In diesem Lokal, da eröffne ich mal einen Laden, da machen wir uns mal selbstständig.»
Fremden vertraut die Familie keine Rezepte an.
Das war nur so halb naheliegend. «Niemand von uns kommt aus der Gastronomie», erzählt Anastasia, «aber gleichzeitig brachten wir gern so viel Öl und Tomaten aus dem Molise mit, dass wir irgendwann fanden: Komm, jetzt machen wirs.»
Das Lokal wurde erworben, der Spezialitätenladen Genovas gegründet, und für die Produkte aus dem Molise arbeitete man nach und nach mit über 20 Produzent*innen zusammen: mit Bauern und Kooperativen, Freundinnen und Bekannten. Anastasia zählt manche mit Vornamen auf. Das sind nicht bloss Produzent*innen und hier geht’s nicht nur um die eigenen Rohwaren. Fremden würden die Genovas ja keine alten Familienrezepte anvertrauen.
Die Homepage der Genovas ist drum auch ein bisschen Familienalbum. Auf einem Bild eine ältere Frau auf einem Feld, Bildunterschrift: Nonna!. Auf einem anderen Foto schmunzeln vier junge Menschen, je mit einem Glas Wein in der Hand, in die Kamera. Anastasia ist die jüngste der vier Genova-Geschwister. Sie arbeitet ein bis zwei Tage im Büro, an manchen Abenden im Service, pflegt die sozialen Kanäle, ist Ansprechperson für private Events. Die Geschwister helfen aus, mal im Vordergrund, mal im Hintergrund.
Es ist ein Bistro – kein Restaurant.
Mit Familienmitgliedern im selben Betrieb arbeiten: Ist das nicht furchtbar anstrengend? «Es ist anspruchsvoll», räumt Anastasia ein. «Ich erscheine jeweils eine halbe Stunde vor dem Familienznacht, weil mein Vater und ich garantiert noch etwas planen. Sonst reden wir beim Abendessen zu oft übers Geschäft.» Für sie ist auch wichtig, dass der jungen Generation Verantwortung übertragen wird. «Meinen Entscheidungen muss vertraut werden. Manches nehme ich selbst in die Hand. Das gilt auch für unsere zwei Festangestellten im Bistro: Auch sie tragen eigene Verantwortungen.»
Statt Pizza gibt es hier Pinsa.
Nachdem der Laden vier Jahre aufgebaut wurde, machten die Genovas vor zwei Jahren Platz für ein Bistro. Ein Bistro, kein Restaurant – das Wort «Restaurant» klingt in Anastasias Ohren irgendwie zu anonym. «An so vielen Orten gehst du rein, wirst bedient, und das ist es dann. Aber ich komme aus dem pädagogischen, mein Vater aus dem psychologischen Bereich: Wir knüpfen Kontakte. Und improvisieren auch gern mal. Oft.» Sie lacht. «Kürzlich hat mir ein Gast geholfen, unser Telefon wiederzufinden!» Der persönliche Kontakt mit den Gästen liegt den Genovas am Herzen, der Rest ergibt sich.
Mittlerweile zählt das Sortiment über 60 Produkte, vom beliebten Limoncello über eingelegtes Gemüse bis hin zu Pomodori, die so süss sind, dass Anastasia sie auch gern mal einfach so isst, direkt aus dem Glas, mit Olivenöl, Balsamico, Pfeffer und Salz. Auf dem Bistro-Menü stehen Klassiker von Caprese bis Lasagne, aber statt Pizza gibt’s ganz viel Pinsa, eine Art herzhafte Focaccia. Gegessen wird in der Atmosphäre einer grosszügigen italienischen Stube.
Mittlerweile hat jemand die Sprayerei «Il Molise non esiste» an der Hauswand mitten in Italien ergänzt. Anastasia nimmt ihr Handy hervor, um das Foto zu zeigen, das sie so mag. Die Wörter «non esiste» sind durchgestrichen, darunter steht: resiste. Der Molise leistet Widerstand. Und er existiert wahrhaftig. Zumindest am Idaplatz.
Adresse
Genovas
Bertastrasse 26
8003 Zürich
044 242 23 23
Website
Öffnungszeiten Laden
Montag bis Freitag: 16–23 Uhr
Samstag: 10–23 Uhr
Öffnungszeiten Bistro
Montag bis Freitag: 18–21 Uhr
Samstag: 13–14.30 Uhr / 18–21 Uhr