Heaven
Marco Uhlig führt den Queer-Club Heaven im Niederdorf. «Hier feiern die verschiedensten Menschen», sagt Marco. Er arbeitet jedes Wochenende im Club.
«Das Heaven ist für viele ein Safe Space», sagt Clubbetreiber Marco Uhlig. «Hier können sie sich sicher fühlen.» Er will mit seinem Club die Gay-Geschichte des Niederdorfs weiterschreiben – und neue Drag Queens krönen.
«Mit den Partys wollte ich mich eigentlich nur von meinem oft deprimierenden Job ablenken», erzählt Marco Uhlig. «Von einer Karriere im Nachtleben träumte ich nur heimlich.» Marco arbeitete jahrelang in der Unfall- und Herzchirurgie als Pfleger: «Ich hatte fast ausschliesslich mit schwerer Krankheit und leider auch mit dem Tod zu tun.» Als er in Berlin nur befristete Arbeitsverträge erhielt, wanderte er 2000 nach Olten aus. Ihm war aber klar, dass er wieder zurück nach Deutschland gehen würde. «Doch dann hat es mich gepackt. Ich wollte unbedingt die Sprache verstehen und den Schweizer Pflegestandard noch besser erlernen.»
Er beschloss, eine queere Partyreihe aufzuziehen. An den ersten Event kamen 400 Leute. «Für 2004 war das ziemlich viel.»
Nach anderthalb Jahren zog er nach Zürich. «Der Liebe wegen!», erklärt Marco. «Der Gedanke, die Schweiz wieder zu verlassen, war plötzlich weit weg.» Er fing eine Ausbildung zum Intensivpfleger an – und merkte bald, dass er einen Ausgleich brauchte: Er wollte feiern gehen. Doch das Angebot in Zürich entsprach nicht seinem Geschmack. «Ich hörte damals R’n’B und Hip-Hop. Doch das lief nirgends in der Szene.» Er beschloss, eine queere Partyreihe aufzuziehen. An die erste «Boyahkasha»-Party in der BQM Bar kamen 400 Leute. «Für 2004 war das ziemlich viel.» Er hat mittlerweile die «Boyahkasha!» in fast allen Zürcher Clubs, aber auch in Metropolen wie New York veranstaltet.
2013
eröffnete das Heaven in den Räumlichkeiten des ehemaligen Zodiac.
Der Erfolg der schwulen R’n’B- und Hip-Hop-Party fiel auch den Betreibern des Gay-Clubs T & M im Niederdorf auf. Sie stellten Marco als Booker und später als Programmer ein. Als der Club vor fünf Jahren zügeln musste, sollte er mit einem Kollegen die Geschäftsführung übernehmen. Doch als endlich eine Location gefunden war, zogen sich die Betreiber des T & M ganz zurück. «Sie waren aber auch beide schon über 50 Jahre alt.» Marco fand mit seinem Team andere Geldgeber für den neuen Club – und eröffnete 2013 das Heaven in den Räumlichkeiten des ehemaligen Zodiac. Für grössere Umbauarbeiten fehlte das Geld. «Es war vorher ziemlich abgeranzt. Wir haben einfach alles schwarz gestrichen», so Marco. Im Herbst 2018 wurde das Heaven drei Wochen lang renoviert. «Jetzt sieht der Club so aus, wie wir sind: jung und modern.»
«Wir wollen diese Gay-Geschichte im Niederdorf weiterschreiben.»
Den Club in den Kreis 4 oder 5 zu verlegen, stand immer wieder zur Diskussion. «Dort sind die Nachbarn toleranter», so Marco. Trotzdem hat er sich immer dagegen entschieden. «Das Niederdorf ist unser Kiez.» Er erzählt von den Bällen, welche die Zürcher Schwulenbewegung «Der Kreis» ab 1948 im Theater Neumarkt veranstaltet hatte, und von den kleinen Bars, in denen sich Homosexuelle schon früh treffen konnten. «Wir wollen diese Gay-Geschichte weiterschreiben.»
«Wir haben alle Gesellschaftsschichten, Altersgruppen und sexuellen Orientierungen.»
Früher ist im Niederdorf mehr los gewesen. «Doch wir haben das Glück, dass fast alle Bars ihre Gäste um 2 Uhr zu uns schicken.» Deshalb ist das Publikum im Heaven sehr gut durchmischt: «Wir haben alle Gesellschaftsschichten, Altersgruppen und sexuellen Orientierungen», sagt Marco. «Das Heaven ist für viele ein Safe Space: Hier können sie sich sicher fühlen.» Er steht jeden Freitag und Samstag im Club und tauscht sich mit den Gästen aus. «Die Jungen kommen zu uns, weil sie sich oft eben erst geoutet haben. Sie sind erleichtert, dass sie nicht mehr ‹schauspielern› oder sich verstecken müssen, und wollen jetzt Gleichgesinnte treffen.» Auch Promis tanzen immer wieder im Heaven. Einige haben sich in der Öffentlichkeit noch nicht geoutet. «Das ist aber kein Problem. Unser Publikum respektiert die Privatsphäre», so Marco. «Hier sind einfach alle zusammen glücklich.»
«Wenn ich einen bekannten Hit spiele, kreischt die Menge auf. Diese Ausgelassenheit habe ich in einem Hetero-Club nur selten erlebt.»
Einmal im Jahr veranstaltet Marco das Heaven Drag Race: Junge Drag Queens kämpfen um den «Miss Heaven»-Titel – ähnlich wie in der bekannten amerikanischen TV-Show «RuPaul’s Drag Race». Diese wird auch in der Schweiz gerne geschaut – hauptsächlich von Frauen. «Sie finden das unterhaltsam. Ist es ja auch», meint Marco. Er wollte deshalb in Zürich ein ähnliches Format aufziehen und die teilnehmenden Drags auch nach dem Finale weiter pushen. «Ich hatte bereits bei der ‹Boyahkasha› oft Drag-Queen-DJs gebucht. Auch weil viele Hetero-DJs nicht an einer Party für Schwule auflegen wollten.» Um die Zeit zwischen den Profi-Sets zu überbrücken, begann Marco, selbst aufzulegen. Als DJ Zör Gollin kümmert er sich auch im Heaven oft um die Musik: «Wenn ich einen bekannten Hit spiele, kreischt die Menge auf. Diese Ausgelassenheit habe ich in einem Hetero-Club nur selten erlebt.»