Kon-Tiki
Tassia Batista und Manuel Schaltegger gehören zum Team einer der ältesten Bars der Stadt. Sie musste beinahe einer internationalen Gastrokette weichen.
Schon seit den Fünfzigern gehört das Kon-Tiki fest zum Niederdörfli. Aber: Das Zürcher Nachtleben verändert sich – und vor wenigen Jahren wäre es fast zu Ende gegangen mit der altehrwürdigen Tikibar. Junges Blut, Tageslicht und eine zünftige Portion CBD haben das Traditionslokal gerettet. Und neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie Tassia Batista und Manuel Schaltegger.
Kontiki ist eines dieser Wörter, die man zwar schon oft gehört hat, aber deren Bedeutung man nicht erklären kann. Irgendwas mit Piraten? Eine Insel? Was Exotisches? Es könnte aber auch sein, dass man die letzten sechzig Jahre an dem gleichnamigen Lokal vorbeigegangen ist, mitten im Niederdorf. «Kon-Tiki» steht da in grossen Lettern, daneben eine angsteinflössende Maske. In den Fensterrahmen liegen bei gutem Wetter Kissen, von draussen sieht man eine gut ausstaffierte Bar und vielleicht eine Werbung für CBD. Was ist das, ein Coffeeshop? Eine Bar? Ein Café? Oder einfach eine alte Spelunke?
In Europa war das Kon-Tiki die erste derartige Bar überhaupt.
Das Kon-Tiki im Niederdorf gibt es schon ewig. «Manchmal kommen Leute rein, die um die siebzig sind, und erzählen an der Bar, wie sie ihre Jugend hier verbracht haben», erzählt Barchef Manuel Schaltegger. Der Wiedererkennungswert für alte Kon-Tiki-Fans wird hoch sein: So viel anders wird es damals nicht ausgesehen haben. Seit seiner Eröffnung ist das Kon-Tiki eine Tikibar. Dieser Stil der Barkultur entstand nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Erlebnisgastronomie setzte sich durch und in den USA schmückten sich erste Bars mit einer Ästhetik, die an Hawaii erinnerte: Maori-Muster, Darstellungen von Frauen in Bikinis, Cocktails wie Mai Tai im Masken-Becher. In Europa war das Kon-Tiki die erste derartige Bar überhaupt. Eine Art Pionierin mit Pina-Colada-Geschmack.
Die Bar eröffnete 1955, der heutige Geschäftsleiter ist noch keine dreissig. Auch Barchef Manuel und Tassia Batista, Teil der Geschäftsleitung, sind weit jünger als sechzig. Beide schätzen den Retro-Charme. «Ich mag an diesem Lokal besonders seine Atmosphäre. Ausserdem sind die Gäste sehr leger», schildert Manuel, und Tassia pflichtet ihm bei: «Die Leute, die ins Kon-Tiki kommen, sind chillig; deshalb bin ich so gerne hier.» Sie wünscht sich, dass auch Stadtbewohner und -bewohnerinnen entspannt bleiben – und das Treiben in den Ausgangsmeilen tolerieren. Und dass auch kleinere alternative Angebote im Zürcher Ausgangsleben langfristig Chancen haben.
Es meldeten sich neue Inhaber, ebenfalls welche mit Jugenderinnerungen ans Kon-Tiki.
Denn auch dem Kon-Tiki drohte der Niedergang: Gemeinsam mit der Züri Bar, die gleich daneben steht und die älteste noch bestehende Bar der Stadt ist, stand das Kon-Tiki kurz vor seiner Schliessung. Grössere Kaffeeketten hätten bereits Interesse an Flächen bekundet, berichtet das Team. «Das Niederdorf verliert zwei legendäre Bars», vermeldeten lokale Zeitungen bereits. Zürcherinnen und Zürcher älterer Generationen jaulten auf, weil sie mit dieser Tikibar so viel aus der Vergangenheit verbanden.
Nun ist das Kon-Tiki nicht mehr nur eine Bar.
Dann der Hoffnungsschimmer: Es meldeten sich neue Inhaber, ebenfalls welche mit Jugenderinnerungen ans Kon-Tiki. Sie wussten: Hier musste sich etwas ändern. Man plante mehr Konzerte und beschloss, CBD anzubieten, die legale Cannabis-Komponente. Künftig, so das neue Konzept, sollte das Kon-Tiki nicht nur abends und nachts offen sein, sondern auch tagsüber, mit Säften und Snacks.
Das war 2016. Weder Manuel noch Tassia waren zu diesem Zeitpunkt Teil des Teams. Und genau deshalb wurden neue Leute wie sie geholt: Um das Alte, Legendäre zu bewahren, mussten junge, innovative Kräfte her. Nun ist das Kon-Tiki, das bei Veranstaltungen bis zu 80 Gäste fasst, nicht mehr nur eine Bar: Als Coffeeshop kann dort in Form von Tees bis Brownies CBD konsumiert werden, als Café ist das Lokal auch tagsüber offen, und als Veranstaltungsort gibt’s regelmässig Anlässe wie Jam-Sessions, Comedy-Nights, Lesbenpartys und Konzerte. Denn natürlich ist das Kon-Tiki, wie schon in den Fünfzigern, eine Bar, die allen offensteht. Damit nicht nur alte Erinnerungen aufkommen, sondern auch neue entstehen.
Adresse
Kon-Tiki
Niederdorfstrasse 24
8001 Zürich
+41 44 251 35 77
Website
Öffnungszeiten
Sonntag bis Donnerstag, 11–24 Uhr
Freitag bis Samstag, 11–2 Uhr
Infos
Jeden Dienstag findet eine Comedy-Night (auf Englisch) statt, jeden Mittwochabend eine Jam-Session.