Salon Theater Herzbaracke
Federico Emanuel Pfaffen ist der Leiter des schwimmenden Salontheaters – des homöopathischen Mittels gegen Herzbaracken.
Vor über zwanzig Jahren baute Federico Emanuel Pfaffen das Theaterschloss auf dem Zürichsee. Hier tragen die Servierdamen rauschende Röcke und ein warmes Lächeln. Jedes Dekostück, von Pfauenfedern über Musikautomaten, ist sorgfältig ausgewählt. Auf der Bühne treffen Geschichtenerzähler auf Zauberer, und zu hören gibt’s Seemannslieder oder Blues.
Möwen ziehen ihre Kreise über dem Zürichsee. Ein goldenes Zwiebeltürmchen leuchtet in der Sonne. Es ist das Türmchen der Herzbaracke; Wellen schwappen gegen das schwimmende türkisfarbene Salontheater. Über eine Zugangsbrücke geht’s an Bord: Perserteppiche liegen auf dem Boden, Kristalllüster und Jugendstil-Lämpchen werfen ein dämmriges Licht.
Hinter dem Tresen steht eine Frau in knöchellangem Rock, Miederbluse und mit rotem Lippenstift. Nicole Gabathuler, die Co-Theaterdirektorin, bittet mich, kurz Platz zu nehmen, ihr Partner komme gleich. Ein energiegeladener Tausendsassa, der gerne aus der Reihe tanzt – so dürfte Federico Emanuel Pfaffen vielen bekannt sein. Mir gegenüber sitzt jetzt ein Mann mit eindrücklich buschigen Augenbrauen, Professorenbrille, Hosenträgern und Manchesterhosen.
«Unsere Gäste verlassen das Haus zu 99,999 Prozent glücklich und freudig.»
Seine Theaterinszenierungen, wie im stillgelegten Lettentunnel oder im alten Wartesaal des Bahnhofs Stadelhofen, und seine Installationen wie das Arche-Luftschiff machten Furore.
Im «Holzhaus mit Herz» pfuscht keiner. Jedes Dekostück, von Pfauenfedern über Musikautomaten bis hin zu aufziehbaren Karussellen, ist sorgfältig ausgewählt. Die Servierdamen tragen rauschende Röcke und ein warmes Lächeln, und bewirten die Gäste mit Schmankerln aus der eigenen Küche. Auf der Bühne treffen Chansonniers auf Geschichtenerzähler und Artisten auf Zauberer. Fürs Ohr gibt’s etwa Seemannslieder, Blues oder Klezmermusik. «Unsere Gäste verlassen das Haus zu 99,999 Prozent glücklich und freudig», erzählt Pfaffen. Sein Theater ist das homöopathische Mittel gegen Herzbaracken.
Mit «Ich bin übrigens Federico» wechselt er zum Du, steht auf und holt ein Notizbuch. Nach Vorstellungsende füllt er das Buch jeweils mit einer Zeichnung oder einem Text. Er zeigt auf ein Regal mit unzähligen Notizbüchern – 20 Jahre «Geschichte» der Herzbaracke. 1996 hatte er die Vision eines schwimmenden blauen Theaterhauses auf dem Zürichsee: «Wir haben geschuftet wie die Wilden, gebaut, gegessen und wenig geschlafen.» Nach harter Arbeit zusammen mit Handwerkern, mit der Hilfe von Geldgebern und dem grünen Licht der Schifffahrtskontrolle wurde der Traum 1998 Wirklichkeit. Seither ankert die Herzbaracke von September bis April abwechslungsweise an den Häfen von Thalwil, Stäfa, Zürich und Rapperswil.
1996
hatte Pfaffen die Vision eines schwimmenden blauen Theaterhauses auf dem Zürichsee.
Die Liebe zum Theater entdeckte er früh. Aufgewachsen in Chur als Kind einer Tessinerin und eines Wallisers, besuchte er mit seinen Geschwistern oft das Theater Marsöl: «Ich wollte am liebsten hinter den Vorhang schlüpfen, allen Figuren die Hand schütteln, alle Märchen durchleben, immer weiter, bis ich dort angelangt bin, wo die Welt entsteht.»
«Ich werde Theater machen wollen und letztendlich müssen, bis ich ins Grab falle.»
Nach einem Praktikum beim Fotografen Henn und bei Condor Films in Zürich sowie dem Beginn eines Architekturstudiums am Technikum schrieb er sich mit 25 Jahren an der Schauspielakademie Zürich ein, wo er als Regisseur das Studium abschloss. Obschon man ihn wegen seines lauten Lachens und seiner lebhaften Körpersprache tadelte – «anfangs erlitt ich einen Kulturschock» –, habe er sich in Zürich schnell wohlgefühlt. Nach zahlreichen Inszenierungen an Schweizer Stadttheatern zog er sein eigenes «Ding» durch. Bis heute. «Ich werde Theater machen wollen und letztendlich müssen, bis ich ins Grab falle.»
Federico steht auf: «Ich lasse dir ein wenig Musik laufen», sagt er und schmeisst ein Orchestrion mit Jahrgang 1900 an. Auf die letzte Frage, was das Zwiebeltürmchen bedeutet, erzählt er mir: «Das bauten wir 2014 zu Ehren der russischen Literatur und Musik.» Als Bub verschlang er die Werke Dostojewskis. Dann verabschiedet er sich: «Ich muss dich umarmen, bisch e Gueti.»
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