Hum Records

Der Plattenladen von Oliver Fitze und Michael Büchel ist ein Schlaraffenland für Musik-Liebhaber*innen.

Im Hum Records an der Ankerstrasse wird seit 2004 nach schwarzem Gold geschürft. Wer die ganz grossen Namen der Popmusik sucht, ist bei Oliver Fitze und Michael Büchel allerdings fehl am Platz.

Bob Dylan sucht man hier vergeblich. Neil Young ebenfalls. Und auch mit der neusten Scheibe von Miley Cyrus oder Lady Gaga können Oliver Fitze und Michael Büchel nicht dienen. In ihrem Plattenladen namens Hum Records summen und brummen seit 2004 andere Klänge.

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Der Hum Records ist organisch gewachsen.

Welche, das ist inzwischen gar nicht mehr so genau zu sagen, denn wie jede gute Plattensammlung ist auch das Angebot des Ecklokals an der Ankerstrasse 11 im Zürcher Kreis 4 irgendwie einfach organisch gewachsen. Mit dem Geschmack seiner Besitzer, mit dem Geschmack seiner Kund*innen, mit dem seiner Zulieferer*innen. «Ich glaube, man könnte schon immer noch sagen, dass das alles seinen Ursprung in der Black Music hat», sagt Oliver Fitze, der als DJ Reezm in Hip-Hop-Kreisen seit Jahrzehnten eine Instanz als DJ und Produzent ist. «Das ist auch immer noch irgendwie der Kern. Aber seit Michi hier richtig mit dabei ist, haben sich das Angebot und die Kundschaft auch noch mal deutlich erweitert.»

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«Wenn wenig los ist, spielen wir uns gegenseitig Sachen vor.»

Oliver Fitze

Denn der Liechtensteiner Michael Büchel (die Kurzform seines Vornamens spricht man Ländle-typisch «Mihi» aus, in einem Plattenladen duzt man sich) hat ebenfalls ein Parallelleben als DJ. Und in dem nennt er sich Kejeblos und führt mit Phantom Island ein Label, das sich mit seinen eklektischen Veröffentlichungen irgendwo rund um House, Disco und instrumentale Verträumtheit einen Namen gemacht hat. Seit Michel Jacques, der dritte Teilhaber und seit 2003 Betreiber des Labels Ish Records, mehr in den Hintergrund getreten ist, hat hier mit Michael das Elektronische noch mehr Einzug gehalten. Seither hat das Elektronische noch mehr Einzug gehalten, seither werden auch die Fächli mit dem Namen «4 To Da Floor» und «House» gut bewirtschaftet, seither gewinnt das Angebot der Sparten Weltmusik und Psychedelik Woche für Woche an Raum und Tiefe.

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In einem richtigen Plattenladen arbeiten keine Verkäufer*innen. In einem richtigen Plattenladen – und Hum Records ist so einer – sitzen Nerds. Leute, deren Fingerkuppen eine speziell ausgebildete Sensorik besitzen. Ähnlich jener dieser Metallsuchgeräte, die man über dem Sandstrand hin- und herschwenkt, um antike Münzen oder güldene Amphoren zu finden. Fingerkuppen, die darauf spezialisiert sind, nach schwarzem Gold zu graben.

Hier arbeiten Nerds.

«Ich hatte zuletzt vor eineinhalb Jahren so einen Goldgräber-Moment», erzählt Oliver von einer seiner Kellerexpeditionen. «Ich krieg jetzt noch Gänsehaut, wenn ich davon erzähle.» Ein Sammler hatte ihn kontaktiert. Er wolle seine Sammlung auflösen. Und sie war, wie Oliver schnell merkte, voller wertvoller Raritäten. Voller Soul-, Jazz- und Funk-Platten, die man für ein Vielfaches ihres ursprünglichen Ladenpreises verkaufen könnte. Platten von mehreren Hundert Franken Wert. Oliver kaufte alles, was er tragen konnte. Die Hände zitterten.

Anderen ist ihr Laden eine Goldgrube: Hier finden sie, fachkundig beraten von einem der beiden Besitzer, jene Musik, die möglicherweise ihr Leben in den nächsten Wochen und Monaten bestimmt.

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Was denn so bestimmend war in letzter Zeit? Die Platten der New Yorker Rapper Ka und Roc Marciano, die des verstorbenen MF Doom, die Alben des Zürcher Produzenten Lexx und das texanische Instrumentaltrio Khruangbin, das Mihi für überschätzt hält, hier aber gleich dutzendfach verkauft wurde.

«Wenn wenig los ist, spielen wir uns hier im Laden immer wieder gegenseitig Sachen vor», erzählt Reezm. «Da kann Michi stundenlang auflegen, ohne dass ich etwas kenne – und umgekehrt wahrscheinlich genauso.» Man bringt sich also immer auch gegenseitig etwas bei. Lernt nie aus, dringt weiter vor in die Materie. «Und manchmal tanzen wir dann auch dazu – nur so für uns.»

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Ein einziger finanzieller Freudentanz ist das Betreiben eines Plattenladens nicht. Wenn nicht gerade eine Pandemie oder dergleichen herrscht, bessern die beiden ihre monetäre Situation mit ihrer DJ-Tätigkeit auf. Trotzdem sind die ganz düsteren Zeiten für das Vinylgeschäft passé, wie sie sich sicher sind: «Das grosse Sterben ist vorbei», sagt Oliver, und Michael ergänzt: «Ich glaube nicht, dass der Plattenladen ein Auslaufmodell ist. Sogar während der Lockdowns bestellten die Leute fleissig – statt im Laden halt online.» Auch wenn das natürlich nicht das Gleiche sei. «Dieser Ort ist schon ein Lieblingsort für uns, klar.»

Aber auch die anderen Plattenläden der Stadt sind wichtig für sie: der Zero Zero, der 16 Tons, Sihl Records. Ihr Hunger nach Platten ist nie gestillt. Und so ist es auch mit 80 Prozent ihrer Kundschaft. «Klar gibt es die, die sich mal eine Platte holen, weil sie auch im Gestell gut aussieht, und klar gibt es die, die einmal und nie wieder kommen. Aber vielen geht es wie uns: Sie sind irgendwie süchtig danach.»

Selbst während des Lockdowns bestellen die Leute neue Platten.

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Süchtig auch nach Orten wie diesem, an dem man voll in der Materie versinken kann. An dem man nicht viele Worte verlieren muss, wenn einem nicht danach ist. Manchmal reicht auch ein knappes Hallo in Richtung Theke und schon ist man abgetaucht in die Welt der Musik, hängt mit gekrümmtem Oberkörper über den Gestellen, blättert durch Plattenreihen, wird immer wieder auf einen Namen, auf ein Label, auf ein cooles Cover aufmerksam, sammelt neben sich einen Stapel an, den man anschliessend gemütlich durchhört, reist einen ganzen Nachmittag mit Kopfhörern durch die Welt. Und nimmt anschliessend einen Teil dieser Weltreise mit nach Hause.

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Wer öfters herkommt, der kriegt von den beiden immer wieder Platten zugesteckt: «Schau, hast du die schon gehört?» Oder: «Ich glaube, die neue Four Tet könnte was für dich sein.» Oder auch: «Hast du gesehen? Im Brasil-Fächli hat sich was getan. Geh doch da mal schauen.» Blöde Sprüche sind genauso erwünscht wie Fachgespräche. An den Wochenenden legen ab und zu befreundete DJs auf und ab und zu findet mit «Corner of Boom» ein Wettbewerb im Beat-Basteln statt.

Aber meistens wird einfach gestöbert. Meistens verfolgt jeder Besucher – und jede der steigenden Zahl der Besucherinnen – sein eigenes Ziel, gräbt nach dem eigenen persönlichen Gold.

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Adresse

Hum Records
Ankerstrasse 11
8004 Zürich
+41 43 322 02 04
Website

Öffnungszeiten

Montag bis Freitag, 12–19 Uhr
Samstag, 11–17 Uhr