Le Cèdre

Sein Arbeitstag beginnt nachts um eins: Für Maurice Houraibi und seine Restaurants Le Cèdre sind täglich frische Produkte vom Engros-Markt essenziell.

Text & Fotos: Ueli Abt

Maurice Houraibi hat in Zürich libanesisches Essen bekannt und gefragt gemacht. Seit Jahren hält der Erfolg an. Weitere Restauranteröffnungen stehen an.

Doch das war nicht immer so: Als Maurice Houraibi 1994 mit seinem ersten Restaurant an der Badenerstrasse 78 startete, wollte in Zürich kein Mensch Libanesisch essen. «Ich machte sechs Monate lang keinen Rappen Umsatz», sagt der 59-Jährige.

Die Schwiegereltern hatten Houraibi damals 325’000 Franken geliehen als Starthilfe für sein libanesisches Restaurant. Es war bereits das zweite Mal, dass sie ihm finanziell aushalfen. Eine erste Tranche von 80’000 Franken hatten sie ihm gegeben, als er zunächst an der Hafnerstrasse sein Glück mit libanesischen Lebensmitteln und einem Take-away versucht hatte. Doch das Geschäft in der ruhigen Strasse im Kreis 5 kam nicht in Gang. «Ich merkte, dass der Ort nichts ist für mich», sagt Houraibi.

«Sie haben sich gefragt: Was ist das, Libanesisch? Kamelfleisch?»

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So sei er zu Fuss in der Stadt herumspaziert, um einen besseren Standort zu finden. An der belebteren und zentralen Badenerstrasse, vis-à-vis dem Bezirksgericht, wären wohl die Chancen besser, rechnete er sich aus. Und so löste bald darauf das Le Cèdre die vormalige Pizzeria Il Ritrovo ab. Als dann aber sein Lokal über Wochen leer blieb, habe er sich gefragt: «Was für eine Dummheit hast du da gemacht?» Die Leute hätten libanesisches Essen nicht gekannt. Und wollten es auch nicht kennenlernen. «Sie haben sich gefragt: Was ist das, Libanesisch? Kamelfleisch?»
 
Eine glückliche Fügung änderte alles. Eines Tages fand im angrenzenden Casino-Saal ein Konzert statt. Der Eigentümer der Liegenschaft hatte den Veranstaltern zur Förderung des Restaurants nebenan auferlegt, dass sie ein allfälliges Catering an Konzerten von dort beziehen müssen. «Der Konzertveranstalter bestellte bei mir zunächst 300 Portionen Cannelloni», erinnert sich Houraibi. Mit der Befürchtung, eine Absage zu erhalten, habe er ihm erklärt, dass er ausschliesslich libanesische Gerichte im Angebot habe. Der Veranstalter war ein weltläufiger Musiker und Komponist, der die libanesische Küche bereits in Beirut kennen und lieben gelernt hatte. «Er war begeistert. Den geladenen Konzertgästen sagte er, zum Essen gehe es rüber in ein Geheimtipp-Restaurant», berichtet Houraibi und lacht.

Bald berichteten «NZZ», «Tages-Anzeiger», «ZüriTipp» und «Cash» über das Le Cèdre.

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Zum Konzertpublikum gehörten auch zahlreiche Journalist:innen. Und sie waren von der damals noch unbekannten libanesischen Küche ebenfalls begeistert, erzählt Houraibi seine Geschichte weiter. Bald berichteten «NZZ», «Tages-Anzeiger», «ZüriTipp» und «Cash» über das Le Cèdre. Und «Tele24» sendete live aus Küche und Lokal. Ab dann sei es steil aufwärts gegangen, was Houraibi im Gespräch mit flacher Hand und diagonal ausgestrecktem Arm unterstreicht. «Der Konzertveranstalter hat mich gerettet. Ich bin ihm ewig dankbar.»
 
Das Le Cèdre gibt es inzwischen dreimal in der Stadt Zürich: Nebst dem ersten Le Cèdre an der Badenerstrasse eröffnete Houraibi 2009 das Le Cèdre Bellevue und 2017 das Le Cèdre Maurice an der Nüschelerstrasse. Und zwei weitere Restauranteröffnungen stehen an: Ein neues Le Cèdre soll in der Limmatstadt und eines in Luzern entstehen.
 
Der Erfolg hält seit Jahren an. Gäste, die immer wiederkommen, wissen nach kurzer Zeit auch ohne Speisekarte, welche Köstlichkeiten sie in den Restaurants Le Cèdre finden. Wer nicht reserviert, findet selten einen Platz. Und vielleicht hat auch der Trend hin zu weniger Fleisch die mediterrane libanesische Küche mit ihrem hohen Anteil an vegetarischen oder gar veganen Gerichten zusätzlich populär gemacht. Insbesondere bei einem weiblichen Publikum kommen laut Houraibi die ästhetisch präsentierten Speisen an. Nach eigenen Angaben beträgt der Anteil an Kundinnen in seinen Lokalen 70 bis 75 Prozent.

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Derzeit beschäftigt Houraibi 72 Angestellte. Pro acht Vollzeitstellen in der Küche erhält er vom Amt für Wirtschaft die Bewilligung, einen Chefkoch aus Beirut während zwölf Monaten anzustellen. Mit Englisch und Arabisch und Englisch verständigen sich die Angestellten in der Küche. Die Köche aus dem Libanon schickt Houraibi zudem in einen Deutschkurs.
 
Und auch die Mengen an frischen Produkten, welche die drei Restaurantküchen wöchentlich verarbeiten, belegen eindrücklich das brummende Geschäft. Houraibi nennt ein paar Zahlen: 400 bis 500 Kilogramm Auberginen pro Woche, 250 bis 300 Kilo Petersilie, Fleisch von der Metzgerei Angst im Wert von 10’000 Franken.
 
Längst hat auch die gehobene Hotellerie die libanesische Küche der Restaurants Le Cèdre entdeckt. Houraibi arbeitet regelmässig mit dem Bellevue Palace und dem Schweizerhof in Bern sowie mit dem Baur au Lac und dem Park Hyatt in Zürich zusammen. Die Cèdre-Köche bereiten die Zutaten in Zürich vor und kochen die Gerichte anschliessend in einem Teil der Küche, beispielsweise des Berner Bellevue Palace.

«Ich kann mit Tomaten und Gurken reden», sagt Houraibi.

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Den seit Jahren anhaltenden Erfolg erklärt sich der Patron mit stets frisch zubereiteten Gerichten – auch wenn dies unter anderem stundenlanges Kochen erfordert. Hummus, hauptsächlich aus Kichererbsen bestehend, bereiten die Köche der Restaurants Le Cèdre täglich frisch zu. «Es schmeckt am nächsten Tag nicht mehr gleich gut», sagt Houraibi. Er verbiete es seinen Köchen, Hummus am nächsten Tag weiterzuverwenden.
 
Und es brauche Produkte in hervorragender Qualität. Dafür fährt der Chef höchstpersönlich täglich um ein Uhr nachts zum Zürcher Früchte- und Gemüse-Engrosmarkt. «Ich kann mit Tomaten und Gurken reden», sagt Houraibi. So merke er, ob die Ware die gewünschte Qualität hat. Ab vier Uhr liefert er die Produkte in die drei Restaurant-Filialen aus. Seine Einkaufstour endet morgens um sechs Uhr. Houraibi arbeitet zudem seit 33 Jahren im Le Cèdre an der Badenerstrasse im Service. Siebzehn Stunden dauert sein Arbeitstag. «Es ist anstrengend, aber ich liebe meine Arbeit», sagt der 59-Jährige.
 
Der beharrliche Einsatz zahlt sich aus. Nicht nur die Zürcher:innen, sondern auch Tourist:innen, insbesondere Gäste aus den Golfstaaten, sind vom Essen des Zürcher Libanesisch-Pioniers begeistert. «Sie rufen aus Katar an, um einen Tisch zu reservieren», sagt Houraibi. Mittlerweile sind die Restaurants Le Cèdre offenbar touristisch relevant geworden – Houraibis Unternehmen ist Partner von Zürich Tourismus und Schweiz Tourismus. «Zuerst reisten die Gäste aus den Golfstaaten hauptsächlich nach Genf. Dann kam Interlaken dazu. Heute setzen sie ihre Reise in der Schweiz bis nach Zürich fort.»

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Es liegt auf der Hand, dass somit bei den Gästen immer wieder einmal die Frage auftaucht, ob sein Essen halal sei, also mit den islamischen Reinheitsvorschriften übereinstimme. «Halal ist in der Schweiz ein Problem», sagt Houraibi, der selbst dem christlichen Bevölkerungsteil des multireligiösen Libanon entstammt. Houiraibi legt Wert auf Schweizer Fleisch. Seit zwei Jahren gebe es aber eine Lösung – auch im Schlachthof in Zürich werden seither Lämmer so geschlachtet, dass einerseits die Schweizer Tierschutzvorschriften eingehalten werden und anderseits das Fleisch als halal anerkannt ist.
 
Überhaupt verwendet der Patron so viele Schweizer Zutaten wie möglich. Einige Zutaten importiert er aus dem Libanon, so etwa Olivenöl und Pfefferminze. Und auch Wein. «Ich bin Generalimporteur für libanesischen Wein.» 15’000 bis 20’000 Flaschen führe er pro Jahr ein.

Wie das Kichererbsenpüree stellen die Cèdre-Betriebe auch den Granatapfelsaft für Saucen selbst her – Granatapfelsaft aus Flaschen kommt für Houraibi aus Qualitätsgründen nicht infrage. Bald soll es auch eine regionale Lösung geben für das Fladenbrot, das er bislang aus Deutschland importiert und welches laut Houraibi derzeit noch niemand in der Schweiz herstellt. In Zürich Altstetten wird er in Kürze eine zentrale Küche auf 720 Quadratmetern eröffnen, wo Angestellte künftig das eigene Fladenbrot backen und beispielsweise Fleisch für die verschiedenen Betriebe an zentralem Ort zerlegen.

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Auch wenn damit seine Unternehmen inzwischen quasi industrielle Dimensionen angenommen haben – die Restaurants Le Cèdre sind nach wie vor auch ein Familienbetrieb. Die Stammkund:innen des Le Cèdre kennen Houraibi, und er kennt sie und ihre kulinarischen Wünsche. «Wenn ich einmal nicht im Service bin, fragen die Gäste: Wo ist Maurice?» Houraibis Frau ist fürs Büro zuständig, der Bruder steht im Restaurant am Bellevue am Herd. Die beiden Söhne, beides studierte Juristen, arbeiten ebenfalls im Betrieb mit. «100 Prozent sicher» werde er ihnen das Geschäft dereinst definitiv übergeben. Wann, das steht aber noch in den Sternen: «Ich liebe meine Arbeit. Ich bin da.»

Adresse

Le Cèdre
Badenerstrasse 78
8004 Zürich
+41 44 241 42 72
Website

Öffnungszeiten

Dienstag bis Donnerstag, 11.30–14.30 und 18–24 Uhr
Samstag und Sonntag, 18–24 Uhr

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