Ma’adan Bakery
Danny Schächter ist Mitbetreiber der einzigen jüdischen Bäckerei in Zürich. Sein Ziel: 50 Prozent nicht-jüdische Kundschaft.
Dreissig Jahre lang war Danny Schächter im Rohstoffhandel tätig. Dann hatte er genug von den vielen Geschäftsreisen – und eröffnete die Ma’adan Bakery mit.
Den optimalen Standort für eine Bäckerei stellt man sich anders vor: An der Schimmelstrasse 1 gibt es wohl kaum Laufkundschaft, der Verkehr donnert auf einer mehrspurigen Strasse an der Fensterfront vorbei. Doch Danny Schächter, der gemeinsam mit Naftali Beck die Ma’adan Bakery führt, sieht das anders: «Als ich erfuhr, dass wir dieses Lokal haben können, war ich mit im Boot.» Seit 2015 befindet sich die einzige jüdische Bäckerei Zürichs an diesem Standort in der Nähe des Bahnhofs Wiedikon. Danny zeigt auf die nahe gelegene Synagoge: «Wir befinden uns hier genau zwischen zwei jüdischen Gemeinden – also inmitten unseres Zielpublikums.»
Alles, was hier verkauft wird, ist koscher.
Wobei sich das Zielpublikum der Bäckerei nicht auf die jüdische Kundschaft beschränkt. Etwa 20 bis 30 Prozent der Kundinnen und Kunden sind nach Dannys Einschätzung nicht-jüdisch. Sein Ziel ist es, 50 Prozent zu erreichen: «Wir möchten explizit eine Bäckerei für alle sein.» Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens geht es um das Überleben des Betriebs. Eine Bäckerei zu betreiben ist sehr kostspielig, da man dafür viel Raum und Personal braucht – beides ist in Zürich nicht gerade günstig. Zweitens ist Danny die gegenseitige Akzeptanz wichtig. Das Lokal ist für ihn eine Art Visitenkarte des Zürcher Judentums, und diese möchte er offen und tolerant gestalten. «Ausserdem zeigt es natürlich, dass die Leute kommen, weil wir gut sind und nicht, weil sie aus religiösen Gründen müssen», freut er sich.
«Wir möchten explizit eine Bäckerei für alle sein.»
Danny Schächter
Was unterscheidet die Ma’adan Bakery eigentlich von anderen Bäckereien? Alles, was hier verkauft wird, ist koscher. Dafür sind die Zutaten und Abläufe bei der Produktion zentral. «Im Judentum werden die Esswaren in drei Kategorien eingeteilt: fleischige, milchige und neutrale Produkte. Diese Gruppen müssen bei der Produktion strikt getrennt werden», erklärt Danny. Bei der Ma’adan Bakery werden keine fleischigen Produkte verkauft. Für die Herstellung von milchigen oder neutralen Köstlichkeiten gibt es getrennte Flächen. Danny zeigt auf einen blauen Kleber, der gewisse Öfen kennzeichnet: «Anhand der Farbe des Klebers sieht man, für welche Lebensmittel die Öfen gedacht sind.» Natürlich sind alle Backwaren auch im Verkauf mit «dairy» (milchig) oder «parve» (neutral) markiert. Die sogenannten neutralen Produkte sind also garantiert laktosefrei.
Danny scheint sehr vertraut zu sein mit all den Abläufen. Er muss lachen, als er seine Geschichte erzählt. Bis vor einigen Jahren habe er keine Ahnung gehabt, wie ein Bäckereibetrieb funktioniere: «Ich war fast 30 Jahre lang im Rohstoffhandel tätig.» Als er eines Tages von einer seiner häufigen Geschäftsreisen nach Hause gekommen sei, habe ihn sein Sohn kaum noch erkannt. «Da war es Zeit für einen Wechsel», erinnert er sich. Nun engagiert er sich in verschiedenen Projekten, die er als sinnstiftend empfindet. Sein Geschäftspartner und er zahlen sich keinen Lohn aus: «Seit über 100 Jahren gab es in Zürich eine jüdische Bäckerei. Als die letzte zuging, fanden wir, dass dieses Projekt eine sinnvolle Sache sei.»
Bei der Ma’adan Bakery werden keine fleischigen Produkte verkauft.
Danny ist in Zürich aufgewachsen und hat seine Jugend in der Nähe des heutigen Ladenlokals verbracht. Darin war vor der Ma’adan Bakery über Jahrzehnte hinweg die Bäckerei Keller, die für ihre Wähen bekannt war. «Ich weiss noch, wie wir früher unsere Nasen an der Scheibe plattgedrückt und die Wähen bestaunt haben», erinnert sich Danny. Aber die Bäckerei war damals nicht koscher.
Wo kauft die jüdische Gemeinschaft eigentlich ihr Brot, wenn es keine jüdische Bäckerei gibt? «Es gibt eine Zusammenarbeit mit den Grossverteilern aus dem Detailhandel. Diese teilen uns mit, welche Produkte koscher hergestellt werden», erklärt Danny. Die «Interessengemeinschaft für Koschere Lebensmittel» überprüft das und erstellt Listen mit zugelassenen Nahrungsmitteln. Verändert sich etwas bei der Herstellung, erhalten die Leute eine Mitteilung, dass ein gewisses Produkt nicht mehr koscher ist. Beispielsweise sei seit einiger Zeit das Vermicelles bei den Grossverteilern nicht mehr in koscherer Form erhältlich. Die Ma’adan Bakery stellt nun ein eigenes Marronipüree her und hat damit sozusagen ein Monopol auf koscheres Vermicelles. Danny freut sich: «Unser Vermicelles ist daher zurzeit ein spezielles Highlight für unsere jüdischen Mitmenschen.»
Adresse
Ma’adan Bakery
Schimmelstrasse 1
8003 Zürich
+41 44 762 40 60
Website
Öffnungszeiten
Montag bis Donnerstag, 7–18 Uhr
Freitag, 7–15 Uhr
Sonntag, 8–15 Uhr