Marktküche
Lieber ein mächtiger Blumenkohl als ein armes Würstchen: In der Marktküche zelebriert Tobias Hoesli die pflanzenbasierte Küche.
Gastronom Tobias Hoesli hat mit Mitte zwanzig ein Restaurant eröffnet, das bald 15 Gault-Millau-Punkte abstaubte – ganz ohne Fleisch, Eier und Milch. Denn in der Marktküche gibt es ausschliesslich vegane Gourmetkost.
«Ich mag es, wenn kritische Leute zu uns essen kommen», erzählt Tobias Hoesli. «Einmal ass ein älteres Paar bei uns. Der Herr kam zu mir und grummelte: ‹Sie müssen Ihre Toiletten-Beschriftungen anpassen. Eine Dame ist kein Meitli.›» Tobias schmunzelt. Er ist knapp 30 und man merkt es seinem Restaurant an: Die Tische in der Marktküche sind zwar elegant gedeckt und an der Wand hängt stilvolle Food-Fotografie – und doch ist die Bedienung nicht nur kompetent, sondern auch locker, das Ambiente nicht nur gehoben, sondern auch entspannt. Das ist extra so in der Marktküche. Wenngleich das bedeutet, dass vielleicht mal ein älterer Herr den Kopf schüttelt darüber, dass die WCs mit «Buebe» und «Meitli» angeschrieben sind.
Das Ambiente ist nicht nur gehoben, sondern auch entspannt.
Eigentlich aber könnte die Marktküche aus ganz anderen Gründen für Unmut sorgen. Das Restaurant bei der Bäckeranlage zelebriert nämlich Gourmet-Kulinarik in genau dem Feld, von dem behauptet wird, es habe kaum etwas zu bieten: dem Veganismus. «Den Vorwurf, er könne ja gar nichts mehr essen, hört wohl jeder Veganer», sagt Tobias. Am Ende seiner Lehre als Koch ist er Vegetarier geworden, hat sich später aber immer stärker rein vegan ernährt. «Und plötzlich war da diese Art Klippe: Vegetarisches Essen findest du recht einfach. Aber als Veganer gab’s kaum ein Angebot», erinnert er sich. Vergebens suchte er nach pflanzenbasierter gehobener Küche, «und zwar solche, die sich nicht darauf konzentriert, die klassische Küche nachzubauen und das Fleisch zu ersetzen, sondern die Gemüseküche etabliert und feiert».
«Den Vorwurf, er könne ja gar nichts mehr essen, hört wohl jeder Veganer.»
Also tat Tobias das selbst. Erst nur in Gedanken, als Jux: Wäre doch cool, ein eigenes Restaurant zu haben. Dann schlug er eine Karrierekurve ein, wechselte von der Küche zum Service – um nach kurzer Zeit wieder zum Ursprung zurückzukehren: dem Wunsch nach einem eigenen Restaurant, mit der kulinarischen Priorisierung von feinen, vielseitigen Pflanzen. «Die konkrete Idee gab’s zu dem Zeitpunkt schon seit Jahren, aber sie war gereift», beschreibt er. Er klingt dabei ein bisschen, als ginge es um Wein. Der ist ihm mittlerweile auch ans Herz gewachsen.
Die Ausbildung zum damaligen Wirtepatent hatte er abgeschlossen, die lange Ausbildung zum Betriebsleiter ebenfalls hinter sich. Tobias hängte seinen Tagesjob an den Nagel und nahm sich Zeit, um einen Businessplan auszuarbeiten. «Ich sagte mir: Wenn ich eine gute Location finde, mache ich das. No risk, no fun.» Das zentrale Lokal im Kreis 4, wo 30 bis 40 Gäste reinpassen, tat sein Übriges. Im Nachhinein muss der Inhaber auch etwas grinsen über das Risiko: «Ich war 24, und rückblickend trieb mich auch ein gewisser Mut des Unwissenden an.» Das sei aber ein Vorteil gewesen. «Im ersten Jahr bin ich einige Male hingefallen und wieder aufgestanden. Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass die Stromrechnung eines Gastrobetriebs so hoch ausfallen kann?» Mittlerweile hat die Marktküche ihr 5-Jahr-Jubiläum hinter sich. Das anfängliche Bistro mit leichter Küche ist angekommen in der gehobenen Gastronomie: 15 Gault-Millau-Punkte zeichnen das Restaurant aus, es gilt als das beste vegane Restaurant im deutschsprachigen Raum.
15 Gault-Millau-Punkte zeichnen das Restaurant aus.
Aber Tobias erzählt nicht viel von Punkten. Er erzählt vom Kochen. Von filigran komponierten Gängen, strategisch verteilten Portionen, kreativem Gestalten jeglicher essbarer Pflanzen. Wie viele Ravioli auf dem Teller erhalten die Spannung der Textur aufrecht? Welcher Gang benötigt welche Stärkekomponente? Was kann man alles machen mit einem Rüebli, mit einem Pilz, mit einem Blumenkohl?
Ähnliche Überlegungen führten auch zur Entscheidung, fortan nur noch ganze Dinner-Menüs anzubieten – die bisher wohl grösste Veränderung in der jungen Geschichte der Marktküche. Der Gast bestellt nicht à la carte, sondern entscheidet zwischen einem Vier- bis Achtgangmenü. Jeden Monat wechselt die Karte, um lokal und saisonal zu bleiben; am letzten Freitag des Monats gibt’s jeweils ein Surprise-Mittagsmenü. Tobias selbst ist Fan von Surprise-Menüs; geht er selbst essen, an einem freien Montag etwa, bestellt er liebend gern eine Überraschung.
Die Verspieltheit und den Charme will das Marktküche-Team beibehalten, an der Seite von Punkte- und Gourmetküche. «Das ist keine Einzelleistung», hält Tobias fest, «dafür müssen alle am selben Strang ziehen.» Und just dann, wenn das Gegessene einem klarmacht, wie gehoben die Marktküche ist, erinnert einen das Schild über dem Ausgang wieder an ihren Charakter: «ademerci», steht da in Handschrift.
Adresse
Restaurant Marktküche
Feldstrasse 98
8004 Zürich
+41 44 211 22 11
Website
Öffnungszeiten
Montag bis Freitag, 17.30–23.30 Uhr
Jeden vorletzten Freitag im Monat: Mittagsmenü (Reservation erwünscht)