Stadtstube
Shiran Marc Steiner kennt die Geschichte hinter den Möbeln, die er in seinem Laden im Kreis 3 anbietet.
In einem günstigen Brocki entdeckte Shiran Marc Steiner seine Liebe für alte Möbel. Heute verkauft er in der Stadtstube selbst hochwertige und restaurierte Designklassiker. Für die schönsten Stücke setzt sich der Zürcher manchmal sogar Gefahren aus.
Shiran Marc Steiner ist – das merkt man schnell – einer, der anpackt und voll bei der Sache ist. Leidenschaftlich spricht er mit Kund*innen über seine Möbel und Wohnaccessoires. Mit viel Energie hat er den Keller seiner Stadtstube auf Vordermann gebracht, um noch mehr Stücke ausstellen zu können. «Ich habe keine Angst davor, mir die Hände schmutzig zu machen», sagt er.
Dass er heute seltene Schweizer und auch internationale Stücke aufstöbert, restauriert und dann verkauft, ist einem Zufall geschuldet. Eigentlich hat Shiran Marc Geschichte, Linguistik und Computerlinguistik studiert. «Als ich dann meine erste eigene Wohnung einrichten musste, war ich mehr oder weniger pleite», erzählt Shiran Marc. Und so empfahl ihm ein Freund das Brockenhaus um die Ecke. Für fünf Franken konnte man dort Bett, Tisch oder Lampe einkaufen. «Im Brocki hat mich die Schatzsuche zum ersten Mal so richtig gepackt.»
Das Sortiment entspricht voll Shiran Marcs Geschmack.
Shiran Marc begann auf verschiedenen Internetplattformen mit Möbeln und Designobjekten zu handeln. 2014 eröffnete er dann seine erste Stadtstube in Wiedikon. «Es war ein kleiner, unscheinbarer Laden, in den man wirklich nur dann kam, wenn man ihn bereits kannte», erinnert er sich.
Viel prominenter ist die Lage seiner Stadtstube heute an der Ecke Kalkbreitestrasse/Zentralstrasse. Hinter langen und hohen Fensterreihen steht Shiran Marcs eindrückliche Kollektion, die vor allem aus Midcentury-Möbeln besteht. Wer hier vorbeischlendert, kommt um einen neugierigen Blick in die «Stube» nicht herum.
Die Möbel in der Stadtstube sind hauptsächlich aus den Jahren zwischen 1930 und 1965 und stammen primär aus der Schweiz. «Sie entsprechen meinem ganz persönlichen Geschmack und meinem Mut zum Unkonventionellen», so Shiran Marc. «Auch deshalb bin ich so voller Leidenschaft dabei.» Sieht es in seiner Wohnung ähnlich aus wie in seinem Laden? «Ja. Daran musste sich auch meine Frau über die Jahre gewöhnen. Bei Ikea-Möbeln steige ich nämlich aus», sagt Shiran Marc und schmunzelt.
«Ich mag das Unkonventionelle.»
Shiran Marc Steiner
Auf der Suche nach passenden Möbeln hat Shiran Marc schon die schrägsten Orte besucht. So wurde er einmal eingeladen, die Einrichtung aus einem verlassenen Anwesen zu holen. «Dort hatte sich in den Jahren zuvor ein Familienmitglied sprichwörtlich verbarrikadiert. Es hat nicht nur Möbel, sondern vor allem auch Waffen gesammelt», erzählt Shiran Marc. Er musste auf allen Vieren unter Zäunen und meterhohen Dornenbüschen durchkriechen. «Wegen der ganzen Waffen und Munition im Haus habe ich aber dann doch einen befreundeten Sammler von Militaria vorausgeschickt.» Shiran Marc ging erst rein, als die Lage sicher war. «Das war verrückt.»
Die Arbeit mit Möbeln, aber vor allem mit den Menschen und den Geschichten dahinter, sei für ihn unglaublich lehrreich. «Ich treffe so unterschiedliche Typen», sagt er, «sowohl Möbelpacker, Flohmarktverkäufer*innen und Hausmeister als auch Leute, die problemlos Zehntausende Franken für ein Objekt ausgeben können.» Dadurch beginne man extrem schnell, dumpfe Vorurteile abzubauen. «Ich liebe es, mich mit Leuten zu unterhalten und dabei mehr über sie zu erfahren.»
Fälschungen erkennt Shiran Marc auf den ersten Blick.
Ein grosses Netzwerk ist das Wichtigste für Shiran Marc. «Das habe ich mir über die Jahre aufgebaut», erzählt er. Mittlerweile wird der Zürcher oft selbst als Experte herangezogen. Vor einigen Jahren musste er beispielsweise einen Stuhl auf seine Echtheit prüfen. Ein Sammler hatte ihn für kleines Vermögen gekauft. Der Mann glaubte, es handle sich um ein Stück des Designers Carlo Bugatti. «Da genügte mir nur ein kurzer Blick und ich wusste: Der Stuhl ist eine Fälschung», sagt Shiran Marc. «Da war keine natürliche Alterung, es gab keine Abnutzungsspuren an den Seiten und keine wahre Geschichte hinter dem Stück.»
Shiran Marc überlegt, in Zukunft auch direkt in Wohnungen zu restaurieren – Küchen und grössere Möbel zum Beispiel. «Es ist schlichtweg nachhaltiger, wenn man Altes gekonnt repariert, anstatt es zu ersetzen.» Dabei ist Profit nie Shiran Marcs Hauptziel. «Ich werde nicht reich mit meiner Arbeit und wäre vermutlich mit einem gewöhnlichen 9-5-Job viel besser dran.» Aber in seiner Stadtstube kann er seine Passion voll ausleben. «Das zählt.»
Adresse
Stadtstube
Kalkbreitestrasse 59
8003 Zürich
Website
+41 76 565 41 82
Öffnungszeiten
Mittwoch, 14.30–18.30 Uhr
Freitag, 13.30–18.30 Uhr
Samstag, 11 – 17 Uhr