Zeitreise | Stadt & Geschichte

Die Badener Bäder – der erste «touristische Hot(s)pot» der Schweiz

Die heissen Quellen von Baden im Aargau waren Ziel erholungssuchender Menschen lange bevor die Schweiz zum touristischen Sehnsuchtsziel wurde. Das erste Souvenir der Schweiz, berühmte Gäste und zahlreiche Reiseberichte trugen den Ruf des Badeorts in die Welt.

Reisen und Tourismus, wie wir sie heute kennen gelten als «Erfindung» des frühen 19. Jahrhunderts. Doch schon in früheren Zeiten verliessen Menschen ihr Zuhause, um sich für Tage oder Wochen an Orte zu begeben, die Erholung, Erneuerung, gesellschaftlichem Austausch und Zerstreuung versprachen: Heilbäder. Eines der berühmtesten Heilbäder war während Jahrhunderten Baden an der Limmat.

Bereits die Römer erbauten bei den 47°C heissen Thermalquellen im Limmatknie grosse Heilthermenanlagen. Aquae Helveticae (lat. das Heilbad im Gebiet der Helvetier), wurde bald zum beliebten Kurort und Reiseziel. Der Politiker und Historiograf Publius Cornelius Tacitus (um 58 bis um 120 n. Chr.) beschrieb den Ort als: «locus, amoeno salubrium aquarium usu frequens», eine der «lieblichen Lage ihrer Heilquellen» vielbesuchte Kleinstadt.

Kooperation

Dieser Artikel ist ursprünglich auf dem Blog des Landesmuseums erschienen. Dort gibt es regelmässig spannende Storys aus der Vergangenheit. Egal ob Doppelagent, Hochstapler oder Pionier. Egal ob Künstlerin, Herzogin oder Verräterin. Hier kann man eintauchen in den Zauber der Schweizer Geschichte.

Ein Souvenir aus Aquae Helveticae

Menschen aus der näheren und weiteren Umgebung, aber auch Soldaten, Offiziere und Beamte auf Erholungsurlaub oder Durchreise fanden den Weg in die Heilthermen von Aquae Helveticae. Vermutlich schätzen auch Angehörige der bedeutenden Familien der Helvetischen Civitas das entschleunigte Leben und den Müssiggang, das otium, im Badeort an der Limmat. Diese Badegäste hinterliessen aber kaum archäologisch fassbare Spuren, die Auskunft über ihre Herkunft und Motivation ihres Aufenthalts in Aquae geben.

Von der Beliebtheit des Badeorts an der Limmat zeugt dafür das vermutlich älteste Souvenir der Schweiz: die Messerscheidenbeschläge des Bronzegiessers Gemellianus. Verschiedene Modelle der in keltischem Stil gehaltenen Beschläge nennen ihren Hersteller und auch den Herstellungsort. Sie trugen den Namen Aquae Helveticae und vermutlich auch den Ruf des Badeorts weit ins Imperium Romanum hinaus. Die Messer des Gemellianus fanden den Weg bis nach Britannien und an den Euphrat – sie waren gar so beliebt, dass sie kopiert und gefälscht wurden!

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Die Messerscheidenbeschläge des römischen Bronzegiessers Gemellianus waren im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. beliebte Souvenirs. Hier ein originales Fragment und eine Replika. (Bild: Historisches Museum Baden)

Sehen und gesehen werden am Treffunkt der Mächtigen

Im Mittelalter und bis ins 17. Jahrhundert war Baden ein beliebter Treffunkt der Mächtigen. Vermutlich schon die Grafen von Lenzburg, die den Badeort im späteren 11. und 12. Jahrhundert ausbauten und nach ihnen die habsburgischen Herzöge und Könige verbrachten in den Sommermonaten oft mehrere Wochen in Baden. Die Tradition des sommerlichen Stelldicheins der Mächtigen setzte sich auch unter eidgenössischer Herrschaft und bis ins 17. Jahrhundert fort. Besuche hochrangiger Gäste wie Herzogin Eleonore von Schottland (1433-1480) oder Papst Martin V. (1368-1431) waren beste Werbung für den Badeort.

Wer die gekrönten Häupter treffen wollte oder musste – Fürstinnen, Fürsten, Gesandte, Bittstellerinnen und Bittsteller gleichermassen – reisten ebenfalls an die Limmat. Ihnen folgten all diejenigen, die sich vom Aufenthalt im Dunstkreis der Mächtigen Vorteile versprachen. Auch wer sich nur im Glanz der Mächtigen sonnen und am Luxus und den Zerstreuungen des Badeorts teilhaben oder diese zumindest bestaunen wollte reiste nach Baden.

Nichts weniger als der Garten Eden!

Ab dem 15. Jahrhundert trugen zahlreiche Reiseberichte und Bäderconsilien den Ruf Badens in die Welt hinaus. Gewissermassen den Auftakt dazu macht der apostolische Sekretär und bedeutende Humanist Giovanni Francesco Poggio Bracciolini (1380-1459), der 1416 Baden besuchte und in einem Brief die hiesigen Bäder als Ebenbild des Garten Eden voller glücklicher Menschen beschrieb. Poggios Text verbreitete sich schnell in ganz Europa wurde zur eigentlichen, bis heute nachwirkenden Werbeschrift für Baden – und Baden wurde zum Idealbild des spätmittelalterlichen Heilbades.

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Der Florentiner Humanist Giovanni Francesco Poggio Bracciolini verfasst 1416 einen Brief, der zur Werbeschrift für Baden wird. (Bild: Historisches Museum Baden)

Bäderbeschreibungen prominenter Gelehrter wie den Zürcher Felix Hemmerli (1388/89-1458/61) und von namhaften Ärzten wie Heinrich Pantaleon (1522-1595), dem Rektor der Universität Basel, befassten sich nicht nur mit den Vorzügen und Anwendungen des Badener Thermalwassers, sie beschrieben beinahe im Stile eines Reiseführers den Badeort, dessen Einrichtungen, Sehenswürdigleiten und weiteren Annehmlichkeiten. Die Reiseberichte des französischen Philosophen und Politikers Michel de Montaigne (1533-1592) und des Engländers Thomas Coryate (1577-1617) festigten den Ruf Badens als exklusives Reiseziel und Modebad der damaligen Zeit. Den berühmten Gästen und den so zahlreich beschriebenen Verheissungen Badens und seiner heilsamen Wasser folgten zahlreiche Bäderreisende aus ganz Europa.

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Baden und die Bäder im Vordergrund um 1620/1630. Kupferstich von Matthäus Merian. (Bild: Schweizerisches Nationalmuseum)

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Badegäste treffen per Schiff in Baden ein. Am Ufer vergnügen sich Kurgäste bei Spiel und Gesprächen. Kupferstich von Johann Melchior Füssli, 1732. (Bild: Historisches Museum Baden)

Bäderreisen gaben Adel und gehobenem Bürgertum die Gelegenheit, für einige Zeit aus heimischen Pflichten und Zwängen auszubrechen und das Nützliche, die Pflege der Gesundheit, mit dem Angenehmen, Geselligkeit und dem Austausch unter Gleichgesinnten zu verbinden. Eine Badenfahrt genannte Badereise war stets auch verbunden mit Vergnügungen, denn es erwarteten die Badegäste nicht nur heilsame Bäder sondern auch allerlei Zerstreuungen wie Theateraufführungen, Gesellschafts- und Glücksspiele, prunkvolle Bankette und Bälle.

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Der Bäderplatz in Baden mit den öffentlichen Bädern, dem Freibad im Hintergrund und dem St. Verenabad vorne; hier verbrachten die einfacheren und bedürftigen Gäste ihren Badeaufenthalt. Aquatinta Heinrich Keller 1805. (Bild: Historisches Museum Baden)

Aber auch weniger begüterte Menschen fanden den Weg an die heilenden Wasser und konnten zumindest am Rand am bunten Treiben und vielfältigen Zeitvertreiben im Badeort teilhaben. Angehörige kirchlicher Orden hatten im Rahmen der cura corporis, der von den Ordensregeln vorgeschriebenen Sorge um das eigene leibliche Wohlergehen, Anrecht auf regelmässige Badeaufenthalte. Bedürftige und Kranke kamen ebenfalls in den Genuss von Badeaufenthalten, die ihnen vielfach als Akt christlicher Nächstenliebe von der Kirche oder grosszügigen Spendern ermöglicht wurden. Für viele dieser Menschen mag die Reise nach Baden gar die einzige Reise und «Auszeit» ihres Lebens gewesen sein.

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